Eine Berühmtheit als Helferin
Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler war als Wettkampfrichterin bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin dabei
Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei der EM als Wettkampfrichterin dabei zu sein?
Es ist wirklich schön, hier an der Basis dabei zu sein und mitzuhelfen, dass diese EM auch eine gute Veranstaltung wird. Und es ist auch schön die Erfahrungen, die ich auf der anderen Seite gesammelt habe, so einbringen zu können. Ich hatte richtig Bock drauf. Und das ist auch kein PRGag, sondern das ist richtig harte Arbeit. Seit einer Woche sind wir hier in Berlin im Einsatz bei jeder Vormittagssession und an den Finalabenden.
Wie können Sie konkret Ihre Erfahrungen einbringen?
Wenn mal kleine Pannen oder Zeitverzögerungen entstehen, habe ich vielleicht etwas mehr Ruhe und kann helfen, dass wir nicht die Nerven verlieren und die Athleten nicht unruhig werden. Als ehemaliger Athlet fallen einem Probleme der Aktiven vielleicht auch etwas früher auf.
Wie viel Vorbereitung braucht man für eine Europameisterschaft als Wettkampfrichterin?
Schon etwas. Mit unserem Team sind wir schon erprobt, wir haben schon bei den Seniorenmeisterschaften in Erfurt die Grube gefegt. Und am Sonnabend vor einer Woche hatten wir noch einen Testwettkampf.
Wie erleben Sie solch einen Wettkampf als Kampfrichterin im Unterschied zu ihrer aktiven Zeit?
Es ist schon ein bisschen wie früher, man freut sich drauf und ist auch ein wenig aufgeregt. Weil alles auch rund über die Bühne gehen soll. Und im Team zu arbeiten, das macht wirklich Spaß. Außerdem möchte ich noch sagen, dass die Kampfrichter viel mehr Anerkennung verdienen, weil es die allermeisten alles ehrenamtlich machen.
drückte am Sonnabend die Daumen. Es half: 20 Jahre nach dem letzten Titel durch die Jenaerin wurde mit Malaika Mihambo wieder eine deutsche Weitspringerin Europameisterin. Den EM-Sieg erlebte Drechsler an der Grube – als Wettkampfrichterin. Die 53-Jährige erzählte wie es dazu kam, was sie an der EM mag und was nicht und woran die Leichtathletik zu arbeiten hat.
Heike Drechsler Alexander Ludewig Ihr schönstes Erlebnis bei dieser EM?
Natürlich die Atmosphäre im Stadion und die Emotionen der Athleten mitzubekommen. Einige kommen nach dem Wettkampf, klatschen ab und sagen »toll gemacht.« Manchmal bekommt man auch ein Küsschen. Und ich treffe hier auch viele alte Bekannte, die alle mal »Hallo« sagen. Besonders schön sind die Reaktionen der Kampfrichter und Volunteers, die sich freuen, dass eine ehemalige Sportlerin an der Basis mitarbeitet. Solch eine Meisterschaft zu erleben, ist schon etwas Besonderes. Das Erlebnis werden die meisten nie vergessen. Ich möchte das weitermachen, noch mehr Erfahrungen als Kampfrichterin sammeln und mich mit einem höheren Schein weiter qualifizieren. Ich habe jetzt schon eine Anfrage für einen weiteren Wettkampf in Berlin bekommen.
Nach dem Weitsprung der Männer gab es ja viele Diskussionen über das Versagen der Messtechnik. Wie haben Sie das direkt an der Grube erlebt?
Wir haben ja gesehen, wie weit die Sprünge sind. Wenn dann auf der Anzeigetafel ein anderes Ergebnis steht, ist das schon ärgerlich. Aber das hat- te mit den Kampfrichtern überhaupt nichts zu tun. Wir haben keinen Einfluss auf die Technik und können nur hoffen, dass es funktioniert. Sonst muss das alte Bandmaß rausgeholt werden (lacht). Besonders leid tut es mir für die Athleten, sie müssen lange warten, werden unruhig, verlieren die Konzentration und das ist einfach blöd. Man sollte gut überlegen, welche Systeme in Zukunft eingesetzt werden.
