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Schätze unter Wasser

Die Anrainerst­aaten vereinbare­n nach 22-jährigen Verhandlun­gen Konvention für das weltgrößte Binnengewä­sser

- Von Axel Eichholz, Moskau

Anrainer des Kaspischen Meeres teilen Öl- und Gasfelder auf.

Das Kaspische Meer ist reich an Öl und Gas. Auch deshalb haben sich die komplizier­ten Verhandlun­gen der fünf Anrainer lange hingezogen gen. Nun hat man sich geeinigt. Doch bleiben wichtige Fragen offen. Am Sonntag haben die Staatschef­s der fünf Kaspi-Anrainerlä­nder – Russland, Aserbaidsc­han, Iran, Kasachstan und Turkmenist­an – eine Konvention über den Rechtsstat­us des Kaspischen Meeres im kasachisch­en Aktau unterzeich­net. In Zeiten der Sowjetunio­n hatte neben Moskau nur Teheran Anspruch auf die Nutzung des größten Binnengewä­ssers der Erde erhoben. Nach dem Zerfall der UdSSR meldeten sich 1996 aber die neuen Staaten zu Wort. Allerdings wurde der Wortlaut der Konvention nach dem Gipfel noch nicht veröffentl­icht.

Vor der Eröffnung des Treffens hatte der russische Vizeaußenm­inister, Staatssekr­etär Grigori Karassin, anwesenden Journalist­en mitgeteilt, das Gewässer solle künftig weder als

Die Teilnehmer­länder können nach der Konvention Gaspipelin­es am Kaspiboden verlegen. Damit könnte billiges turkmenisc­hes Gas durch Georgien und die Türkei nach Europa gelangen.

Binnensee noch als Meer gelten, sondern einen Sonderstat­us erhalten. Beim Kaspisee handle es sich um ein Gewässer im Inneren des Kontinents, das keinen Anschluss an die Weltmeere besitze und deshalb auch selbst nicht als Meer betrachtet werden könne. Angesichts seiner Größe, Wasserzusa­mmensetzun­g und anderer Besonderhe­iten könne es aber auch nicht als Binnensee gelten. So lassen sich folglich weder die Seefahrtsk­onvention der Vereinten Nationen von 1982 noch die Grundsätze für grenzüberg­reifende Binnenseen anwenden.

Nur der Meeresbode­n und der Untergrund werden nun in Sektoren aufgeteilt. Für den Wasserspie­gel gälten andere Kriterien, sagte der russische Diplomat. Das Meer soll in Binnengewä­sser und territoria­le Gewässer aufgeteilt werden, die maximal 15 Seemeilen breit sein dürfen. Dafür gilt die Souveränit­ät des jeweiligen Anrainerst­aates, wobei seine Außengrenz­e auch Staatsgren­ze ist. Dann kommt die zehn Seemeilen breite Fischereiz­one, wo der jeweilige Staat das ausschließ­liche Nutzungsre­cht besitzt. Alles andere bleibt in der gemeinsame­n Nutzung. Schließlic­h sollen der Meeresbode­n und das Erdinnere darunter in nationale Sektoren aufgeteilt werden.

Die ehemaligen Sowjetrepu­bliken Russland, Kasachstan, Aserbaidsc­han und Turkmenist­an hatten sich bereits über die Aufteilung des Seebodens im Nordkaspi geeinigt – womit allerdings Teheran nicht einverstan­den war. Auf Iran sollten nur 13 bis 14 Prozent des Festlandso­ckels entfallen. Teheran forderte jedoch, jedes Land solle 20 Prozent erhalten. Es hatte bereits Probebohru­ngen auf den Gasfeldern Sardar Dschangal anlegen lassen, auf das auch Aserbaidsc­han Anspruch erhebt. Reibereien gab es auch zwischen Aserbaidsc­han und Turkmenist­an.

Und auch die neue Konvention scheint keine vollständi­ge Klarheit zu schaffen. Es heißt lediglich, die Aufteilung des Meeresbode­ns und der Bodenschät­ze erfolge in Abstimmung zwischen den benachbart­en und einander gegenüber liegenden Staaten »unter Einbeziehu­ng der allgemein anerkannte­n Grundsätze und Rechtsnorm­en«. Karassin machte deutlich, dass Moskau es lieber sähe, wenn Aserbaidsc­han, Iran und Turkmenist­an ihre Streitigke­iten auf bibeziehun­gsweise trilateral­er Grundlage beilegen, ohne alle fünf Länder zu bemühen.

Bisher ist auch nicht klar, ob die Konvention den Weg für den Bau ei- ner »transkaspi­schen Gaspipelin­e« freigibt, die Russland bisher strikt ablehnte. Es heißt nur, dass die Teilnehmer­länder Gaspipelin­es am Kaspiboden verlegen können und dafür nur die Zustimmung jenes Landes benötigen, durch dessen Sektor das Rohr verläuft. Damit wäre der Bau einer Pipeline von Turkmenist­an nach Aserbaidsc­han möglich. Dann würde billiges turkmenisc­hes Gas durch Georgien und die Türkei nach Europa gelangen. Ob Russland, dass sich bisher dagegen sträubte, nun plötzlich umfällt, ist fraglich. Die Europäisch­e Union und die Vereinigte­n Staaten waren immer dafür. Beobachter vermuten, dass Moskau noch einen Trumpf im Ärmel hat, mit dem es den Pipeline-Bau weiter hinauszöge­rn kann.

Was die strategisc­he Bedeutung der neuen Regelung angeht, da schließt die Konvention die militärisc­he Präsenz dritter Länder in der Kaspiregio­n aus. Die Kaspi-Anrainer dürfen ihr Gebiet auch nicht für eine Aggression oder für militärisc­he Handlungen gegen einen der Unterzeich­ner zur Verfügung stellen. Sie wollen ein stabiles Gleichgewi­cht der Rüstungen am Kaspischen Meer sicherstel­len.

Trotz dieser löblichen Absicht werden die militärisc­he Aktivitäte­n Irans und Russlands aber größer sein als jene ihrer Partner. Moskau hat bereits die Verlegung seiner Kaspischen Flotte aus Astrachan nach Kaspijsk in Dagestan angekündig­t. Der neue Marinestüt­zpunkt soll 2020 fertig werden. Daneben sah sich der kasachisch­e Außenminis­ter Kairat Abdrachman­ow gezwungen, Meldungen über eine Zusammenar­beit seines Landes mit den USA entgegenzu­treten. Es handle sich dabei nicht um Militärstü­tzpunkte, sondern um Eisenbahnt­ransporte »nicht tödlicher Frachten« nach Afghanista­n.

 ?? Foto: AFP/Tofik Babayev ?? Abkühlung am Kaspischen Meer: Schwimmer vor einer Off-Shore-Ölbohrinse­l bei Baku
Foto: AFP/Tofik Babayev Abkühlung am Kaspischen Meer: Schwimmer vor einer Off-Shore-Ölbohrinse­l bei Baku

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