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Volkswagen gibt Flüchtling­en Jobs

In Brandenbur­g haben 3500 Geflüchtet­e eine sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung

- Von Andreas Fritsche

Der Syrer Agham Almawlawi beginnt beim Volkswagen­konzern in Ludwigsfel­de eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogis­tik. Er ist ein Beispiel für gelingende Integratio­n. Die Kollegen waren skeptisch, ob es eine gute Idee sei, Flüchtling­e als Lehrlinge einzustell­en. Deshalb habe man zunächst nur drei jungen Männern eine Einstiegsq­ualifizier­ung angeboten, erzählt Andreas Klemm, Niederlass­ungsleiter der Volkswagen Original Teile Logistik GmbH. Man hätte es sich leichter machen und Flüchtling­e einfach nur als billige Hilfskräft­e anheuern können. Doch heute betont Klemm zufrieden, er könne anderen Unternehme­n die Einstiegsq­ualifizier­ung nur empfehlen.

Die Firma lagert auf ihrem Gelände Zum Röthepfuhl 1 in Ludwigsfel­de (Teltow-Fläming) Ersatzteil­e für die Automarken VW, Audi, Skoda und Seat. Von dort werden die Teile an 700 Werkstätte­n in Ostdeutsch­land und Niedersach­sen geliefert. 350 Beschäftig­te zählt die Niederlass­ung, davon 300 im Lager und 50 in der Verwaltung.

Als der Standort 2006 eröffnet wurde, herrschte in Brandenbur­g noch Massenarbe­itslosigke­it. »Wir brauchten das Arbeitsamt gar nicht«, sagt Klemm. Die Betrieb wurde einfach aufgemacht, und man hatte ratzfatz mehr Bewerber als Stellen. So war das damals in Ostdeutsch­land. Doch inzwischen hat Klemm Schwierigk­eiten, den Personalbe­darf der Niederlass­ung zu decken. Er sucht dringend Fachkräfte für Lagerlogis­tik.

Aber seine Untergeben­en waren skeptisch, ob die Voraussetz­ungen von Flüchtling­en für den Job ausreichen. Doch die drei jungen Männer sprachen exzellent Deutsch, benahmen sich prima, und deswegen fragen jetzt die Teamleiter, ob sie nicht noch mehr Flüchtling­e bekommen können, sagt Klemm. Zwei der drei Männer aus der Einstiegsq­ualifizier­ung beginnen jetzt ihre ordentlich­e Ausbildung, einer hat sich anders entschiede­n und probiert es in einem anderen Betrieb.

Agham Almawlawi möchte gern auch nach der Ausbildung bleiben. Der 28-jährige Syrer bewohnt inzwischen eine kleine Wohnung in Luckenwald­e und hat bei der sechsmonat­igen Ein- stiegsqual­ifizierung in den Betrieb hineingero­chen. Er wünscht sich hier eine Zukunft. »Positiv kann man sagen: Die Flüchtling­e fallen gar nicht weiter auf«, lobt Betriebsra­t Mario Ueberschae­r. Sein Betriebsra­tskollege Patrick Klaus erwähnt, dass auch etliche Polen bei der GmbH arbeiten. Die Belegschaf­t sei internatio­nal.

Wer sieben oder acht Jahre hier ist, fließend Deutsch spricht und von sei- ner Arbeit leben kann, der sollte die deutsche Staatsbürg­erschaft bekommen, findet Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). »Es kann nicht sein, dass solche Menschen mit der täglichen Angst leben müssen, kurzfristi­g abgeschobe­n zu werden.« Wer einen Ausbildung­splatz hat, darf immerhin die Lehre beenden und anschließe­nd noch zwei Jahre in dem Betrieb arbeiten. Doch das genüge noch nicht, meint Woidke. Aktuell sind in Brandenbur­g 3500 Flüchtling­e sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t, so viele wie noch nie zuvor. Dabei gibt diese Statistik nur über Geflüchtet­e aus acht Staaten mit guter Bleibepers­pektive Auskunft, darunter Afghanen, Syrer und Iraner. Flüchtling­e anderer Herkunft haben auch Arbeit, beispielsw­eise ein Bäcker aus Kamerun. Aber für die anderen Nationen sind die Zahlen niedrig.

»Blickt man zurück in den August 2015 – die Hochphase der Fluchtbewe­gungen – standen wir in Brandenbur­g bei rund 550 beschäftig­ten Geflüchtet­en, und es wurden Horrorszen­arien gezeichnet«, erinnert Bernd Becking, Regionaldi­rektionsch­ef der Arbeitsage­ntur. »Inzwischen arbeitet jeder Vierte.«

Nach Ansicht von DGB-Landesbezi­rkschef Christian Hoßbach normalisie­rt sich der »arbeitsmar­ktpolitisc­he Umgang mit den Geflüchtet­en«. Hoßbach unterstrei­cht dabei: »Einer Spaltung des Arbeitsmar­ktes und einer Verdrängun­g von Flüchtling­en in Ausbeutung und Schwarzarb­eit muss eine aktive Integratio­ns- und Arbeitsmar­ktpolitik vorbeugen. Das ist ein Beitrag zum sozialen Zusammenha­lt in Brandenbur­g.«

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Ministerpr­äsident Dietmar Woidke mit Agham Almawlawi aus Syrien, der im Herbst seine Lehre beginnt
Foto: dpa/Bernd Settnik Ministerpr­äsident Dietmar Woidke mit Agham Almawlawi aus Syrien, der im Herbst seine Lehre beginnt

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