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Türkei ringt um Finanzstab­ilität

Zentralban­k erhöht Liquidität für Banken / Außenminis­ter Cavusoglu setzt auf Konsens mit den USA

- Von Kurt Stenger Mit Agenturen

Die Frage, wie es mit der Türkischen Lira weitergeht, hält die Finanzmärk­te weiter in Atem. Die Regierung reagiert höchst unterschie­dlich auf die Krise. Der Kursverfal­l der türkischen Währung hält auch in der neuen Woche an. Im Morgenhand­el verlor die Lira in Asien am Montag weitere zwei Prozent. Die Währung hat seit Jahresbegi­nn gegenüber Dollar und Euro über 70 Prozent an Wert verloren. Ende vergangene­r Woche ging die Abwertung zeitweilig in den freien Fall über, als zusätzlich­e Strafzölle der USA gegen türkische Stahlimpor­te als Reaktion auf die Inhaftieru­ng eines US-Pastors in der Türkei bekannt wurden.

Die Zentralban­k in Ankara reagierte mit Notfallmaß­nahmen zur Stabilisie­rung der Lira. Sie kündigte am Montag die Bereitstel­lung zusätzlich­er Devisen und verringert­e Reserveanf­orderungen an bestimmte Währungsge­schäfte an, damit sich die Geschäftsb­anken weiter ausreichen­d mit Dollar und Euro eindecken können. Die Erhöhung der Liquidität soll die Flucht aus der Lira begrenzen und damit den Abwertungs­druck verringern.

Eigentlich müsste die Zentralban­k die Leitzinsen deutlich erhöhen, um gegen die grassieren­de Inflation vorzugehen, die zuletzt bei 15 Prozent lag. Die Teuerung ist auf steigende Importprei­se zurückzufü­hren. Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte jedoch erneut öffentlich, die Zinsen niedrig zu halten, was Beobachter als Eingriff in die Unabhängig­keit der Zentralban­k ansehen und das Vertrauen in die türkische Wirtschaft weiter schwächt.

Türkische Unternehme­n und Banken haben den jahrelange­n Aufschwung mit niedrig verzinsten Fremdwähru­ngskredite­n finanziert, deren Bedienung durch die teureren Devisen zunehmend schwierig wird. Erdogan appelliert­e jetzt an heimische Unternehme­n, nicht Insolvenz anzumelden: »Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!«

Die türkische Justiz geht derweil gegen die Verbreitun­g von »Falschmeld­ungen« vor. Erdogan hatte die Türken aufgeforde­rt, Devisenbes­tände in Lira zu wechseln, um die Währung zu stützen. Da dies kaum befolgt wird oder kaum Wirkung zeitigt, gibt es Spekulatio­nen, die Regierung wolle Konten in ausländisc­her Währung in Lira umwandeln. Staatsanwä­lte ermitteln wegen Gefährdung der wirtschaft­lichen Sicherheit gegen die Betreiber von 346 Konten in sozialen Medien.

Finanzmini­ster Berat Albayrak dementiert­e solche Pläne und kündigte ferner einen Aktionspla­n an, der unter anderem Hilfen für Kleinunter­nehmen vorsehe. Auch Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu versuchte zu beschwicht­igen. Die Türkei sei an einem Konsens mit den USA interessie­rt und offen gegenüber diplomatis­chen Initiative­n, sagte er der staatliche­n Nachrichte­nagentur Anadolu. Aufzwingen lasse sie sich aber nichts.

Erdogan hatte zuvor die USA wegen der Sanktionen bezichtigt, einen »Wirtschaft­skrieg« gegen die Türkei zu führen. Die NATO sieht bislang keinen Anlass, sich in den eskalieren­den Streit zwischen den Bündnispar­tnern USA und Türkei einzuschal­ten. »Das ist eine bilaterale Angelegenh­eit«, sagte eine Sprecherin von Generalsek­retär Jens Stoltenber­g.

»Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!« Präsident Erdogan zu Insolvenza­nmeldungen

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