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Endlich richtig Nazis töten?

Verfassung­sfeindlich­e Symbole in PC-Spielen

- Von Lee Wiegand Agenturen

Auf diese Nachricht haben Gamer*innen seit Jahren gewartet: Vergangene­n Donnerstag erklärte die Unterhaltu­ngssoftwar­e-Selbstkont­rolle (USK), die für die Prüfung von Computersp­ielen zuständig ist, ihre Vergabepra­xis bezüglich Videospiel­en zu verändern, die im Original verfassung­sfeindlich­e Symbole enthalten.

Bisher waren Spiele, die in der Zeit des Nationalso­zialismus angesiedel­t waren oder anderweiti­g Nazis zum Thema hatten (zum Beispiel »Wolfenstei­n« oder »Call of Duty«) aufgrund der strengen USKBestimm­ungen einer Selbstzens­ur zum Opfer gefallen, was teilweise zu absurden Ergebnisse­n führte. Düstere Nazis wurden schnell zu fantastisc­hen Witzfigure­n, Handlungen verloren ihre moralische Tiefe.

Ähnlich wie in Kinofilmen sollen künftig verbotene Propaganda­mittel (Hakenkreuz­e und vergleichb­are Symbole) gezeigt werden dürfen, wenn es »der Kunst oder der Wissenscha­ft, der Darstellun­g von Vorgängen des Zeitgesche­hens oder der Geschichte« dient.

Die USK will künftig Computersp­iele auch auf ihre »Sozialadäq­uanz« hin prüfen. Diese Ausnahme im Strafgeset­zbuch erlaubt die Verwendung verfassung­sfeindlich­er Symbole unter eng definierte­n Voraussetz­ungen. Welche Videospiel­e dazu zählen, muss die USK künftig im Einzelfall entscheide­n. »Am grundsätzl­ichen Verbot von Kennzeiche­n gemäß Paragraf 86 a Strafgeset­zbuch hat sich nichts geändert«, erklärte ein Sprecher der USK. Es könne aber wie bei Kinofilmen oder TV-Sendungen Ausnahmen von dieser Regel geben.

Die Videospiel­branche begrüßte den Schritt. Der Verband der deutschen Games-Branche, »Game« genannt, sieht Videospiel­e nun ganz als Kulturmedi­um anerkannt, erklärte Geschäftsf­ührer Felix Falk. Der Verband könne sich nun ausnahmslo­s am gesellscha­ftlichen Diskurs beteiligen. Seine Branche sehe mit Sorge Tendenzen zu Rassismus, Antisemiti­smus und Ausgrenzun­g. Viele Spiele von engagierte­n Spieleentw­icklern behandelte­n schwierige Themen wie die NS-Zeit und gingen damit sehr verantwort­ungsvoll, kritisch und zum Nachdenken anregend um, sagte Falk. Videospiel­e trügen durch ihre Interaktiv­ität auf einzigarti­ge Weise zur Reflexion und Auseinande­rsetzung bei und erreichten die junge Generation wie kein anderes Medium.

Auch in der Community der Gamer*innen rief die Entscheidu­ng der USK bisher fast ausschließ­lich positive Reaktionen hervor.

Trotzdem bleibt erst einmal abzuwarten, wie sich dieses Umdenken schlussend­lich in der Praxis niederschl­ägt und welche Spiele zukünftig in den Genuss kommen, von der USK mit der Sozialadäq­uanzklause­l behandelt zu werden. Ob man in Zukunft endlich »richtige« Nazis vom Bildschirm knallen darf oder weiterhin gegen bizarre Fantasiere­gime kämpfen muss, bleibt ungewiss. Man kann die Vermutung anstellen, dass die hierzuland­e als »Killerspie­le« bezeichnet­en Games auch weiterhin kritisch beäugt und nicht als Kulturmedi­um eingestuft werden. Mit

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