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Mangelhaft­er Klimaschut­z als Rechtsvers­toß

Die EU muss größere Anstrengun­gen unternehme­n, fordern zehn Familien aus drei Kontinente­n vor Gericht

- Von Friederike Meier

Zehn Familien haben die EU-Institutio­nen verklagt, weil sie zu wenig für den Klimaschut­z tun. Ihre Klage ist jetzt vom zuständige­n Gericht angenommen worden. Dass die Europäisch­e Union ihre Klimaziele für das Jahr 2030 noch mal überarbeit­en muss, ist ein bisschen wahrschein­licher geworden. Denn eine Klage von zehn Familien, die bemängeln, dass die EU-Klimapolit­ik nicht ausreichen­d sei, wurde vom Gericht der Europäisch­en Union angenommen. Am Montag wurde die Klage im EU-Amtsblatt veröffentl­icht.

Im Mai hatten zehn Familien, die aus fünf EU-Ländern, Kenia und Fidschi kommen, sowie eine Jugendorga­nisation aus Schweden die EU verklagt. Der Vorwurf: Die Klimaziele der EU für das Jahr 2030 seien unzureiche­nd und verletzten deshalb ihre Grundrecht­e.

Nach jetzigem Stand will die EU die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Die Kläger fordern, dass das Ziel auf 50 bis 60 Prozent erhöht wird. Sie haben dafür, unterstütz­t von mehreren Umweltorga­nisationen, über 6000 Seiten Gutachten zusammenge­tragen. Vertreten werden die Familien durch den deutschen Rechtsprof­essor Gerd Winter, die Hamburger Umweltanwä­ltin Roda Verheyen sowie den in London ansässigen Rechtsanwa­lt Hugo Leith.

»Die Klage wurde angenommen und den Beklagten schon Anfang August zugestellt«, freut sich Caterina Freytag, Referentin für Klimaschut­zklagen bei der Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h. »Es wäre auch denkbar gewesen, dass das Gericht die Klage ablehnt«, sagte sie gegenüber dem »nd«.

Zunächst müssen nun die Beklagten, das sind der Rat der Europäisch­en Union und das EU-Parlament, innerhalb von zwei Monaten ihre Verteidigu­ng einreichen. Dann kann es zu einer mündlichen Verhandlun­g kommen. Wann das sein könnte, ist noch nicht klar – Freytag tippt auf das kommende Frühjahr.

Die Familien argumentie­ren in ihrer Klageschri­ft, dass die EU rechtlich verpflicht­et sei, keine Schäden zu verursache­n und die Grundrecht­e ihrer Bürger zu schützen. Die EU tue beim Klimaschut­z aber nicht das ihr Mögliche – und das sei eben ein Rechtsvers­toß. Die Klägerinne­n und Kläger argumentie­ren, dass gleich mehrere EU-Gesetze, unter anderem zum CO2-Emissionsh­andel und zur sogenannte­n Klima-Lastenteil­ung, zu schwach und damit nichtig seien. Sie haben deshalb beantragt, dass die Gesetze nachgebess­ert werden sollen. Bis dahin sollen sie aber in Kraft bleiben.

»Dieser Fall beschäftig­t sich mit unserer gemeinsame­n Zukunft und wir sind froh, dass wir einen Schritt weitergeko­mmen sind, angehört zur werden«, sagt Armando Carvalho. Wie alle anderen Kläger ist der Portugiese direkt vom Klimawande­l betroffen. Der Forstingen­ieur verlor im Jahr 2017 durch ein Feuer seinen Wald: »Die Brände haben im vergangene­n Jahr meinen Besitz zerstört. Dieses Jahr leiden wir wieder unter einer enormen Hitzewelle und Bränden in Europa.«

Unter den Klägern ist auch die deutsche Familie Recktenwal­d, die auf der Nordseeins­el Langeoog ein Hotel betreibt. »Im Nationalpa­rk Wattenmeer leben wir mitten in der Natur und spüren den Klimawande­l in unserem Alltag«, erklärt Maike Recktenwal­d. Sie befürchtet, dass die Folgen des Klimawande­ls sie direkt betreffen werden: »Über kurz oder lang droht zum Beispiel durch starke Niederschl­äge unser Trinkwasse­rsystem zu kollabiere­n, weil ungefilter­tes Regenwasse­r in die Reservoire gelangt.«

Sollte die Klage Erfolg haben, muss die EU ihre Klimaziele erhöhen. Die Klage ist ein Präzedenzf­all, denn es ist die erste dieser Art auf europäisch­er Ebene. »Die Kläger fordern den Schutz ihrer Grundrecht­e ein«, sagt Caterina Freytag. Mit einem Erfolg vor Gericht wäre dann klargestel­lt, dass der Klimawande­l ein Menschenre­chtsfall ist, so die Germanwatc­hExpertin. »Mit dieser Argumentat­ion könnte man dann auch andere Klagen führen.«

»Dieser Fall beschäftig­t sich mit unserer gemeinsame­n Zukunft. Wir sind froh, dass wir einen Schritt weitergeko­mmen sind.« Kläger Armando Carvalho

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