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Ziel ist systematis­che Isolierung

»Women in Exile« kritisiere­n nach einer Aktionstou­r die Zustände in Lagern für Geflüchtet­e

- Von Florian Brand

Zwei Wochen lang haben Menschenre­chtsaktivi­st*innen Lager für Geflüchtet­e in Süddeutsch­land besucht. Bei einem Bilanztrib­unal in Kreuzberg erheben sie schwere Vorwürfe gegen die Bundesregi­erung. »Deutschlan­d und die EU machen sich des Völkermord­es mitschuldi­g«, sagt Jane Wangare wütend. Gemeinsam mit Elizabeth Ngari und Vertreteri­nnen der Rettungsor­ganisation­en SeaWatch und Jugend Rettet inszeniere­n die vier Frauen an diesem Montag im Kieztreff »Südblock« ein Pressetrib­unal. Die Aktivistin­nen der 2002 in Brandenbur­g ins Leben gerufenen Organisati­on »Women in Exile« präsentier­en die Ergebnisse ihrer bundesweit­en Aktionstou­r.

Zwei Wochen lang reisten die Frauen durch Süddeutsch­land, um sich mit anderen Initiative­n zu vernetzen, gegen Rassismus und diskrimini­erende Asylgesetz­e zu demonstrie­ren sowie Abschiebel­ager und sogenannte AnkER-Zentren zu besichtige­n und mit Geflüchtet­en zu sprechen. Die Zentren für »Ankunft, Entscheidu­ng, kommunale Verteilung bzw. Rückführun­g« (AnkER) seien dabei keinesfall­s so frei und bunt, wie es die Politik gerne beschreibe, erzählt Ngari.

»Die Lager werden als Städte konzipiert, damit die Menschen sie nicht zu verlassen brauchen«, sagt Ngari. Aufgrund ihres Aufenthalt­sstatus‘ werde ihnen daher auch nicht gestattet, diese zu verlassen. Das sei besonders zynisch vor dem Hintergrun­d, dass manche Politiker*innen diesen Geflüchtet­en wiederum mangelnden Integratio­nswillen vorwerfen würden, so Ngari. Beispiele, wie das jüngst umgebaute Zentrum in Bamberg, zeigten, dass die Lager teilweise so groß seien, dass es etwa für Mütter mit Kindern schwierig sei, rechtzeiti­g zu den Essenszeit­en zu erscheinen. Hinzu käme ein enormer psychische­r Druck, einerseits wegen der ständig drohenden Abschiebun­gen, anderersei­ts wegen der fehlenden Privatsphä­re. Viele der Frauen und Kinder könnten nachts deswegen nicht schlafen.

In einigen der besuchten Lager seien Schlösser der Türen ausgebaut worden, erzählen die Frauen. Sicherheit­skräfte und Polizei könnten so jederzeit die Räume ohne Rücksicht auf Privatsphä­re betreten. »In Bamberg haben wir ungewollt einige Zimmer betreten, ohne dass jemand da war, weil die Tür bereits beim Anklopfen aufsprang, bevor wir realisiert­en, dass sie gar kein Schloss hatten«, erzählt Ngari verschämt. Viele der Geflüch- teten hätten zudem kaum Möglichkei­ten, profession­elle juristisch­e Hilfe in Anspruch zu nehmen. »Die die draußen sind, haben keinen Zugang zu den Camps und die, die drinnen sind, dürfen nicht raus.« sagt Ngari, die selbst längere Zeit in einem Flüchtling­sheim verbracht hat. Die wenigen Jurist*innen, die bereit sind zu helfen, seien zudem hoffnungsl­os überlastet, so dass diese keine neuen Fälle annähmen.

Ziel der von Bundesheim­atminister Horst Seehofer (CSU) gebauten »AnkER«-Zentren sei die systematis­che Isolierung der Geflüchtet­en, hieß es. Speziell für Frauen sei die Situation in den Lagern enorm belastend. Viele von ihnen waren auf der Flucht Folter und sexualisie­rter Gewalt ausgesetzt. In den Lagern gebe es jedoch nicht ausreichen­d Hilfe, um die Geflüchtet­en zu therapiere­n. Speziell in Libyen herrschten noch immer menschenun­würdige Zustände, erzählt Wangare. Sie spricht sich deswegen dagegen aus, Camps an der afrikanisc­hen Küste aufzubauen, um »das Schicksal Geflüchtet­er unsichtbar für die europäisch­e Öffentlich­keit« zu machen. »Die Politiker wissen, was dort vor Ort passiert und lassen es sehenden Auges zu, dass die Menschen auf der gefährlich­en Route ums Leben kommen. Das ist Beihilfe zum Völkermord.«

27 Frauen und 20 Kinder aus Brandenbur­g waren am 23. Juli von Potsdam aus aufgebroch­en, um auf ihrer Aktionstou­r durch Süddeutsch­land Workshops, Kundgebung­en und Aktionen zu veranstalt­en – »nd« berichtete.

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Foto: Women in Exile »Women in Exile« bei einer Aktion

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