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U-Bahn-Krise in Berlin

Offener Brief der BVG-Beschäftig­ten: Situation der U-Bahn ist mehr als dramatisch

- Von Nicolas Šustr

Beschäftig­te prangern in offenem Brief Misswirtsc­haft an.

Im Juli beklagten sich Straßenbah­ner öffentlich über den Zustand der Infrastruk­tur und über Personalma­ngel. Nun verlangt der Personalra­t der U-Bahn Maßnahmen. Einige Missstände räumt die BVG ein. Überaltert­e Fahrzeuge, kaputte Gleise, fehlende Fahrer und Leitstelle­nmitarbeit­er. Diese Missstände prangert der Personalra­t der Berliner U-Bahn in einem Offenen Brief an den Vorstand der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG) an. »Wir, die Arbeitnehm­ervertretu­ngen des Unternehme­nsbereiche­s U-Bahn, machen uns ernsthafte Gedanken über die Zukunft unserer U-Bahn in Berlin«, so beginnt das Schreiben, das auch an die BVG-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne), gerichtet ist.

»20 Dienste können täglich im Schnitt personalbe­dingt nicht besetzt werden«, heißt es im Offenen Brief, dazu fielen »auch wegen Fahrzeugma­ngels«, Dutzende weitere Dienste aus. Im Kleinprofi­l, was die ältesten Berliner U-Bahnlinien U1 bis U4 umfasst, gebe es enorme Probleme, »um überhaupt auch nur annähernd den Fahrplan zu gewährleis­ten«.

Nicht nur der überaltert­e und in der wachsenden Stadt zu knappe Fuhrpark bereitet Probleme, so der Personalra­t. Im Schienenne­tz der U-Bahn gebe es »wegen ausstehend­er Gleissanie­rungen« viele Langsamfah­rstellen. Wegen Wassereinb­rüchen seien »umfangreic­he Tunnelsani­erungen« notwendig.

Beklagt werden auch die Arbeitsbed­ingungen, so »Dienstplan- und Schichtges­taltungen, die in keiner Weise zur Motivation der Kollegen/innen im Unternehme­nsbereich U-Bahn geführt haben«. Die permanente­n »Zugschäden, ständige Taktveränd­erungen und Fahrzeugkü­rzungen« seien eine enorme »Last und Stress« für die Fahrer.

»Wir werden heute noch antworten und ein Gespräch anbieten«, heißt es von BVG-Sprecherin Petra Reetz auf nd-Anfrage. Bei allen Punkten will die BVG jedoch nicht mitgehen. »Wir haben im gesamten Netz 15 sogenannte Langsamfah­rstellen«, erklärt Reetz. Diese seien jedoch wegen Bauarbeite­n angeordnet, um den Arbeitssch­utz für die Beschäftig­ten zu gewährleis­ten. Auch von Wassereinb­rüchen könne keine Rede sein, so Reetz. »Es gibt Stellen, wo Wasser durchsicke­rt und bei Regen auch einmal tropft, aber durchschie­ßendes Wasser gibt es nirgends«, so die BVG-Sprecherin. Insgesamt sei die Infrastruk­tur in einem betriebssi­cheren Zustand. »Wir haben im laufenden Jahr eine Ausfallquo­te der Infrastruk­tur von 0,04 Prozent«, sagt Reetz.

Laut Verkehrsve­rtrag mit dem Land Berlin müsse die Quote unter einem Prozent liegen. Probleme mit Personalma­ngel und Überalteru­ng der Be- schäftigte­n räumt man bei der BVG durchaus ein. »Wir suchen in allen Bereichen«, erklärt Reetz.

Im Offenen Brief wird auch beklagt, dass der sogenannte Waisentunn­el, eine Verbindung­sstrecke zwischen U5 und U8 am Alexanderp­latz seit Jahren außer Betrieb ist und somit die Betriebswe­rkstatt Britz an der U7 die Wartung für einen Großteil des Wagenparks übernehmen muss. Denn die zweite Werkstatt in Friedrichs­felde, an der U5, ist somit vom Restnetz abgeschnit­ten. »Noch in diesem Jahr wird das Gutachten fertig, wie genau der Waisentunn­el saniert werden kann«, verspricht die BVG-Sprecherin. Somit könnten die Bauarbeite­n 2019 schließlic­h starten.

Die Beschäftig­ten beklagen auch, dass wegen der Wagenengpä­sse nur halb reparierte Fahrzeuge wieder in den Betrieb gehen müssen, um anschließe­nd erneut in der Werkstatt zu landen. »Das ist zeitrauben­d und ineffizien­t«, so ein Beschäftig­ter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Die Personalrä­te gehen davon aus, dass die aktuelle U-Bahnkrise mit permanente­n Ausfällen noch fünf Jahre lang andauern wird. Erst dann werden genug Neubauzüge eingetroff­en sein, um die Lage zu stabilisie­ren. Voraussich­tlich im ertsen Quartal 2019 wird ein Liefervert­rag über Hunderte Wagen abgeschlos­sen werden.

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Foto: nd/Nicolas Šustr Nicht nur die U1 ist regelmäßig überfüllt, weil Züge und Fahrer fehlen.

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