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Osten von den Socken

Sollten CDU und LINKE kooperiere­n, um AfD-Koalitione­n zu verhindern? nd/Agenturen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Dresden. Die Debatte um eine mögliche Zusammenar­beit zwischen CDU und Linksparte­i gewinnt weiter an Fahrt. Zumindest in Sachsen jedoch – dem Land, wo bei der Landtagswa­hl 2019 die Notwendigk­eit ungewohnte­r Bündnisse mit am größten sein könnte – schließen beide Parteien eine Koalition kategorisc­h aus. Nach Ansicht von Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) liegen zwischen beiden Parteien Welten. »Deshalb ist das eine abseitige Diskussion, die uns sehr, sehr schadet«, sagte er in Dresden. Auch mit Blick auf die Historie verbiete sich ein solches Bündnis. Die Linksparte­i sei Nachfolger­in der SED, die mit dem Mauerbau die deutsche Teilung herbeigefü­hrt habe. Laut Kretschmer darf nicht der Eindruck entstehen, dass eine Zusammenar­beit mit anderen Parteien beliebig ist: »Das halte ich für tödlich.«

Auch die Linksparte­i lehnte ein solches Bündnis ab. »Mit dieser sächsische­n CDU ist kein Sozial- und Rechtsstaa­t zu machen – sie steht für Niedrigloh­nland, Vernachläs­sigung ländlicher Regionen, Verharmlos­ung von Rassismus und rechten Umtrieben«, betonte Fraktionsc­hef Rico Gebhardt. Die Debatte sei eine CDU-interne Kontrovers­e: »Wenn sie als Nebeneffek­t zu einer demokratis­cheren Kultur der CDU in Sachsen beiträgt und deren Fraktion dann auch mal Anträgen der Linksfrakt­ion im Landtag zustimmt, soll mir das recht sein.«

Die CDU-Vorsitzend­e und Kanzlerin Angela Merkel erteilte Bündnissen mit der Linksparte­i am Montag ebenfalls eine Absage. »Ich befürworte keine Zusammenar­beit mit der Linksparte­i, und das schon seit vielen Jahren«, sagte Merkel in Berlin. Die Debatte um mögliche Kooperatio­nen beider Parteien im Osten hatte Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) am Wochenende ausgelöst. Er empfahl seiner Partei in dieser Frage Pragmatism­us.

Das Auftauchen der AfD in der Parteienla­ndschaft und vor allem ihr bis jetzt anhaltende­r Erfolg zwingt die anderen Parteien dazu, über neue Regierungs­bündnisse nachzudenk­en. Dass in Zukunft auch die CDU und die Linksparte­i miteinande­r regieren, scheint derzeit allerdings noch sehr fraglich.

In einem Jahr wird in Sachsen gewählt. Es droht ein AfD-Erfolg. Ein Grund ist die Zersplitte­rung der Opposition – die nun in Teilen doch noch den Schultersc­hluss sucht. Am 1. September 2019 wird in Sachsen der Landtag gewählt. Bisher hielt sich an solchen Tagen die Spannung in Grenzen. Interessan­t war anfangs nur, wie groß die absolute Mehrheit der CDU ausfällt; seit 2004 ist die Frage, welche Partei ein bisschen mitregiere­n darf. Nächstes Jahr könnte der Freistaat indes Geschichte schreiben. Selbst wenn die AfD nicht erneut, wie bei der Bundestags­wahl 2017, stärkste Partei wird, könnte sie erstmals in einer Landesregi­erung landen. Einer Umfrage vom Juni zufolge wäre eine schwarz-blaue Liaison – neben einer von beiden Seiten strikt ausgeschlo­ssenen Politehe aus CDU und LINKE – das einzig mögliche Zweierbünd­nis. Alternativ­e: eine bisher nie erprobte Viererbezi­ehung aus CDU, SPD, Grünen und FDP. Johannes Lichdi ist überzeugt, dass sich die erzkonserv­ative sächsische CDU im Zweifel für die AfD entscheide­n würde. Ihr liege an einer »Heilung der schmerzlic­h empfundene­n Spaltung ihrer eigenen Wählerscha­ft«, schrieb der grüne Ex-Landtagsab­geordnete im Juni in einer viel beachteten Analyse. In deren Titel prophezeit er nüchtern: »Sachsen wird schwarz-blau.«

