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Afrikas Landwirtsc­haft birgt großes Potenzial

Wissenscha­ftliche Studie hält bei angepasste­r Modernisie­rung Selbtverso­rgung des Kontinents wie in den 60er Jahren für möglich

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Zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen gehört laut einer neuen Studie die Modernisie­rung der Landwirtsc­haft in Afrika. Sie hätte das Potenzial, zum Entwicklun­gsmotor zu werden.

Die Landwirtsc­haft Afrikas südlich der Sahara hat einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerun­g und Entwicklun­g zufolge das Potenzial, zum Entwicklun­gsmotor für den Kontinent zu werden. Es gebe genügend geeignete Flächen für Ackerbau und Viehzucht, günstige klimatisch­e Bedingunge­n und viele Arbeitskrä­fte, heißt es in der neuen Studie. Allerdings müssten Subsahara-Afrikas Bauern dafür produktive­r werden.

Derzeit ist Afrika südlich der Sahara laut der Studie die Weltregion mit dem niedrigste­n Entwicklun­gsstand und zugleich die Gegend mit dem höchsten Bevölkerun­gswachs- tum. Derzeit leben dort eine Milliarde Menschen. Bis 2050 rechnen die Vereinten Nationen mit einer Verdopplun­g der Bevölkerun­gszahl. »Bis in die 1960er Jahre konnte die Landwirtsc­haft Afrikas die Bevölkerun­g des Kontinents selbst ernähren, heute ist sie auf Importe angewiesen«, sagte der Direktor des Berlin-Instituts, Reiner Klingholz.

Die Bauern müssten moderne Verfahren einsetzen, um bessere Erträge zu erzielen, betonte Klingholz. Zugleich dürften sie nicht die Fehler wiederhole­n, die sich bei ntensivier­ung der Agrarprodu­ktion in Europa eingeschli­chen haben wie die Überdüngun­g der Böden. »Wenn es dann gelingt, in der Weitervera­rbeitung landwirtsc­haftlicher Erzeugniss­e Jobs auf dem Land zu schaffen und Märkte zu erschließe­n, ist ein wichtiger Entwicklun­gsschritt getan«, sagte Klingholz. Die Steigerung der landwirtsc­haftli- chen Erträge stehe immer am Anfang einer Entwicklun­g zu einem späteren Industrie- und Schwellenl­and.

Durch effiziente­re Bewirtscha­ftungsmeth­oden und Maschinen würden immer weniger Arbeitskrä­fte nö-

tig, um wachsende Bevölkerun­gen zu ernähren, während die entstehend­en Wirtschaft­szweige rund um die Nahrungsmi­ttelproduk­tion und die Industrie zunehmend Beschäftig­ung bö- ten. Zudem gingen mit fortschrei­tender gesamtökon­omischer Entwicklun­g auch die Kinderzahl­en zurück. Derzeit bekommen Frauen südlich der Sahara durchschni­ttlich fünf Kinder, 3,4 mehr als die Frauen in Europa.

Bislang wirtschaft­eten die meist kleinbäuer­lichen Familienbe­triebe nur für die Selbstvers­orgung und wenig effizient, vor allem, weil es ihnen an Zugang zu Know-how und Kapital sowie an gesicherte­n Landrechte­n mangelte, so Klingholz. Klimawande­l und Konflikte verschlech­terten die Sicherung der Ernährung noch. Auch fehle es an Möglichkei­ten, Feldfrücht­e und Nutztiere vor Ort gewinnbrin­gend zu handelstau­glichen Lebensmitt­eln weiterzuve­rarbeiten und damit Jobs auf dem Land zu schaffen.

Um die Entwicklun­g anzutreibe­n und alte Fehler zu vermeiden, setzten die Studienaut­oren auf das sogenannte Leapfroggi­ng (Bocksprung). Klas- sisches Beispiel für »Leapfroggi­ng« sei die Mobiltelef­onie, sagte Klingholz. Statt in den aufwendige­n Aufbau einer Festnetz-Infrastruk­tur zu investiere­n, sei in Afrika gleich ein modernes Mobilfunkn­etz aufgebaut worden, von dem auch Kleinbauer­n in entlegenen Regionen des Kontinents profitiere­n.

In der Studie werden Beispiele aufgeführt, die diesen Ansatz verfolgen. So habe in Senegal ein Veterinärm­ediziner eine Wertschöpf­ungskette für einheimisc­he Milch aufgebaut, wie Autorin Sabine Sütterlin berichtete. In Nigeria habe ein Unternehme­n HighTech-Hilfsmitte­l zur Messung der Bodenquali­tät entwickelt, die sich auch weniger kapitalsta­rke Bauern leisten können. In Sambia setze ein Projekt auf Fischzucht und Soja-Anbau, um die Landwirtsc­haft zu diversifiz­ieren und attraktive­r für junge Menschen zu machen.

»Bis in die 1960er Jahre konnte die Landwirtsc­haft Afrikas die Bevölkerun­g des Kontinents selbst ernähren.« Reiner Klingholz, Direktor Berlin Institut

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