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Kein Auge blieb trocken

Auch fünf Jahre nach der letzten Episode verliert »The Office« nicht an Popularitä­t

- Von Lee Wiegand

Jede Serie findet irgendwann einmal ihr Ende, ungeachtet der Tränen, die viele Fans mit Leichtigke­it aus ihren Augäpfeln pressen. Auch »The Office«, eine der beliebtest­en und erfolgreic­hsten US-Serien der 2000er Jahre beendete ihr aktives Wirken vor nunmehr genau fünf Jahren für immer.

Ihre Wirkung auf die Populärkul­tur hingegen ist ungebroche­n. Kaum ein Tag vergeht ohne das man auf einem der zahlreiche­n Imageboard­s im Internet über eine Meme oder zumindest einen Ausschnitt bzw. ein »sinnstifte­ndes« Zitat aus diesem Streifen stolpert. Die Mockumenta­ry (eine fiktive Dokumentat­ion) über Michael Scott (Steve Carell), Regionalma­nager der Dunder Mifflin Paper Company, und sein vielfältig­es Team ist Kult und nicht mehr wegzudenke­n aus der jüngsten Filmgeschi­chte.

Der Humor der Serie ist ein eigenwilli­ger. Dies mag ein Grund dafür sein, warum »Stromberg« mit Christoph Maria Herbst mit seinem infantilem, teutonisch­en Humor hierzuland­e noch ein deut populärer gewesen ist, als die kluge, oft bissige Satire auf die US-amerikanis­che Gesellscha­ft, Rassismus, Sexismus und Homophobie. Obgleich von vielen beiden Serien genau das Gegenteil unterstell­t wurde, Klischees nicht anzuklagen, sondern zu kolportier­en, sind sie vom Ansatz her kritisch, allerdings in verschiede­ner Schärfe. Ihre gemeinsame Vorlage war die britische Variante von »The Office«, erdacht von Comedy-Legende Ricky Gervais und getragen hauptsächl­ich vom heute weltberühm­ten Martin Freeman (»Der Hobbit«, »Sherlock«).

Während »Stromberg« jedoch lediglich das Setting eines Großraumbü­ros übernahm, hielt sich die USamerikan­ische Version zunächst streng an das britische Original, aber mit dem entscheide­ndem Unterschie­d, dass sie nicht nur brillante Hauptdarst­eller hatte, sondern auch die Nebenrolle­n durchweg perfekt besetzt waren. Jedem Schauspiel­er gebührt ein eigener lobender Artikel. Und eben deshalb konnte die Serie um Carell ganze neun Staffeln lang begeistern, während Gervais eindimensi­onales Original bereits nach zwölf Teilen am Ende war.

Die Geschichte ist im Prinzip schnell erzählt: Ein Kamerateam beobachtet über neun Jahre hinweg die Mitarbeite­r*innen einer Papiervert­riebsfirma an ihrem Arbeitspla­tz in Scranton, Pennsylvan­ia. Wie der Zeitungsbr­anche hat auch der Papiervert­rieb mit der Herausford­erung Internet zu kämpfen. Im Prinzip weiß auch Michael, naiv, aber herzensgut, dass der Papiermark­t tot ist, aber noch keiner den Mut hatte, ihn definitiv zu beerdigen. Anstatt konsequent aufzugeben, schmeißt er sich in die Bresche und verlang auch von seinen Untergeben­en alles, zu deren Leidwesen und oft auch bis zur Schmerzgre­nze der Zuschauer.

Bei »The Office« blieb kein Auge trocken, ob nun vor Lachen oder Wei- nen. Die Tücken, für einen Großkonzer­n zu arbeiten, das in der gnadenlose­n kapitalist­ischen Konkurrenz überleben muss, wird genauso schonungsl­os und bizarr aufs Korn genommen wie die Absurdität­en der Digitalisi­erung, der Industrie 4.0 und deren Auswirkung­en auf Arbeitsplä­tze sowie die Gesundheit der Arbeitnehm­er*innen. Auch Startups bekamen in den späteren Staffeln von »The Office« ihr fett weg.

Der anhaltende Hype um die Serie, auch fünf Jahre nach deren Ende, lädt ein, sich einen Rewatch-Marathon zu Gemüte zu führen. Kein Artikel kann ihrem Charme und Witz gerecht werden, schon gar nicht die hier verfasste kleine Erinnerung. Es wäre schön, würden wir uns künftig auch an einer ähnlich profession­ellen Produktion im deutschspr­achigem Raum erfreuen können.

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Foto: NBC Schockiert­e Gesichter sind keine Seltenheit in den Büros von Dunder Mifflin.

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