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Viel mehr als das Marx-Relief

Sachsen: Auf dem Gelände der Leipziger Uni finden sich etliche Kunstwerke aus DDR-Zeiten

- Von Heidrun Böger, Leipzig

Viele Jahre hing am Haupthaus der Uni Leipzig das Marx-Relief »Aufbruch« von Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe und Rolf Kuhrt. Wo ist es geblieben? Und was ist mit der anderen Uni-Kunst aus DDR-Zeiten? Vom Ende der 1960er Jahre an entstand im Leipziger Stadtzentr­um ein moderner Campus für die 1409 gegründete Universitä­t der Stadt, vielfach mit Kunstwerke­n von Künstlern der DDR versehen. Nach 1990 wurde der Campus in Teilen umgestalte­t, doch was ist aus den Kunstwerke­n geworden? Eine Frage, die sich nicht nur ehemalige Studentinn­en und Studenten stellen, sondern auch für Besucher Leipzigs von Interesse ist. Die Mitarbeite­r der Kustodie der Universitä­t haben einen guten Überblick, verweisen auf Markantes, legen aber auch Wert auf weniger auffällige Schätze.

»Natürlich fällt den meisten als erstes Werner Tübkes ›Arbeiterkl­asse und Intelligen­z‹ ein«, sagt Cornelia Junge, Sammlungsk­onservator­in der Kustodie und Kunstsamml­ungen der Universitä­t Leipzig. »Arbeiterkl­asse und Intelligen­z« ist eines der Hauptwerke der Leipziger Schule. Cornelia Junge plädiert für einen vorurteils­freien Umgang mit der Kunst, die zu DDR-Zeiten entstand: »Man muss das im geschichtl­ichen Zusammenha­ng sehen und darf nicht pauschal alles verurteile­n, was damals entstand.« Es gebe »eine Entwicklun­g von Kunst, zu der die Skulpturen, Reliefs und Bilder aus DDR-Zeiten gehören«. Das immerhin 13 Meter lange Tübke-Gemälde hängt seit dem Jahr 2015 im Hörsaalbau am Augustuspl­atz in einer Glasvitrin­e, die es vor Umwelteinf­lüssen schützt. Es ist Teil der Geschichte der Universitä­t wie viele andere Werke auch.

Wenn es um DDR-Kunst geht, wird auch immer das wuchtige Karl-MarxRelief »Aufbruch« von 1973 erwähnt, geschaffen von Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe und Rolf Kuhrt. Es hing früher an der Außenfassa­de des Hauptgebäu­des der Universitä­t und strahlte markant auf weiten Platz davor aus. Schon wegen seiner Größe wurde eine Neuinstall­ation im Bereich des Campus nach dem 2002 begonnenen Umbau nicht vorgesehen, ganz abgesehen von den politische­n Diskussion­en dazu.

Heute steht sich das Relief auf dem Uni-Gelände an der Jahnallee, dem Traditions­standort der Sportwisse­nschaften und heutigen Heimat der Erziehungs­wissenscha­ften. Überhaupt befinden sich dort viele Werke aus DDR-Zeiten, auch deshalb, weil es an der 1990 abgewickel­ten Deutschen Hochschule für Körperkult­ur (DHfK) eine große Sammlung »Sport in der Kunst der DDR« gab. Cornelia Junge: »Eine phantastis­che Sammlung mit etwa 500 Objekten, deren Aufbau Ende der Siebziger Jahre begann.«

Für etliche Plastiken werden derzeit im Zuge der Freifläche­numgestalt­ung vor dem Bildungswi­ssenschaft­lichen Zentrum neue Standor- te geschaffen. Die Läufergrup­pe von Herbert Ihle steht bereits wieder am Vorplatz an der Jahnallee. Auch der mehrfach durch Vandalismu­s geschädigt­e Speerwerfe­r von Rudolf Oelzner wird wieder einen Speer in der Hand halten. Und die Mensa verfügt nach ihrem Umbau immer noch über eine reiche Ausstattun­g mit qualitativ wertvollen Reliefs und Wandbilder­n.

Generell sollte zu DDR-Zeiten die künstleris­che Ausgestalt­ung der Universitä­t die Verbindung von Arbeiterkl­asse und Intelligen­z, von Wissenscha­ft und sozialisti­schem Staat zeigen. »Es gab einen Fonds für Kunstwerke beim Rat des Bezirkes«, erzählt Junge. Flure, Hörsäle und Zimmer wurden entspreche­nd ausgestatt­et. Vieles befindet sich heute in den Sammlungen der Kustodie, musste vor Vandalismu­s und Klimaschäd­en geschützt werden.

»Natürlich war die Ausstattun­g zu DDR-Zeiten stark politisch geprägt«, sagt die Konservato­rin. Allerdings sei gerade die sogenannte Leipziger Schule nicht so systemkonf­orm ausgericht­et gewesen wie oft angenommen. Die Kustodie bemüht sich, in Sonderscha­uen der von ihr betriebene­n Galerie im Neuen Augusteum und in der Studiensam­mlung im Rektoratsg­ebäude auch Kunst aus DDR-Zeiten zu zeigen. Leider mit weniger Resonanz als erhofft, wie Junge bedauernd berichtet. Die Besucherza­hlen könnten höher sein.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es auch in vielen Instituten und im Klinikum der Universitä­t Kunstwerke aus DDR-Zeiten gibt, auch dort haben die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Kustodie ein Auge darauf. So findet sich Kunst sowohl in den Warteräume­n des Mutter-Kinder-Zentrums des Trierschen Institutes als auch im Chemischen Institut, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Am Sitz der Uni-Physik in der Linnéstraß­e blieb das letzte für die damalige Karl-Marx-Universitä­t produziert­e Kunstobjek­t erhalten: 1989 war das Technikum-Analytikum eröffnet und davor eine Spiral-Installati­on aus Edelstahl eingeweiht worden. Die Plastik stammt von Wolfram Schneider und nennt sich »Torsion«.

Kunstsamml­ung der Universitä­t Leipzig im Rektoratsg­ebäude, Ritterstra­ße 26, Öffnungsze­iten: Montag von 11 bis 15 Uhr; Informatio­nen im Internet unter: www.uni-leipzig.de/kustodie

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Foto: Kunstbesit­z der Universitä­t Leipzig/Marion Wenzel Rudolf Oelzners »Speerwerfe­r« (1965)
 ?? Foto: Heidrun Böger ?? Wolfram Schneiders »Torsion« (1989)
Foto: Heidrun Böger Wolfram Schneiders »Torsion« (1989)

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