nd.DerTag

Keine Solidaritä­t, kaltes Geschacher­e

Sebastian Bähr über die Ankunft der »Aquarius« in Malta

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Das Rettungssc­hiff »Aquarius« ist nach einer – erneuten – mehrtägige­n Irrfahrt am Hafen von Malta angekommen. Ein humanitäre­r Notfall wurde verhindert, die 141 Geflüchtet­en an Bord teilen sich fünf Staaten untereinan­der auf, in der EU klopft man sich gegenseiti­g auf die Schultern. Valetta weist auf das eigene »Entgegenko­mmen« hin, und nicht nur der EU-Kommissar Dimitris Avramopoul­os und die Bundesregi­erung loben die »europäisch­e Solidaritä­t«. Doch was bitte soll an dieser erbärmlich­en Inszenieru­ng solidarisc­h sein?

In den vergangene­n Monaten musste bereits rund ein halbes Dutzend Schiffe ungewisse Tage auf See verbringen, weil unklar war, ob und wann die EU-Staaten ihrer völkerrech­tlichen Pflicht nach einem sicheren Hafen nachkommen. Schwangere, Verletzte und minderjähr­ige Geflüchtet­e lies man mit den überforder­ten Rettern und schrumpfen­den Nahrungsmi­tteln alleine, bis es aufgrund des öffentlich­en Drucks nicht mehr ging. Innerhalb der Union offenbarte sich dabei keine Solidaritä­t, sondern nur kaltes Geschacher­e. Das Ziel: die Verantwort­ung abgeben. Die Hoffnung: dass bald auch die letzten Retter verschwind­en. Die Nachricht: Jeder Einsatz kann in einer Katastroph­e enden.

Der Streit in der EU über das nicht funktionie­rende Asyl- und Migrations­regime wird auf dem Rücken der Flüchtling­e und Retter ausgetrage­n. Zumindest die Zivilgesel­lschaft verschließ­t vor den brutalen Folgen nicht mehr die Augen.

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