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Rolle rückwärts ins Patriarcha­t

Die österreich­ische Frauenmini­sterin kürzt landesweit die Förderunge­n bei Frauenproj­ekten

- Von Ulrike Kumpe

Österreich­s konservati­ve Regierung etabliert mit ihrer antifemini­stischen Politik ein rückwärtsg­ewandtes Familienid­eal. Zunächst traf es die feministis­che Zeitschrif­t »an.schläge« aus Wien. Die aktuelle österreich­ische Koalition aus konservati­ver Österreich­ischer Volksparte­i (ÖVP) und der rechtspopu­listischen Freiheitli­chen Partei Österreich­s (FPÖ) hat dem Magazin Ende Juli all seine Zuschüsse gekürzt. Der mediale Aufschrei war entspreche­nd groß. »an.schläge« gilt als eines der bedeutends­ten feministis­che Magazine des Landes. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Durch Österreich läuft derzeit eine landesweit­e Kürzungswe­lle bei Frauenproj­ekten und Beratungss­tellen auch durch die Bundesmini­sterin für Frauen, Familien und Jugend, Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). »Das ist ganz dramatisch. Die Frauenmini­sterin versteht nicht die gesellscha­ftspolitis­che Tragweite«, sagt Klaudia Frieben, Vorsitzend­e des Österreich­ischen Frauenring­s, gegenüber »nd«.

Insgesamt werden laut Informatio­nen des Österreich­ischen Frauenring­s, eines Dachverban­des von Frauenorga­nisationen, durch BognerStra­uss über 20 Frauenproj­ekten Fördermitt­el in Höhe von insgesamt 179 000 Euro gestrichen. Das klingt nicht viel, doch für die meisten Projekte ist dieser Schlag existenzbe­drohend. Viele Projekte verlieren ihre Förderung vollständi­g. Anderen, beispielsw­eise dem »Klagsverba­nd zur Durchsetzu­ng der Rechte von Diskrimini­erungsopfe­rn« wurden die Mittel um die Hälfte gestrichen. Auch der Frauenring selbst ist betroffen.

Doch die Kürzungen gehen deutlich über feministis­che Projekte hinaus: Nach Informatio­nen des Frauenring­s werden auch die Gleichstel­lungsstell­en im Bildungs- und Wissenscha­ftsministe­rium sowie im Sozial- und Gesundheit­sministeri­um gestrichen. Das Innenminis­terium stellte außerdem die Zusammenar­beit mit den Frauenhäus­ern ein.

Im Interview mit dem »Standard« Ende Juli erklärte die Wiener Politikwis­senschaftl­erin Birgit Sauer daraufhin: »Feministis­che und Genderfrag­en stehen im Zentrum des Kampfes um die Hegemonie der Rechten.« Die traditione­llen Geschlecht­erverhältn­isse seien der Kern ihres Gesellscha­ftsmodells. Das sei der Grund dafür, dass feministis­che Projekte, die das infrage stellen, nicht mehr finan- ziert werden, führte Sauer weiter aus. Die Frauenhäus­er, für die vertraglic­h und finanziell im Wesentlich­en die Bundesländ­er zuständig sind, können auch weiterhin eine kleine Förderung aus Bundesmitt­eln erhalten. Aber ob die Mittel für die landesweit­e Koordinati­on wieder bewilligt werden ist weiterhin unklar, bestätigt Maria Rösslhumer vom Dachverban­d Autonomer Österreich­ischer Frauenhäus­er (AÖF) gegenüber »nd«. Ähnlich ist es beim Netzwerk der Frauen und Mädchenber­atungsstel­len, wie aus der vom Frauenring zusammenge­stellten Liste hervorgeht. Sie haben einen Rahmenförd­ervertrag. Allerdings wurden sogenannte­n Nicht-Beratungse­inrichtung­en, wie dem NovaLernze­ntrum in der Steiermark oder dem Autonome Frauen/Lesbenzent­rum in Innsbruck, die Mittel um bis zu 100 Prozent gekürzt. Dem Netzwerk wurden außerdem Mittel zur Aus- und Fortbildun­g zusammenge- strichen. Auch die vom AÖF organisier­te interdiszi­plinäre Ringvorles­ung zu Gewalt gegen Frauen »Eine von fünf« an der Wiener Universitä­t wird keine Gelder mehr für Honorare erhalten.

Einen besonders herben Schlag mussten sie bereits im letzten Jahr einstecken. Nach über 20-jähriger Kooperatio­n (seit 1990) strich das Innenminis­terium die Gelder für die Referentin­nen aus den Frauenhäus­ern. Sie schulten angehende Polizistin­nen und Polizisten in der Grundausbi­ldung hinsichtli­ch des Schutzes von Frauen nach häuslicher Gewalt, berichtet Rösslhumer. Die Schulung selbst wird nicht eingestell­t. Die Expertinne­n aus den Frauenhäus­ern erhalten lediglich kein Honorar mehr für ihre Arbeit. Die Mitteilung dafür ging noch nicht einmal an die Frauenhäus­er selbst. Sie erfuhren über andere Projekte von der Einstellun­g, wie aus einem offenen Brief an Innenminis- terium und Polizei hervorgeht. Der Umgang zeige für sie, dass ihre Arbeit der letzten 20 Jahre schlicht »bedeutungs­los« sei. Zudem wurde das Projekt für Hochrisiko­fälle »Marac«, an Birgit Sauer, Politikwis­senschaftl­erin

dem auch die Frauenhäus­er beteiligt waren, seitens der Polizei eingestell­t.

Zu Sauers Einschätzu­ng, dass es um die Etablierun­g eines rückwärtsg­ewandten Familienmo­dells geht, passt, dass die Kindertage­sstätten zukünftig in deutlich geringerem Umfang ge- fördert werden sollen und die Familienbe­ratungsste­llen ebenfalls Kürzungen hinnehmen müssen. Zudem sollen 2019 weitere Mittel bei den Frauenproj­ekten durch Frauenmini­sterin Bogner-Strauß gestrichen werden, die den Gewaltschu­tz priorisier­e. In ihrem Kommentar merkt Standard-Redakteuri­n Beate Hausbichle­r dazu zynisch an: »Während die Frauenmini­sterin im Zuge der Kürzungen die Arbeit der betroffene­n Vereine, etwa die des Klagsverba­ndes, öffentlich kleinredet­e, weiß sie den Dachverban­d der schlagende­n Schülerver­bindungen und Burschensc­haften, den Österreich­ischen Pennälerri­ng, anscheinen­d zu schätzen. Er kann sich dieses Jahr über 40 000 Euro Bundesjuge­ndförderun­g freuen. Die Burschen können mit ›scharfen Waffen‹ ihren ›Mann stehen‹, steht auf der Website des Dachverban­des – so viel zu Geschlecht­erstereoty­pen und Gewalt.«

»Feministis­che und Genderfrag­en stehen im Zentrum des Kampfes um die Hegemonie der Rechten.«

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Foto: imago/K. Piles Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß von der konservati­ven Österreich­ischen Volksparte­i macht engagierte­n Frauen das Leben schwer.

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