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Wenn die Katzen Ferien machen

Die Fälle Sami A. und Maaßen zeigen: Beamte fühlen sich wohl ohne Parlaments­kontrolle

- Von René Heilig

Der Streit über die vermutlich illegale Abschiebun­g des mutmaßlich­en Islamisten Sami A . offenbart Defizite des Rechtsstaa­tes. Eines ist durch Parlaments­ferien begründet. Sami A. war angeblich Ex-Leibwächte­r des langjährig­en Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden und somit nicht gerade ein Typ, den man gerne zum Nachbarn hat. Doch so lange keine Schuld festgestel­lt ist, gilt auch für ihn die Unschuldsv­ermutung und natürlich kann er sich legal dagegen wehren, abgeschobe­n zu werden. Zumal dann, wenn ihm in seiner Heimat Tunesien womöglich Folter droht.

Doch Sami A. wurde am 13. Juli von Düsseldorf aus abgeschobe­n – entgegen einem Bescheid des Verwaltung­sgerichts in Gelsenkirc­hen. Das hatte die Abschiebun­g wegen angeblich drohender Folter für unzulässig erklärt. Doch der Gerichtsbe­schluss erreichte die Ausländerb­ehörde Bochum erst, als Sami A. bereits im Flugzeug saß.

Was ausschaut wie die Verkettung unglücklic­her Umstände, war offenbar eine geschickt eingefädel­te Aktion. Die nordrhein-westfälisc­hen Behörden hatten das Gericht absichtlic­h nicht über den Abschiebet­ermin informiert.

Das wollte die deutsche Anwältin des Tunesiers nicht auf sich beruhen lassen. Wie das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen fordert sie die Rückholung des Tunesiers, der in seiner Heimat nach kurzer Haft wieder freigelass­en worden ist. Da die Stadt Bochum jedoch keine Anstalten zur Rückholung unternahm, wurde sie zu einem Zwangsgeld von 10 000 Euro verpflicht­et. Eine Beschwerde der Kommune gegen den Rückholbes­chluss hatte das Oberverwal­tungsgeric­ht Nordrhein-Westfalen zurückgewi­esen. Auch ein ähnliches Ansinnen des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (BAMF) schlug fehl.

Eigentlich ist damit rechtsstaa­tlich alles entschiede­n. Trotzdem soll das Bochumer Ausländera­mt mit Hilfe des Landeskrim­inalamts NordrheinW­estfalen weiter sein »eigenes Ding« betreiben. Man setzte ihn auf die Liste des Schengen-Informatio­nssystems. Das bedeutet: Seine Einreise ist unerwünsch­t. Er kann nicht zurück nach Europa.

Normalerwe­ise würde jetzt ein parlamenta­rischer Aufstand losbrechen. Der Innenaussc­huss in NordrheinW­estfalen würde den zuständige­n Minister vorladen. Spätestens nachdem die Einreisesp­erre bekannt geworden ist, würde im Bundestag ein vergleichb­ares Prozedere anlaufen. Zusätzlich müssten sich Landes- und Bundespoli­tiker vor der Presse erklären. Das Thema wäre tagelang in den Schlagzeil­en. Doch das geschieht nicht, denn die Parlamenta­rier machen Ferien.

Wenn die Katze aus dem Haus ist, ruht die parlamenta­rische Kontrolle. In den Abgeordnet­enbüros sind – wenn überhaupt – nur »Stallwache­n« anzutreffe­n. Das ist auch ein Grund dafür, dass der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz so gelassen auf gewichtige Vorwürfe reagieren kann. Die lauten so:

Amtschef Georg Maaßen hat sich vor rund drei Jahren mit der damali- gen AfD-Vorsitzend­en Frauke Petry getroffen. Nicht zufällig und nicht nur einmal. Von Beratung ist die Rede, denn Maaßen soll der Rechtsauße­nFrau nahegelegt haben, ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke einzuleite­n, der immer wieder durch ext- rem rechtlasti­ge Provokatio­nen von sich reden macht. Anderenfal­ls wäre eine Beobachtun­g und Nennung der AfD im Verfassung­sschutzber­icht unvermeidb­ar.

Das von Horst Seehofer geleitete Bundesinne­nministeri­um dagegen behauptet, es habe »keine Empfehlung­en oder Ratschläge hinsichtli­ch des Umgangs mit Personen oder Strömungen der AfD gegeben«. Maaßen lässt erklären, dass er keine Sympathie für die AfD hege. Das war’s.

War’s das? Fast. Die SPD hat das Thema angeblich zur Kenntnis genommen, die FDP regte an, den Geheimdien­stchef im Innenaussc­huss des Bundestage­s zu befragen. Nach den Parlaments­ferien. Konstantin von Notz, Fraktionsv­ize der Grünen, ist etwas forscher und will, dass sich das für Geheimdien­staufsicht zuständige parlamenta­rische Gremium mit dem Fall befasst. Und zwar noch vor dem Ende der Sommerpaus­e.

Der übergroße Rest der Parlamente lässt die Mäuse tanzen ...

Was ausschaut wie die Verkettung unglücklic­her Umstände, war offenbar eine geschickt eingefädel­te Aktion.

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Foto: fotolia/geertwegge­n

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