Bauern in Not
Viele Landwirte fürchten um den Ruf ihrer Branche, wenn sie Unterstützung annehmen
Nicht überall sind Landwirte über Dürrehilfen begeistert.
Wie in Deutschland kämpfen auch Farmer in Australien mit extremer Trockenheit. Doch während hierzulande erst über finanzielle Hilfen diskutiert wird, werden Australiens Farmer damit überschüttet. Verbranntes Gras, ausgetrocknete Wasserlöcher, Kühe, die sich um einen Lkw drängen, der Wasser bringt: Seit Tagen berichten australische Medien über die anhaltende Dürre. Der südöstliche Bundesstaat New South Wales, in dem Sydney liegt, ist zu 100 Prozent betroffen, auch in Queensland leiden die Farmer unter der für die Wintermonate harschen Trockenheit. Einige Medien sprachen bereits von der »schlimmsten Dürre des Jahrhunderts«.
Premierminister Malcolm Turnbull hat während eines Farmbesuches ein Hilfspaket in Höhe von 190 Millionen australischen Dollar (über 120 Millionen Euro) angekündigt. 12 000 Dollar soll jeder Bauer sofort erhalten. »Wir können es nicht regnen lassen«, hieß es in einer Regierungserklärung. »Aber wir können sicherstellen, dass bäuerliche Familien und ihre Gemeinden alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um die Dürre zu überstehen und wieder auf die Beine zu kommen.«
Die Verzweiflung der Farmer ist inzwischen auch an den Esstischen in Sydney oder Melbourne Gesprächsthema und hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. So sammeln die Mitarbeiter eines Supermarktes an der Kasse Geld und die australische Fluglinie Qantas hat mehrere Millionen Dollar versprochen, um den dürregeplagten Landwirten beim Futterkauf oder Ernteausfall unter die Arme zu greifen. Künstler planen Spendenkonzerte und Schüler spenden – verkleidet als Farmer – bei Schulaktionen »einen Fünfer für einen Farmer«.
Das gesammelte Geld fließt in Soforthilfe. Derzeit ist ein Konvoi von etwa 20 mit Heuballen beladenen Lastwagen auf dem Weg von Westaustralien nach New South Wales. Das Heu kann 1000 Kühe oder 20 000 Schafe über zwei Wochen ernähren.
Doch viele Landwirte fühlen sich ob der überwältigenden Hilfsbereitschaft unbehaglich. Die Darstellung von Bauern als Opfer der Dürre sei irreführend, schädige den Ruf der Industrie und könnte zu schlechten politischen Entscheidungen führen, warnen inzwischen führende Stimmen der Branche. »Wir wollen als ein zuverlässiger Handelspartner gesehen werden, und wenn man momentan die Fernsehnachrichten sieht, glaubt man dies nicht«, sagte Richard Taylor, Gründer des Unternehmens Growth Farms, das landwirtschaftliche Vermögenswerte verwaltet, der »Australian Financial Review«. Auch Tim Burrow, Geschäftsführer von Agribusiness Australia, warnt vor »Panikmache«. Dürren seien in Australi- en weit verbreitet und die derzeitige nicht so außergewöhnlich, wie manche sagten. »Man könnte argumentieren, dass es keine Naturkatastrophe ist«, sagte Burrow.
Einige Farmer stören sich daran, dass manche Kollegen in den Medien kundtaten, es sei billiger, »die Kühe zu erschießen«, oder dass sich eine Helferin weinend in die Arme des Premiers warf. »Obwohl ich für die Leute fühle, die sich in Schwierigkeiten gebracht haben, ist die Art, wie sie Bauern in der Öffentlichkeit darstellen, recht gewöhnlich«, twitterte Bauer Tom Quigley. Sam Heagney, ein Farmmanager aus Mungindi, schrieb auf Twitter: »Wir sind nicht alle Wohlfahrtsfälle, die die Hand aufhalten und nicht für Naturereignisse vorsorgen.«
Agrarökonom Jeff Bennett warnte zudem, dass Subventionen wie die der Regierung als Quasi-Versicherungspolice gesehen werden könnten: »Die Landwirte werden in den Jahren, in denen alles gut läuft, keine Reserven für die Jahre anlegen, in denen alles schiefläuft«, schrieb er in der »Australian Financial Review«. Doch keine Staatshilfe zu zahlen, sei politisch mit Gefahren verbunden. »Die Bilder von hungerndem Vieh und Artikel über am Boden zerstörte Bauern sind stark und je extremer, desto besser für die Medien.« Für die Politiker seien die Unterstützungspakete deshalb wichtig, die nächsten Wahlen zu gewinnen.