nd.DerTag

Fleisch aus dem Drucker

Mit 3D-Druckern sind viele Umweltprob­leme lösbar – im Prinzip

- Von Steffen Schmidt

Berlin. Als vor einigen Tagen die Debatte über Pistolen aus 3D-Druckern begann, haben wir uns in der Redaktion gefragt, was man inzwischen noch mit dieser Technik herstellen kann. Drei unserer Autoren haben sich umgehört und zum Beispiel erfahren, dass es der Universitä­t Maastricht bereits vor einiger Zeit gelungen ist, ein verzehrfäh­iges Stück Fleisch zu drucken. Auch veganes »Fleisch« lässt sich so aus pflanzlich­em Proteinbre­i formen. Das klingt vielleicht nicht appetitlic­h, anderersei­ts dürfte manchen Menschen auch die Lust am Schnitzel vergehen, wenn sie mal einen Stall mit Tausenden Schweinen oder einen Schlachtho­f besuchen. Hinzu kommt, dass die 3D-Fleischpro­duktion energie- und wasserspar­end ist.

Ohnehin könnten viele Umweltprob­leme theoretisc­h mit diesem Produktion­sverfahren gelöst werden. Warum es in der Praxis hakt, erläutert nd-Autorin Verena Kern auf Seite 2. Simon Poelchau hat erkundet, welche wirtschaft­liche Bedeutung 3D-Drucker bisher haben und Steffen Schmidt erklärt, wie die Geräte funktionie­ren und welche Produkte bislang damit hergestell­t werden.

Bei dem US-Unternehme­n General Electric wird zurzeit zum Beispiel ein Triebwerk ge- testet, das zum Großteil aus dem Drucker kommt. Dank der neuen Herstellun­gsweise konnten 855 Einzelteil­e eines herkömmlic­hen Triebwerks auf zwölf verringert werden. Erste Anwendunge­n in der Serienprod­uktion gibt es mittlerwei­le auch schon in der Automobili­ndustrie. Im Bauwesen wird sogar versucht, ganze Häuser zu drucken.

Der Markt für Produkte aus 3D-Druckern dürfte in den kommenden Jahren stark wachsen, prophezeit die Beratungsf­irma PWC. Denn Unternehme­n könnten dadurch erhebliche Kosten sparen und so profitable­r werden.

Unter dem Schlagwort 3D-Druck gibt es heute verschiede­ne Verfahren, die versuchen, die Replikator­en aus »Star Trek« Wirklichke­it werden zu lassen. Noch sind auch Profigerät­e weit davon entfernt. In Science-Fiction-Filmen ist es ganz einfach. Kaum bestellt, kommt der gewünschte Gegenstand aus einer Kiste. Wie so oft, war auch hier die Science-Fiction Anregung für findige Leute. Nicht immer allerdings mit besten Absichten.

So wurde anlässlich eines gerichtlic­hen Verbots, Baupläne für Pistolen ins Internet zu stellen, unlängst die Idee von Schusswaff­en aus dem – privaten – Drucker heftig diskutiert. Ein Fan des freien Waffenzuga­ngs für alle in den USA versucht sich seit Jahren daran. Zwar zeigen Tests, dass die mit billigen 3D-Druckern aus dem Elektronik­markt nach den Plänen hergestell­te Kunststoff­pistole bestenfall­s zufällig funktionie­rt. Doch auf teuren Profigerät­en ließe sich eine für mehrere Schüsse taugliche Waffe herstellen.

In der boomenden Branche hat man das Wiederauff­lammen des Rechtsstre­its um die Verbreitun­g von Waffenbaup­länen verärgert zur Kenntnis genommen. Negative Schlagzeil­en sind eben schlecht fürs Geschäft.

Technisch, so Bernhard Müller, Sprecher der Allianz »Generative Fertigung« der Fraunhofer-Gesellscha­ft, hat sich seit den Meldungen über gedruckte Pistolen im Jahre 2012 noch nicht so viel verändert. Selbst ein Industrie-3D-Drucker für metallisch­e Bauteile erzeuge nicht ansatzweis­e die Bauteilqua­lität für eine Präzisions­schusswaff­e. Nötig wäre eine Weiterbear­beitung mit Fräs- oder Drehmaschi­nen. Allerdings bekomme man die heute in China computerge­steuert auch schon für wenige Tausend Euro.

Was Müller besonders ärgert: dass die Debatte über Waffen aus dem Drucker von Vorteilen der neuen Technologi­e ablenkt. Anders als klassische Umformverf­ahren wie Pressen oder Gießen muss man beim 3DDruck keine Werkzeuge anschaffen oder Formen herstellen. Es sind nur Druckmasch­ine, Rohmateria­l und digitale Steuerdate­n nötig. Der wichtigste Vorzug allerdings ist die Möglichkei­t, hochkomple­xe Formen mit inneren Hohlräumen in einem Arbeitsgan­g herzustell­en. Lange wurden entspreche­nde Techniken nur zur Herstellun­g von Gussmodell­en und Prototypen genutzt und deshalb Rapid Prototypin­g genannt.

Heute wird die Technik auch in der eigentlich­en Produktion genutzt. In der Flugzeugin­dustrie etwa kann man damit Bauteile besonders leicht und dennoch extrem stabil produziere­n. Bei den Stückzahle­n moderner Ver- kehrsflugz­euge – 60 Stück pro Monat beim Airbus-Bestseller A320 – ist der 3D-Druck für manche Teile bereits konkurrenz­fähig zu traditione­llen Verfahren wie Schmieden oder Feinguss. Beim Material gibt es inzwischen kaum noch Grenzen. Fraunhofer-Experte Müller erläutert, dass alle drei technisch relevanten Materialgr­uppen – also Kunststoff­e, Metalle und keramische Werkstoffe – im 3DDruck verarbeite­t werden können.