Durch Ihre Leistungen als Aktive wäre Ihr Name in Berlin auch präsent, wenn Sie nicht hier wären. Ihr Europameisterschaftsrekord von 7,30 Meter von der EM 1990 in Split beispielsweise wurde in der Grube als virtuelle lila Linie eingeblendet. Wie beurteilen Sie das aktuelle Niveau bei dieser EM? Es gab viel gute Leistungen. Durch die Hitze haben gerade die SchnellkraftAthleten Superbedingungen. Das haben die Sprinterinnen gezeigt, auch die deutsche Gina Lückenkemper. Oder Kristin Gierisch, die im Dreisprung mit persönlicher Bestleistung auch Silber gewonnen hat. Und ganz besonders hat mich natürlich der Sieg von Malaika Mihambo gefreut. Es ist schön, dass wir im Weitsprung endlich wieder eine Europameisterin haben. Im europäischen Maßstab waren die Leistungen der Deutschen schon ziemlich toll. Wenn der Rest der Welt noch dazu kommt, müssen wir uns eben noch ein bisschen mehr anstrengen (lacht).
Wenn heutzutage über den Sport, die Aktiven und deren Leistungen diskutiert wird, wird auch immer über die Finanzierung des Sportlerlebens diskutiert. War es früher einfacher, sich für den Sport zu entscheiden und ihn dann auch professionell zu betreiben?
Ein Riesenproblem ist, berufliche Karriere und Sport zu verbinden. Ich denke, dass man Spitzenleistungen generell finanziell zu wenig belohnt. Da fehlt vielleicht einigen die Motivation, sich voll und ganz auf den Sport zu konzentrieren. Deshalb entscheiden sich einige Talente für Sportarten, in denen beides auch wirklich gut realisierbar ist. Mit der Leistungssportreform haben wir jetzt eine bessere punktuelle Förderung der Olympiastützpunkte erreicht. Aber man darf den Anfang nicht vergessen. Es sollte vielleicht überlegt werden, schon im Kinderbereich mit hauptamtlichen Trainern zu arbei- ten. Wenn man Leistungssport auf einem hohen Niveau haben möchte, dann muss man auch unten investieren. Wichtig sind große Höhepunkte wie diese EM. Das hilft, den Topf ein bisschen voller zu bekommen. Das sieht man an Großbritannien, die profitieren immer noch von Olympischen Spielen in London. Da wurde viel investiert und eine gezielte Entwicklung von unten nach oben angestoßen. Man sieht es jetzt bei der EM: Die Leute lieben die Leichtathletik. Die Frage ist nur, wie wird sie medienwirksamer. Hier in Berlin haben sich die Organisatoren schon viel einfallen lassen. Man muss aber aufpassen, dass es kein Kaspertheater wird.
Eine Neuerung mit Eventcharakter bei dieser EM ist viel und laute Musik bei den Wettbewerben. Kann man sich als Sportler da wirklich auf seinen nächsten Versuch konzentrieren?
Ich empfinde es als etwas störend. Aber es kann natürlich auch motivierend sein. Gerade in technischen Disziplinen, wo man sich auf so vieles konzentrieren muss, könnte es für einige schon ein Problem sein.
Abgesehen von dieser EM – wie sind Sie sonst noch mit der Leichtathletik verbunden?
Also Einladungen gibt es zu allen großen Events. Und selbst bin ich sportlich immer noch aktiv. Ich bin physisch schon noch gut drauf, ich sprinte zwar nicht mehr, dafür sind meine Laufstrecken etwas länger geworden. Und wenn ich über einen Straßengraben springen muss, dann schaffe ich das bestimmt auch noch (lacht). Ich werde der Leichtathletik mein ganzes Leben lang treu bleiben, weil sie mir sehr viel gegeben hat. Jetzt möchte ich auch sehr viel zurückgeben. Und Sport ist einfach was schönes, er verbindet.