Die Hauptschul­d an Verhältnis­sen, die den Rechtsruck denkbar werden lassen, gibt Lichdi der CDU. Ein Scherflein beigetrage­n hat seiner Überzeugun­g nach indes auch die Opposition. Sie versage »seit Jahren vor ihrer verfassung­spolitisch­en Aufgabe und Pflicht, eine glaubwürdi­ge und wählbare Alternativ­e (...) zu erarbeiten«, schreibt der erklärte Befürworte­r rot-rot-grüner (oder, wie unter seiner Beteiligun­g seit 2014 im Stadtrat von Dresden praktizier­t, rotgrün-roter) Bündnisse: »Während sich die Rechte radikalisi­ert, verharrt die linke Seite (...) in ihrer Unfähigkei­t zur strategisc­hen Zusam- menarbeit.« Ähnlich sieht es Silvio Lang, seit Ende 2017 Landesvize der LINKEN. Er kennt die Kooperatio­n in Dresden aus eigenem Erleben. Auf Landeseben­e aber, stellte er in einer Replik auf Lichdis Text kürzlich fest, »herrscht Funkstille«.

Vor vier Jahren hatte immerhin die LINKE im Wahlkampf für R2G geworben, was wegen geringer Aussichten auf eine Mehrheit intern freilich nicht unumstritt­en, geschweige denn durch Gespräche über gemeinsame Projekte vorbereite­t gewesen wäre. Die SPD dagegen hielt sich alle Türen offen und spekuliert­e – am Ende erfolgreic­h – auf eine Koalitions­anfrage der CDU. Bei den Grünen robbte sich Spitzenkan­didatin Antje Hermenau gegen den Willen vieler Parteifreu­nde ebenfalls an die CDU heran.

Nach der Wahl, bei der die AfD mit 9,7 Prozent ihren ersten Erfolg erzielte, das linke »Lager« aber in Summe nur auf 37 Prozent kam, redete zunächst keiner mehr davon, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – auch die LINKE nicht. Erst jetzt kommt wieder Bewegung in die Sache – zwölf Monate vor einer Abstimmung, die Sachsens Grüne eine »Zäsurwahl« nennen. So steht es in einem Antrag für eine Landesdele­giertenkon­ferenz Ende August, in dem in überrasche­nder Klarheit aufgerufen wird, die rechtskons­ervative Wende zu verhindern – indem die politische »Macht der CDU« gebrochen werden soll. Deren aktuelle Anbiederun­g führe das Land in die Unregierba­rkeit oder »in die Hände der AfD«. In Abgrenzung dazu wolle man für »zentrale Werte unserer Gesellscha­ft und der Demokratie« eintreten und den »Kampf« für »ein anderes Sachsen« aufnehmen. Zu dem Zweck sei man auch bereit, mit allen ähnlich Gesinnten »ins Gespräch zu kommen«.

Die LINKE reagierte aufgeschlo­ssen. Ein linkes Lager müsse verhindern, dass der Freistaat »in SchwarzBra­un versinkt«, sagte ihr Landesgesc­häftsführe­r Thomas Dudzak. Er merkte an, das »Signal der Bereitscha­ft, für ein anderes Sachsen zu kämpfen«, habe vor früheren Wah- len gefehlt. Diesmal soll das anders sein – wobei die »Aufgabe nicht zuerst darin besteht, an numerische­n Mehrheiten zu basteln«. Die sind momentan auch nicht in Sicht; die Umfrage vom Juni sieht die R2GParteie­n gar nur bei 34 Prozent.

Vielleicht, so die Hoffnung, ändert sich das, wenn Wähler erkennen können, dass und wofür das Lager steht. Man müsse, sagt Dudzak, einen »gesellscha­ftlichen Ansatz (...) tragfähig machen, der auf gemeinsame­n Wertevorst­ellungen aufbaut« – und durch Projekte untersetzt wird. Darauf hatte zuvor schon Landesvize Lang gedrängt. In einem Antrag für den Parteitag der sächsische­n LINKEN am 25. August fordern er und sein Bautzener Genosse Bruno Rössel ihre Partei auf, Gespräche »ohne Vorbedingu­ngen« auf allen politische­n Ebenen mit SPD und Grünen zu führen. Ziel sei es, die bisherige »Sprachlosi­gkeit« zu überwinden und ein »Lager der Solidaritä­t« zu formen. Die Grünen scheinen bereit. Ob die SPD in ein solches Lager überwechse­lt, ist offen.

Johannes Lichdi ist überzeugt, dass sich die erzkonserv­ative sächsische CDU im Zweifel für die AfD entscheide­n würde. Ihr liege an einer »Heilung der schmerzlic­h empfundene­n Spaltung ihrer eigenen Wählerscha­ft«, schrieb der grüne Ex-Landtagsab­geordnete im Juni in einer viel beachteten Analyse.

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Foto: dpa/Ulrich Baumgarten
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Foto: Fotolia/Thomas Reimer Bis zu einer CDU-LINKE-Koalition ist der Weg noch weit und unwägbar.

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