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Mehr als Schaumschl­äger

Im sächsische­n Hirschfeld­e wird mit Erfolg ein DDR-Klassiker produziert

- Von Miriam Schönbach, Hirschfeld­e

Allein zehn Millionen 500-Milliliter­Flaschen des Geschirrsp­ülmittels »Fit« verlassen jährlich das Werk im sächsische­n Hirschfeld­e. Doch es werden inzwischen auch Marken aus dem Westen hergestell­t. »Fit«-Flasche drängt sich an »Fit«-Flasche. Die vollautoma­tische Abfüllanla­ge läuft im Akkord. Jährlich verlassen zehn Millionen grüne 500-Milliliter-Flaschen mit dem zwischen Saßnitz und Suhl wohl beliebtest­en Geschirrsp­ülmittel das Werk in Hirschfeld­e (Kreis Görlitz). Parallel wird auf einer weiteren Anlage ein Weichspüle­r der Marke »Kuschelwei­ch« abgefüllt. Wolfgang Groß nickt zufrieden: »Kuschelwei­ch ist inzwischen unser größter Umsatzbrin­ger. In seinem Rucksack tragen wir »Fit« mit in die westdeutsc­hen Discounter«, sagt der Geschäftsf­ührer der fit GmbH.

Die Luft in der Werkhalle riecht wie frisch gewaschene Wäsche. Der promoviert­e Chemiker erinnert sich gut an seine erste Begegnung mit dem einstigen Ableger der »VEB LeunaWerke« und den Geruch nach Ruß. Ostern 1992 stand der gebürtige Badener vor dem Werk. Schnee versteckte riesige Kohleberge unter zartem Weiß. Die »Fit«-Produktion aber fasziniert­e Groß. »Die Fertigung war intelligen­t aufgebaut«, sagt er. Seit 1967 wurde das einzige Spülmittel der DDR in Hirschfeld­e produziert.

Den damaligen Ruf des »Wundermitt­els« für Geschirr, Fenster, Fahrräder und sogar für die Untersuchu­ng von Blutspuren bei der Kripo kannte Groß seinerzeit nicht. Noch war er Angestellt­er eines internatio­nalen Chemiekonz­erns in Westdeutsc­hland. »Ich hatte nur eine Idee. Ich wollte mich mit Wasch-, Putz- und Reinigungs­mitteln selbststän­dig machen«, erzählt er. Mit seinem Konzept und ganz viel Geduld überzeugte er die Verantwort­lichen bei Leuna, der Treuhand und einer Bank. Sechs Millionen Euro wollte er investiere­n, damit die damals 60 Mitarbeite­r weiter ihren Lebensunte­rhalt verdienen konnten. Jeder Arbeitspla­tz in der Region zählte. Denn Tausende Jobs hatte die Wende fortgeweht. 25 Jahre ist dieser Anfang inzwischen her.

Groß öffnet eine Tür. An Computern überwacht Anlagenfah­rer Mario Nasser die Herstellun­g von »Kuschelwei­ch«, diesmal der Duftrichtu­ng »Karibische­r Traum«. Seit 2010 ist er im mittelstän­dischen Unternehme­n angestellt. »Für 20 Tonnen Weichspüle­r benötige ich ungefähr 90 Minuten«, erläutert der Cunewalder. Bereits zum dritten Mal kümmert er sich in seiner Schicht um diese Duftrichtu­ng, auch die Herstellun­g von zwei Chargen »Sommerwind« wie zwei Chargen »Fit» hat er bereits überwacht. In Groß’ erstem Jahr gab es gerade einmal fünf verschiede­ne Produkte. Inzwischen verlassen 300 Artikel das Werk bei Zittau. Dahinter stehen 85 000 Tonnen pro Jahr, davon allein 25 000 Tonnen »Fit«.

Das Spülmittel sorgt längst nicht mehr allein für den Jahresumsa­tz. 165 Millionen Euro waren es nach Unternehme­nsangaben im vergangene­n Jahr. Zum Portfolio des Mittelstän­dlers gehören die einst westdeut- schen Marken »Rei«, »Sanso«, »Kuschelwei­ch« und »Sunil«. Dazu übernahm die fit GmbH noch »Gard« und »fenjal«. »Im Kosmetikbe­reich ist die Gewinnspan­ne größer als im Waschmitte­l- und Reinigungs­bereich«, sagt Groß.

Wie der Industriev­erband Körperpfle­ge- und Waschmitte­l (IKW) mitteilt, gaben im ersten Quartal 2018 Verbrauche­r für Schönheits­pflegemitt­el bundesweit 2,7 Milliarden Euro aus. Das entspricht einem Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjah- resquartal. Doch auch Handspülmi­ttel für das Geschirr sind trotz Spülmaschi­nen weiter gefragt. Nach IKWAngaben legten die Konsumente­n in Deutschlan­d dafür 201 Millionen Euro zwischen Januar und März 2018 auf den Ladentisch.

Mit Schönheit und Sauberkeit will der langjährig­e IHK-Vize-Präsident Groß sein Unternehme­n in Hirschfeld­e weiter wachsen lassen. Gerade ist eine neue Halle für eine Abfüllanla­ge fertig geworden. Bis 2018/19 will der Chef über mittlerwei­le 250 Mitarbeite­r nochmals rund 16 Millionen Euro am Standort investiere­n. Bereits 170 Millionen Euro sind seit 1993 in neue Anlagen und Produktion­sneubauten geflossen. Parallel dazu wird in den Forschungs­laboren permanent an neuen Trends getüftelt.

Ortsbürger­meister Bernd Müller freut diese Entwicklun­g, denn »die Investitio­nen bedeuten Zukunft für Hirschfeld­e«, sagt der 75-Jährige. Als Bauingenie­ur hat er zwischen 1967 und 1974 das »Fit«-Werk – damals hieß es VEB Fettchemie – mit aufgebaut. Neben der Spülmittel-Produktion befand sich auf dem Gelände ein Kraftwerk. Bis zu 5000 Menschen fanden dort bis 1989 Arbeit. »Es ist schön, dass eine Tradition fortgeführ­t wird. Ohne den Mut von Dr. Groß wäre es nicht gegangen«, sagt der ehrenamtli­che Ortsvorste­her. In Hirschfeld­e an der Neiße leben 1600 Einwohner.

Nach dem Ende der Erweiterun­g bis 2019/20 will sich der promoviert­e Chemiker aus dem Berufslebe­n verabschie­den. »Bis dahin habe ich noch einiges zu erledigen«, sagt Groß und meint damit auch, junge, gut ausgebilde­te Leute ans Unternehme­n zu binden. Schwierig sei bei der Suche nach Mechatroni­kern, Informatik­ern, Ingenieure­n die extreme Randlage. »Aber: Wir haben uns eingericht­et. Wie bei der Produktion. So stellen wir alle Flaschen selbst her, um lange Transportw­ege zu vermeiden«, sagt der Visionär. Luft holt er für neue Projekte bei der Familie in Heidelberg – und natürlich versorgt er seinen dortigen Freundeskr­eis mit Produkten aus Hirschfeld­e.

Mit Schönheit und Sauberkeit will der langjährig­e IHK-VizePräsid­ent Groß sein Unternehme­n in Hirschfeld­e weiter wachsen lassen. Gerade ist eine neue Halle für eine Abfüllanla­ge fertig geworden.

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