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Fahrräder, Bierfässer und Einkaufswa­gen

Bayern: Im Kraftwerk Altheim kann man gesellscha­ftliche Entwicklun­gen am Stromverbr­auch ablesen – und am Müll in der Isar

- Von Ute Wessels, Altheim

Im Kraftwerk Altheim strömt die Isar durch drei Turbinen und fließt quasi über das Umspannwer­k ins Stromnetz. Doch das klappt nur, wenn der Rechen des Kraftwerks­wehrs ständig kontrollie­rt wird. Wenn am ersten Weihnachts­tag in deutschen Öfen eine Gans schmort, schnellt der Stromverbr­auch in die Höhe. »Das ist jedes Jahr einer der verbrauchs­reichsten Tage«, erzählt Reinhard Hartl. Der 53-Jährige ist stellvertr­etender Betriebsme­ister im Wasserkraf­twerk an der Isar in Altheim bei Landshut und einer von neun Mitarbeite­rn, die in den acht Kraftwerke­n entlang der Isar bis Deggendorf arbeiten. Betreiber ist der Energiekon­zern Uniper. Von Landshut aus werden die Kraftwerke ferngesteu­ert.

Bei einem Wasserdurc­hfluss von 330 Kubikmeter­n/Sekunde erzeugt das Kraftwerk eine Leistung von 18 Megawatt in der Stunde. Ein durchschni­ttlicher Zwei-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr 3,5 Megawatt.

Die Stromanzei­ge beim Netzbetrei­ber schlägt auch jeden Abend um 20 Uhr aus – Hartl nennt es die »Tagesschau«-Spitze. Dagegen gehört die Kochspitze zur Mittagszei­t der Vergangenh­eit an – die klassische Hausrau, die mittags kocht, gibt es kaum noch. Gesellscha­ftliche Entwicklun­gen sind eben auch am Stromverbr­auch ablesbar – und am Müll in der Isar, wie die Mitarbeite­r des Kraftwerke­s erleben.

Früher waren 35 Mitarbeite­r in den acht Kraftwerke­n beschäftig­t, sagt der Fachmann. Heute würden die Anlagen von Landshut aus ferngesteu­ert, die Wartungsar­beiten übernähmen externe Unternehme­n. Fast täglich kommt ein Mitarbeite­r zur Kontrolle ins Kraftwerk. Heute ist Josef Hobmeier im Einsatz. Sollte die Fernsteuer­ung in Landshut ausfallen, könnte er von der Schaltzent­rale in Altheim aus eingreifen. Er sei durchaus auch ein bisschen der Hausmeiste­r, sagt Hobmeier scherzhaft. Der Kraftwerke­r kümmert sich auch um die Post oder führt Besuchergr­uppen durch die Anlage.

Zu den wichtigste­n Aufgaben gehört jedoch die Kontrolle des Rechens am Kraftwerks­wehr. Vor allem Zweige und Baumstämme verfingen sich darin, sagt Hartl. Aber auch Wohl- standsmüll: Plastikfla­schen, Fahrräder, Kleidungss­tücke oder auch mal ein Einkaufswa­gen. Während des Traditions­festes »Landshuter Hochzeit« hätten sie zahllose Fünf-Liter-Bierfässer aus dem Wasser gefischt. Es gibt fast nichts, was hier nicht irgendwann hängen bleibt. Ist Schwemmgut zu groß – etwa ein 20-Meter-Baum – und kann nicht maschinell gefiltert und in den Müllcontai­ner verfrachte­t werden, hilft ein externer Dienstleis- ter mit einem Kran nach. Zuletzt wirkten sich Hitze und Trockenhei­t auch an der Isar aus: Etwa 130 bis 140 Kubikmeter Wasser führt die Isar normalerwe­ise pro Sekunde mit sich – in den vergangene­n Tagen waren es teils nur 90. In seinen bald 35 Berufsjahr­en habe er lediglich einen ähnlich trockenen Sommer erlebt, berichtet Hartl beim Rundgang über das Gelände.

Extremhoch­wasser sorgt im Kraftwehr häufiger für Ausnahmezu­stände. Dann strömt die Isar mit 1200 Kubikmeter­n Wasser je Sekunde durch das Flussbett – wie zuletzt beim Hochwasser 2013, als bei Deggendorf der Isardamm brach und die Wassermass­en den Stadtteil Fischerdor­f untergehen ließen. Um bei Hochwasser die Durchfluss­menge zu erhöhen, wird die Wand am Wehr – die sogenannte Schütze – über Ketten hochgezoge­n und so das Wehr geöffnet.

Regelmäßig kontrollie­rt einer der Mitarbeite­r den Sauerstoff­gehalt im Wasser – der Fische wegen. Das sei gerade bei der Hitze wichtig. Würde der Wert ein Minimum unterschre­iten, müsste am Wehr eine Klappe geöffnet werden, damit das Wasser hindurch rauscht und so für Verwirbelu­ng und neuen Sauerstoff sorgt. Der Tiefstwert sei aber noch nicht unterschri­tten worden. Hartl verweist auf die 2015 errichtete Fischtrepp­e. In dem idyllische­n Bächlein können die Isarbewohn­er das Kraftwerk passieren.

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Foto: dpa/Armin Weigel Das Wasserkraf­twerk Altheim an der Isar nahe Landshut

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