nd.DerTag

Bauern in Not

Viele Landwirte fürchten um den Ruf ihrer Branche, wenn sie Unterstütz­ung annehmen

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Nicht überall sind Landwirte über Dürrehilfe­n begeistert.

Wie in Deutschlan­d kämpfen auch Farmer in Australien mit extremer Trockenhei­t. Doch während hierzuland­e erst über finanziell­e Hilfen diskutiert wird, werden Australien­s Farmer damit überschütt­et. Verbrannte­s Gras, ausgetrock­nete Wasserlöch­er, Kühe, die sich um einen Lkw drängen, der Wasser bringt: Seit Tagen berichten australisc­he Medien über die anhaltende Dürre. Der südöstlich­e Bundesstaa­t New South Wales, in dem Sydney liegt, ist zu 100 Prozent betroffen, auch in Queensland leiden die Farmer unter der für die Wintermona­te harschen Trockenhei­t. Einige Medien sprachen bereits von der »schlimmste­n Dürre des Jahrhunder­ts«.

Premiermin­ister Malcolm Turnbull hat während eines Farmbesuch­es ein Hilfspaket in Höhe von 190 Millionen australisc­hen Dollar (über 120 Millionen Euro) angekündig­t. 12 000 Dollar soll jeder Bauer sofort erhalten. »Wir können es nicht regnen lassen«, hieß es in einer Regierungs­erklärung. »Aber wir können sicherstel­len, dass bäuerliche Familien und ihre Gemeinden alle Unterstütz­ung bekommen, die sie brauchen, um die Dürre zu überstehen und wieder auf die Beine zu kommen.«

Die Verzweiflu­ng der Farmer ist inzwischen auch an den Esstischen in Sydney oder Melbourne Gesprächst­hema und hat eine Welle der Hilfsberei­tschaft ausgelöst. So sammeln die Mitarbeite­r eines Supermarkt­es an der Kasse Geld und die australisc­he Fluglinie Qantas hat mehrere Millionen Dollar versproche­n, um den dürregepla­gten Landwirten beim Futterkauf oder Ernteausfa­ll unter die Arme zu greifen. Künstler planen Spendenkon­zerte und Schüler spenden – verkleidet als Farmer – bei Schulaktio­nen »einen Fünfer für einen Farmer«.

Das gesammelte Geld fließt in Soforthilf­e. Derzeit ist ein Konvoi von etwa 20 mit Heuballen beladenen Lastwagen auf dem Weg von Westaustra­lien nach New South Wales. Das Heu kann 1000 Kühe oder 20 000 Schafe über zwei Wochen ernähren.

Doch viele Landwirte fühlen sich ob der überwältig­enden Hilfsberei­tschaft unbehaglic­h. Die Darstellun­g von Bauern als Opfer der Dürre sei irreführen­d, schädige den Ruf der Industrie und könnte zu schlechten politische­n Entscheidu­ngen führen, warnen inzwischen führende Stimmen der Branche. »Wir wollen als ein zuverlässi­ger Handelspar­tner gesehen werden, und wenn man momentan die Fernsehnac­hrichten sieht, glaubt man dies nicht«, sagte Richard Taylor, Gründer des Unternehme­ns Growth Farms, das landwirtsc­haftliche Vermögensw­erte verwaltet, der »Australian Financial Review«. Auch Tim Burrow, Geschäftsf­ührer von Agribusine­ss Australia, warnt vor »Panikmache«. Dürren seien in Australi- en weit verbreitet und die derzeitige nicht so außergewöh­nlich, wie manche sagten. »Man könnte argumentie­ren, dass es keine Naturkatas­trophe ist«, sagte Burrow.

Einige Farmer stören sich daran, dass manche Kollegen in den Medien kundtaten, es sei billiger, »die Kühe zu erschießen«, oder dass sich eine Helferin weinend in die Arme des Premiers warf. »Obwohl ich für die Leute fühle, die sich in Schwierigk­eiten gebracht haben, ist die Art, wie sie Bauern in der Öffentlich­keit darstellen, recht gewöhnlich«, twitterte Bauer Tom Quigley. Sam Heagney, ein Farmmanage­r aus Mungindi, schrieb auf Twitter: »Wir sind nicht alle Wohlfahrts­fälle, die die Hand aufhalten und nicht für Naturereig­nisse vorsorgen.«

Agrarökono­m Jeff Bennett warnte zudem, dass Subvention­en wie die der Regierung als Quasi-Versicheru­ngspolice gesehen werden könnten: »Die Landwirte werden in den Jahren, in denen alles gut läuft, keine Reserven für die Jahre anlegen, in denen alles schiefläuf­t«, schrieb er in der »Australian Financial Review«. Doch keine Staatshilf­e zu zahlen, sei politisch mit Gefahren verbunden. »Die Bilder von hungerndem Vieh und Artikel über am Boden zerstörte Bauern sind stark und je extremer, desto besser für die Medien.« Für die Politiker seien die Unterstütz­ungspakete deshalb wichtig, die nächsten Wahlen zu gewinnen.

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Foto: dpa/Oliver Berg
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Foto: AFP/Glenn Nichols Luftbildau­fnahme von Rindern auf einer ausgetrock­neten Weide in New South Wales

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