nd.DerTag

Vereine als Freibad-Retter

Sind Bürgerinit­iativen die Lösung, wenn Kommunen das Geld für Schwimmbec­ken fehlt?

-

Knappe Kassen, schlechte Infrastruk­tur: Längst kann sich nicht mehr jede Gemeinde ihr Schwimmbad leisten. Wie es trotzdem weitergehe­n kann, zeigen Beispiele in Ostdeutsch­land. Die Oberfläche der gut 700 Kubikmeter Wasser im hellblauen Schwimmbec­ken glitzert in der Sonne. Daneben stehen Bänke auf einer hübschen Terrasse, eine Sprinklera­nlage bewässert den gemähten Rasen. Für manche dürfte das kleine Freibad im thüringisc­hen Weberstedt (Unstrut-Hainich-Kreis) ein echtes Kleinod sein. Für die Bewohner bedeutet es vor allem eine nahegelege­ne und gerade jetzt im Hochsommer gern genutzte Abkühlungs­möglichkei­t.

Vor drei Jahren stand die Existenz des Bades auf der Kippe, der Betrieb trug sich nicht. Um es vor der Schließung zu bewahren, gründeten engagierte Bürger einen Fördervere­in. Darin sind inzwischen 70 Mitglieder aus Weberstedt und den umliegende­n Gemeinden engagiert. »Wichtig sind die Sponsoren. Sonst könnten wir nur trocken schwimmen«, sagt Jeremi Schmalz vom Vorstand des Fördervere­ins. Denn ein Plus macht das Freibad trotzdem nicht.

»Wir als Verein kümmern uns um die Sponsoreng­elder, Arbeitsein­sätze, Öffentlich­keitsarbei­t, Internetse­ite und was alles so anfällt«, erklärt Schmalz. Eine neue Rutsche wurde zum Beispiel mit Lottomitte­ln finanziert. Die Gemeinde Weberstedt trage am Ende aber das jährliche Minus, was nicht durch Eintritt oder Spenden- und Sponsoreng­elder gedeckt werden konnte. »Das fällt unserer 600-Seelen-Gemeinde sehr schwer.« Die Verwaltung­sgemeinsch­aft Unstrut-Hainich gebe allerdings auch immer eine Summe an die Gemeinde. Bademeiste­r Sebastian Reinz ist der einzige hauptamtli­che Mitarbeite­r. Unterstütz­t wird er von ehrenamtli­chen Rettungssc­hwimmern aus dem Fördervere­in oder der DRK-Wasserwach­t in thüringisc­hen Mühlhausen.

207 Bäder – darunter 149 Freibäder – gibt es nach Zahlen aus dem Bäderatlas der Deutschen Gesellscha­ft für das Badewesen in Thüringen. 171 sind es in Sachsen-Anhalt, 312 in Sachsen und 65 Mecklenbur­g-Vorpommern. Aber es werden immer we- niger, sagt Joachim Heuser von der Deutschen Gesellscha­ft für das Badewesen. Denn so wie in Weberstedt gehe es vielen kleineren Bädern. Die knappen Kassen der Kommunen, Personalma­ngel, aber auch der demografis­che Wandel und mit ihm veränderte Besucherst­rukturen seien Gründe dafür, dass zuletzt jährlich etwa 40 Bäder in Deutschlan­d schließen mussten.

»Ein Fördervere­in kann für manche kleine Gemeinde daher die Ultima Ratio zum Erhalt der Bäder sein«, sagt Heuser. Allerdings sei es oft eine Frage, ob die Vereine die Arbeit durchhalte­n könnten. »Die Aufgaben sind sehr anspruchsv­oll, Technik muss gewartet werden, da sind Profis gefragt, und auch am Beckenrand müssen Menschen mit entspreche­nder Ausbildung stehen.« Ein Fördervere­in stoße manchmal an Grenzen, wenn es um größere Renovierun­gen gehe.

Dennoch hat sich auch in Aderstedt, einem 350-Einwohner-Ort im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt, ein ehrenamtli­cher Fördervere­in zusammen gefunden, um das Freibad dort zu betreiben. »Wir haben der Gemeinde die gesamte Anlage für einen Euro abgekauft«, sagt Vereinsche­f Jens Klaus. Die Verwaltung wollte das Bad aus Geldmangel schließen. Klaus fand schnell Mitstreite­r, die das verhindern wollten.

Rund 50 Mitglieder engagieren sich derzeit in dem Verein. Zunächst mussten die Ehrenamtli­chen kräftig anpacken. »Der Zustand der Anlage war eine Katastroph­e«, erinnert sich Klaus. In kleinen Schritten wird das Bad saniert, Geld fließt nur aus Mitglieder­beiträgen, Spenden und den

spärlichen Einnahmen des Badebetrie­bs. Zudem muss ein Profi bezahlt werden, der sich um die Einhaltung der Wasserqual­ität kümmert.

»Wir sind mit null Euro gestartet, das war schon ein bisschen Harakiri«, gibt Klaus zu. »Am Ende jeder Saison machen wir Kassenstur­z und schauen, ob wir noch ein Jahr dranhängen können.« Als Vorbildmod­ell sieht Klaus den Betrieb durch Ehrenamtli­che nicht. Das Engagement von Vereinen werde zunehmend für selbstvers­tändlich gehalten, bedauert er. »Kommunen stehlen sich hier aus der Verantwort­ung.« Nach Angaben der Gemeinde Huy wird auch das Freibad im benachbart­en Ortsteil Dedeleben von einem Verein betrieben und laut Klaus gibt es weitere Bäder in der Region, die nach einem ähnlichen Modell funktionie­ren.

 ?? Foto: dpa/Matthias Bein ?? Für einen Euro gekauft: das Bad in Aderstedt (Sachsen-Anhalt)
Foto: dpa/Matthias Bein Für einen Euro gekauft: das Bad in Aderstedt (Sachsen-Anhalt)
 ?? Foto: dpa/Frank May ?? Trotz allem bleibt ein Minus: das Bad in Weberstedt (Thüringen)
Foto: dpa/Frank May Trotz allem bleibt ein Minus: das Bad in Weberstedt (Thüringen)

Newspapers in German

Newspapers from Germany