Razzia wegen Fahnen
YPG und YPJ: Polizei durchsuchte Wohnungen
Kurdische Aktivisten hatten angeblich YPG-Fahnen auf einer Demo geschwenkt. An sich ist dies keine Straftat – die Staatsanwaltschaft scheint davon unbeeindruckt. Am Dienstagmorgen kam es in München zu Hausdurchsuchungen bei zwei kurdischen Aktivisten. Die Polizei durchsuchte die Wohnungen von Hzrwan Abdal und Azad Bingöl, dem Ko-Vorsitzenden des Kurdischen Gesellschaftszentrums. Begründet wurde die Durchsuchung mit dem Zeigen von Flaggen der kurdischen Kampfeinheiten YPG und YPJ.
Der Münchner Kommunikationswissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger machte auf seiner Twitter-Seite die Durchsuchungen öffentlich. Er berichtet, dass bei der Durchsuchung die Beamten einen Ausdruck des Facebook-Profils von Abdal vorzeigten. Darauf war ein Screenshot eines geteilten Artikels der »Süddeutschen Zeitung« zu sehen, der mit einer Fahne der YPG bebildert war. Laut Aussage von Abdal nannte einer der Beamten auch explizit diesen Post als einen der Gründe für die Hausdurchsuchung.
Die Beschuldigten hätten auf drei Demonstrationen im Februar und März die Fahne der YPG gezeigt: In der Begründung wird von einer »grünen Fahne in Wimpelform, welche in der Mitte einen fünfzackigen roten Stern umgeben von den Buchstaben ›YPJ‹ in gelber Farbe zeigte«, gesprochen, die Abdal und Bingöl gezeigt und damit »billigend in Kauf« genommen hätten, dass die Fahne »von anderen Personen wahrgenommen werden konnte«. Laut Bingöl wurde alles beschlagnahmt, was mit der kurdischen Bewegung in Verbindung gebracht wurde. »Selbst eine von meiner kleinen Schwester angefertigte Geburtstagskarte, auf der u.a. ein Sticker der YPG klebte, wurde abfotografiert, in eine gesonderte Tüte gesteckt und wie eine Trophäe als Beweismittel mitgenommen«, so Bingöl. »Erlaubte Fahnen, mein Mobiltelefon sowie ein paar defekte Handys, Laptops und sämtliche Speichermedien wurden auch beschlagnahmt.«
Es stellt sich hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Rechtfertigt das angebliche Tragen einer YPGFahne schon einen solch massiven Einsatz? Denn an sich sind weder die Verbände YPG und YPJ noch deren Symbole in Deutschland verboten. 2017 hatte das Bundesinnenministerium mehr als 30 Symbole der kurdischen Bewegung verboten, jedoch nur wenn sie als Ersatz für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verwendet werden.
Da es für die Polizei und Justiz häufig nicht leicht ist, die jeweilige Motivation der Fahnenträger*innen festzustellen, verfährt etwa die Berliner Polizei so, dass die Fahnen auf Demonstrationen gegen den Krieg in Syrien keinen PKK-Bezug darstellen – Abdal und Bingöl sollen die YPGFahnen auf solchen Demonstrationen gezeigt haben.
Auch mehrere Gerichte lehnten Strafbefehle gegen Personen ab, die Fahnen der kurdischen Einheiten YPG oder YPJ auf Facebook gezeigt hatten. Exemplarisch gilt ein Fall Anfang des Jahres aus Aachen, wo der Angeschuldigte eine YPG-Flagge bei Facebook hochgeladen hatte. Dies sei jedoch nicht strafbar, so das Amtsgericht Aachen in seinem Urteil.
Das Gericht bezog sich in seiner Argumentation auch auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. Dort wurde klargestellt: »Die Fahnen der (…) YPG und YPJ in Syrien sind nicht schlechthin verboten.« Die Münchner Staatsanwaltschaft zeigt sich davon allerdings unbeeindruckt. In Bayern gehen Staatsschutz und Justiz vehement gegen die Träger*innen und Verbreiter*innen dieser Symbole vor.