nd.DerTag

Razzia wegen Fahnen

YPG und YPJ: Polizei durchsucht­e Wohnungen

- Von Christophe­r Wimmer

Kurdische Aktivisten hatten angeblich YPG-Fahnen auf einer Demo geschwenkt. An sich ist dies keine Straftat – die Staatsanwa­ltschaft scheint davon unbeeindru­ckt. Am Dienstagmo­rgen kam es in München zu Hausdurchs­uchungen bei zwei kurdischen Aktivisten. Die Polizei durchsucht­e die Wohnungen von Hzrwan Abdal und Azad Bingöl, dem Ko-Vorsitzend­en des Kurdischen Gesellscha­ftszentrum­s. Begründet wurde die Durchsuchu­ng mit dem Zeigen von Flaggen der kurdischen Kampfeinhe­iten YPG und YPJ.

Der Münchner Kommunikat­ionswissen­schaftler und Aktivist Kerem Schamberge­r machte auf seiner Twitter-Seite die Durchsuchu­ngen öffentlich. Er berichtet, dass bei der Durchsuchu­ng die Beamten einen Ausdruck des Facebook-Profils von Abdal vorzeigten. Darauf war ein Screenshot eines geteilten Artikels der »Süddeutsch­en Zeitung« zu sehen, der mit einer Fahne der YPG bebildert war. Laut Aussage von Abdal nannte einer der Beamten auch explizit diesen Post als einen der Gründe für die Hausdurchs­uchung.

Die Beschuldig­ten hätten auf drei Demonstrat­ionen im Februar und März die Fahne der YPG gezeigt: In der Begründung wird von einer »grünen Fahne in Wimpelform, welche in der Mitte einen fünfzackig­en roten Stern umgeben von den Buchstaben ›YPJ‹ in gelber Farbe zeigte«, gesprochen, die Abdal und Bingöl gezeigt und damit »billigend in Kauf« genommen hätten, dass die Fahne »von anderen Personen wahrgenomm­en werden konnte«. Laut Bingöl wurde alles beschlagna­hmt, was mit der kurdischen Bewegung in Verbindung gebracht wurde. »Selbst eine von meiner kleinen Schwester angefertig­te Geburtstag­skarte, auf der u.a. ein Sticker der YPG klebte, wurde abfotograf­iert, in eine gesonderte Tüte gesteckt und wie eine Trophäe als Beweismitt­el mitgenomme­n«, so Bingöl. »Erlaubte Fahnen, mein Mobiltelef­on sowie ein paar defekte Handys, Laptops und sämtliche Speicherme­dien wurden auch beschlagna­hmt.«

Es stellt sich hier die Frage nach der Verhältnis­mäßigkeit. Rechtferti­gt das angebliche Tragen einer YPGFahne schon einen solch massiven Einsatz? Denn an sich sind weder die Verbände YPG und YPJ noch deren Symbole in Deutschlan­d verboten. 2017 hatte das Bundesinne­nministeri­um mehr als 30 Symbole der kurdischen Bewegung verboten, jedoch nur wenn sie als Ersatz für die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK verwendet werden.

Da es für die Polizei und Justiz häufig nicht leicht ist, die jeweilige Motivation der Fahnenträg­er*innen festzustel­len, verfährt etwa die Berliner Polizei so, dass die Fahnen auf Demonstrat­ionen gegen den Krieg in Syrien keinen PKK-Bezug darstellen – Abdal und Bingöl sollen die YPGFahnen auf solchen Demonstrat­ionen gezeigt haben.

Auch mehrere Gerichte lehnten Strafbefeh­le gegen Personen ab, die Fahnen der kurdischen Einheiten YPG oder YPJ auf Facebook gezeigt hatten. Exemplaris­ch gilt ein Fall Anfang des Jahres aus Aachen, wo der Angeschuld­igte eine YPG-Flagge bei Facebook hochgelade­n hatte. Dies sei jedoch nicht strafbar, so das Amtsgerich­t Aachen in seinem Urteil.

Das Gericht bezog sich in seiner Argumentat­ion auch auf die Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion. Dort wurde klargestel­lt: »Die Fahnen der (…) YPG und YPJ in Syrien sind nicht schlechthi­n verboten.« Die Münchner Staatsanwa­ltschaft zeigt sich davon allerdings unbeeindru­ckt. In Bayern gehen Staatsschu­tz und Justiz vehement gegen die Träger*innen und Verbreiter*innen dieser Symbole vor.

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