Rassismus bei Polizei-Fahndung?
Schwere Vorwürfe gegen Beamte nach Einsatz in einem Leipziger Einkaufszentrum
Am Freitag hat die Polizei ein Einkaufszentrum in Leipzig evakuiert, nachdem ein Mann verdächtig auf eine Frau gewirkt haben soll. Aktivist*innen kritisieren Ermittlungsmethoden. Stell dir vor, du gehst Einkaufen und bist plötzlich Verdächtiger einer schweren Straftat. Stell dir vor, danach sucht die Polizei nach dir und schreibt dir eine Herkunft zu. Unvorstellbar? Ja, wenn du weiß bist. Für schwarze Menschen ist so eine Situation jedoch nicht ganz so unvorstellbar – und am Freitag so in Leipzig geschehen.
Was ist passiert? Am Freitagabend erhielt die Leipziger Polizei einen Notruf. Eine Frau hatte in der Ladenpassage des Reudnitz-Centers einen Mann entdeckt. Dieser soll »aufgrund seines Verhaltens, seiner Bekleidung sowie augenscheinlich mitgeführter Gegenstände« ihr Misstrauen geweckt haben, wie die Polizei Leipzig in einer Pressemitteilung schreibt. Daraufhin rief sie die Polizei, die mit einem Großaufgebot anrückte, mehrere Straßen sperrte und das Kaufland-Center räumen ließ. Mit Sprengstoffsuchhunden und Experten für Spreng- und Brandvorrichtungen wurde das Einkaufszentrum durchsucht. Allerdings wurden keine Anhaltspunkte für eine Straftat gefunden. Auch der Mann konnte nicht gefunden werden.
»Es gab ernst zu nehmende Hinweise«, sagte ein Polizei-Pressesprecher dem »nd«. Wie sich nun herausstellte, handelte es sich aber voraussichtlich um einen Irrtum der Frau. »Womöglich täuschte sich die 32-Jährige schlicht und maß dem Verhalten des Mannes irrtümlich bedrohlichen Charakter bei«, schreibt die Polizei.
Um darüber Gewissheit zu bekommen, sucht die Leipziger Polizei nun nach Menschen, die den Mann gesehen haben könnten. In der Pressemitteilung beschreibt die Polizei einen 45 bis 50 Jahre alten, ungefähr 1,80 Meter großen Mann, mit »scheinbar afrikanischer Herkunft (dunkler Teint, aber kein Schwarzafrikaner).«
»So darf keine Personenbeschreibung aussehen. Die vermeintliche Herkunft ist bei der Suche absolut irrelevant. Bei einer weißen Person würde niemand schreiben, dass diese Person vielleicht aus Schweden oder Dänemark kommt«, kritisiert Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V. im Gespräch mit dem »nd«.
Der Leiter des Direktionsbüros der Leipziger Polizei, Andreas Loepki, verteidigt gegenüber »nd« die Beschreibung: »Die Angaben zur scheinbar afrikanischen Herkunft (dunkler Teint, aber kein Schwarzafrikaner) beruhen ebenfalls auf den Angaben der Hinweisgeberin und sind de facto ein Zitat. Beschreibungen sollten immer so genau wie möglich sein, da es ansonsten wenig Sinn macht, Zeugen erreichen zu wollen, und wie Sie sehen, scheint es vorliegend gefruchtet zu haben.«
Auch Medien übernahmen die Beschreibung der Polizei. So titelte die »Leipziger Volkszeitung«: »Räumung des Kauflands in Reudnitz: Polizei sucht Mann aus Afrika.«
Allerdings bleibt die Frage, warum ein schwarzer Mensch Afrikaner sein soll. Della meint: »Diese Beschreibung zeigt, was für ein Bild von Schwarzen besteht. Schwarz wird als fremd und nicht zu Deutschland zugehörig konstruiert«. Zwar sei es gut, dass die Polizei diskriminierende Bezeichnungen vermieden habe, wie es in der Vergangenheit schon vorgekommen sei. Dennoch sei diese Beschreibung die »Reproduktion eines rassistischen Bildes« und trage dazu bei, dass schwarze Menschen unter Generalverdacht gestellt würden. Dies habe für sie im Alltag konkrete Auswirkungen, etwa bei Polizeikontrollen.
In sozialen Netzwerken wurde schnell Kritik an dem Einsatz laut. Einige Nutzer*innen unterstellten der Polizei Rassismus. Pressesprecher Loepki kann den Vorwurf nicht verstehen, vor allem, da die Hinweisgeberin aus Syrien stamme. »Aus meiner Sicht wäre Rassismus vorliegend nur gestreift, wenn es eine mutwillige und diffamierende Information gewesen wäre, wofür keine Anhaltspunkte bestehen«, so Loepki. »Die Keule darf getrost wieder eingesteckt werden.«