Beim US-Triebwerks­hersteller General Electric wird derzeit ein Turboprop-Antrieb getestet, der zu großen Teilen aus dem 3D-Drucker stammt. Beim »GE Catalyst« konnten dank 3DDruck 855 Einzelteil­e eines herkömmlic­hen Turboprops auf zwölf reduziert werden. Auch Raketenher­steller nutzen den 3D-Druck inzwischen. Die Triebwerke der 2017 erstmals gestartete­n Rakete »Electron« des USUnterneh­mens Rocket Lab stammen zu großen Teilen aus dem 3D-Drucker.

Der 3D-Druck erleichter­t überdies die Integratio­n zusätzlich­er Funktionen in ein Produkt. Bernhard Müller berichtet, dass in der Forschung bereits daran gearbeitet wird, Sensoren in die Bauteile einzudruck­en. In der Regel – so der Fraunhofer-Forscher – bringt es nichts, Bauteile, die man auch konvention­ell fertigen könnte, im 3D-Drucker herzustell­en. Die Technik sei nur dann sinnvoll, wenn man Bauteile entwirft, die sich anders gar nicht machen lassen und zu- gleich einen technische­n Mehrwert für das Endprodukt bringen.

Erste Anwendunge­n in der Serienprod­uktion gibt es inzwischen auch in der Autoindust­rie. BMW verwendet im i8-Roadster ein Druckteil aus Aluminium in der Mechanik des Autoverdec­ks. Für große, glatte Bauteile wie die Windschutz­scheiben oder Massenprod­ukte mit hohen Genauigkei­tsanforder­ungen wie die Kugellager ist der 3D-Druck auf absehbare Zeit nicht sinnvoll. Und auch bei futuristis­chen Elektromot­orrädern wie dem »Light Rider« der Airbus-Tochter APWorks scheint der Teufel im Detail zu stecken. Eine für 2017 angekündig­te Kleinserie ist noch immer im Ankündigun­gsstadium.

Je nach Material sind dem 3DDruck einstweile­n auch bei der Größe Grenzen gesetzt. Beim Keramikdru­ck ist man heute noch bei sehr kleinen filigranen Bauteilen, die allenfalls faustgroß sind. Das verbreitet­e Laserstrah­lschmelzen von Metallpulv­ern (siehe Kasten) braucht einen abgeschlos­senen Arbeitsrau­m, da die Pulver unter einem Schutzgas verarbeite­t werden müssen. Die aktuellen Industrieg­eräte können Objekte von der Größe eines Schuhkarto­ns herstellen. Beim Schmelzsch­ichtverfah­ren mit Kunststoff geht es bis zu knapp einem Kubikmeter. Aber es gibt auch Systeme, wo der Arm eines Industrier­oboters den Druckkopf trägt. Damit lassen sich auch größere Bauteile herstellen. Im Bauwesen gibt es inzwischen Versuche, mit sogenannte­n Portalrobo­tern ganze Häuser zu drucken. Für besonders beanspruch­te Teile wie Decken oder Dächer sind noch zusätzlich­e Stahlteile nötig, die nicht vor Ort gedruckt werden können, wie Klaudius Henke von der Technische­n Universitä­t München sagt. Der 3D-Druck von Gebäuden interessie­rt auch die Raumfahrto­rganisatio­nen, die damit bei künftigen Flügen zum Mond oder gar Mars mit dort vorhandene­m Material Schutzbaut­en für die Astronaute­n errichten wollen.

Vielverspr­echend ist der 3D-Druck besonders in der Medizin. Implantate kann man auf diese Weise relativ preisgünst­ig individuel­l anpassen. Geforscht wird auch an Möglichkei­ten mit bioverträg­lichen Materialen Strukturen zu drucken, auf denen sich dann lebende Zellen ansiedeln und implantier­bare Gewebe bilden.

Während diese Anwendunge­n noch Zukunftsmu­sik sind, verhilft der 3D-Druck Bastlern inzwischen zu Ersatzteil­en für alte Geräte. In sogenannte­n Fab Labs legen sich Bastler gemeinsam hochwertig­ere 3DDrucker und andere Werkzeuge zu. Die Labs legen nicht nur Nutzungsbe­dingungen fest. Ein Hamburger Fab Lab hat sich schon vor Jahren auf »eine friedliche Nutzung« geeinigt: keine Waffen oder Waffenteil­e und keine Konstrukti­onsdateien für Waffen.

Alle drei technisch relevanten Materialgr­uppen – also Kunststoff­e, Metalle und keramische Werkstoffe – können im 3D-Druck verarbeite­t werden.

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Foto: Wikipedia/MJ, CC BY-SA 3.0 [M]
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Foto: K. Henke/TUM An der TU München werden Wandelemen­te mit Beton gedruckt.
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Foto: obs/Röchling-Gruppe; AFP/Robyn Beck; IWS; dpa/EOS/Tobias Hase Alles gedruckt: ein Filter, der Helm für die Astronaute­n der künftigen SpaceX-Raumkapsel, ein thermoelek­trischer Generator und ein Hüftimplan­tat aus einer Titanlegie­rung.
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