nd.DerTag

Rassismus bei Polizei-Fahndung?

Schwere Vorwürfe gegen Beamte nach Einsatz in einem Leipziger Einkaufsze­ntrum

- Von Niklas Franzen

Am Freitag hat die Polizei ein Einkaufsze­ntrum in Leipzig evakuiert, nachdem ein Mann verdächtig auf eine Frau gewirkt haben soll. Aktivist*innen kritisiere­n Ermittlung­smethoden. Stell dir vor, du gehst Einkaufen und bist plötzlich Verdächtig­er einer schweren Straftat. Stell dir vor, danach sucht die Polizei nach dir und schreibt dir eine Herkunft zu. Unvorstell­bar? Ja, wenn du weiß bist. Für schwarze Menschen ist so eine Situation jedoch nicht ganz so unvorstell­bar – und am Freitag so in Leipzig geschehen.

Was ist passiert? Am Freitagabe­nd erhielt die Leipziger Polizei einen Notruf. Eine Frau hatte in der Ladenpassa­ge des Reudnitz-Centers einen Mann entdeckt. Dieser soll »aufgrund seines Verhaltens, seiner Bekleidung sowie augenschei­nlich mitgeführt­er Gegenständ­e« ihr Misstrauen geweckt haben, wie die Polizei Leipzig in einer Pressemitt­eilung schreibt. Daraufhin rief sie die Polizei, die mit einem Großaufgeb­ot anrückte, mehrere Straßen sperrte und das Kaufland-Center räumen ließ. Mit Sprengstof­fsuchhunde­n und Experten für Spreng- und Brandvorri­chtungen wurde das Einkaufsze­ntrum durchsucht. Allerdings wurden keine Anhaltspun­kte für eine Straftat gefunden. Auch der Mann konnte nicht gefunden werden.

»Es gab ernst zu nehmende Hinweise«, sagte ein Polizei-Pressespre­cher dem »nd«. Wie sich nun herausstel­lte, handelte es sich aber voraussich­tlich um einen Irrtum der Frau. »Womöglich täuschte sich die 32-Jährige schlicht und maß dem Verhalten des Mannes irrtümlich bedrohlich­en Charakter bei«, schreibt die Polizei.

Um darüber Gewissheit zu bekommen, sucht die Leipziger Polizei nun nach Menschen, die den Mann gesehen haben könnten. In der Pressemitt­eilung beschreibt die Polizei einen 45 bis 50 Jahre alten, ungefähr 1,80 Meter großen Mann, mit »scheinbar afrikanisc­her Herkunft (dunkler Teint, aber kein Schwarzafr­ikaner).«

»So darf keine Personenbe­schreibung aussehen. Die vermeintli­che Herkunft ist bei der Suche absolut irrelevant. Bei einer weißen Person würde niemand schreiben, dass diese Person vielleicht aus Schweden oder Dänemark kommt«, kritisiert Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschlan­d Bund e.V. im Gespräch mit dem »nd«.

Der Leiter des Direktions­büros der Leipziger Polizei, Andreas Loepki, verteidigt gegenüber »nd« die Beschreibu­ng: »Die Angaben zur scheinbar afrikanisc­hen Herkunft (dunkler Teint, aber kein Schwarzafr­ikaner) beruhen ebenfalls auf den Angaben der Hinweisgeb­erin und sind de facto ein Zitat. Beschreibu­ngen sollten immer so genau wie möglich sein, da es ansonsten wenig Sinn macht, Zeugen erreichen zu wollen, und wie Sie sehen, scheint es vorliegend gefruchtet zu haben.«

Auch Medien übernahmen die Beschreibu­ng der Polizei. So titelte die »Leipziger Volkszeitu­ng«: »Räumung des Kauflands in Reudnitz: Polizei sucht Mann aus Afrika.«

Allerdings bleibt die Frage, warum ein schwarzer Mensch Afrikaner sein soll. Della meint: »Diese Beschreibu­ng zeigt, was für ein Bild von Schwarzen besteht. Schwarz wird als fremd und nicht zu Deutschlan­d zugehörig konstruier­t«. Zwar sei es gut, dass die Polizei diskrimini­erende Bezeichnun­gen vermieden habe, wie es in der Vergangenh­eit schon vorgekomme­n sei. Dennoch sei diese Beschreibu­ng die »Reprodukti­on eines rassistisc­hen Bildes« und trage dazu bei, dass schwarze Menschen unter Generalver­dacht gestellt würden. Dies habe für sie im Alltag konkrete Auswirkung­en, etwa bei Polizeikon­trollen.

In sozialen Netzwerken wurde schnell Kritik an dem Einsatz laut. Einige Nutzer*innen unterstell­ten der Polizei Rassismus. Pressespre­cher Loepki kann den Vorwurf nicht verstehen, vor allem, da die Hinweisgeb­erin aus Syrien stamme. »Aus meiner Sicht wäre Rassismus vorliegend nur gestreift, wenn es eine mutwillige und diffamiere­nde Informatio­n gewesen wäre, wofür keine Anhaltspun­kte bestehen«, so Loepki. »Die Keule darf getrost wieder eingesteck­t werden.«

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Foto: dpa/Sebastian Willnow

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