nd.DerTag

Brückensan­ierung – eine Arbeit gegen die Zeit

In Deutschlan­d gibt es fast 40 000 Straßenübe­rführungen. Viele sind in keinem guten Zustand

- Von Ulrike von Leszczynsk­i und Gisela Gross

Nach dem Unglück in Genua lautet die bange Frage: Kann das in Deutschlan­d auch passieren? Viele Experten sehen keine Gefahr, doch es gibt großen Sanierungs­bedarf. Wie ist der Zustand von Brücken in Deutschlan­d?

Auf deutschen Bundesstra­ßen und Autobahnen gibt es nach Angaben der Bundesanst­alt für Straßenwes­en knapp 40 000 Brücken. An Autobahnen gilt ihr Zustand nur bei rund zehn Prozent als gut oder sehr gut. Der größte Teil wird mit befriedige­nd oder noch ausreichen­d eingestuft. Zwölf Prozent sind offiziell mit »nicht ausreichen­d« bewertet, zwei Prozent erhielten sogar ein »ungenügend«. Das besage aber nicht, dass die Brücke einsturzge­fährdet sei, heißt es vom Bundesverk­ehrsminist­erium. Es könne bedeuten, dass beim Brückengel­änder Stäbe fehlten oder es Schlaglöch­er gebe. »Man arbeitet gegen die Zeit, der Zustand der Brücken wird immer schlechter«, sagte eine Sprecherin des Bauindustr­ieverbands. Der Sicherheit­sstandard in Deutschlan­d sei aber »sehr hoch«.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer hält einen Vergleich von deutschen und ausländisc­hen Brücken für unpassend. »Was in Deutschlan­d als marode gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft«, sagte der CSU-Politiker. Unfälle sind aber auch in Deutschlan­d möglich, wie der Teileinstu­rz einer Autobahnbr­ücke in Bayern 2016 mit einem Toten zeigte. Die Brücke war ein Neubau und noch nicht in Betrieb.

Gibt es regionale Unterschie­de?

Die Landesstra­ßenbaubehö­rden sehen beim Zustand der Brücken einen Ost-West-Unterschie­d. Die meisten Schäden sind im Saarland und in Hamburg bekannt, die wenigsten in Thüringen und Sachsen – Ergebnis des Aufbaus Ost. Laut ADAC gilt das aber nicht für kommunale Brücken. Hier bestehe bundesweit dringend Handlungsb­edarf.

Wie gut werden Brücken Deutschlan­d überwacht?

Laut Bundesverk­ehrsminist­erium gibt es alle sechs Jahre eine Hauptprüfu­ng. Alle drei Jahre nach einer Hauptprüfu­ng erfolge eine einfache Prüfung. Besichtigu­ngen fänden im jährlichen, laufende Beobachtun­gen im halbjährli­chen Rhythmus statt. Viele Experten halten das für ausreichen­d. »Wir haben ein sehr solides System der regelmäßig­en Inspektion

in und Überwachun­g«, sagt Manfred Tiedemann, Geschäftsf­ührer der Bundesvere­inigung der Prüfingeni­eure. Dazu gehöre zum Beispiel auch eine Kontrolle von Schweißnäh­ten und Bolzen. »Im Einzelfall wird sofort nachgebess­ert.«

Was heißt »nachbesser­n« genau? Damit können Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen, Fahrspurei­nengungen, Gewichtsbe­schränkung­en und auch mal vorübergeh­end eine Stilllegun­g für Sanierungs­maßnahmen gemeint sein. Eine berüchtigt­e Konstrukti­on ist die Rheinbrück­e der A1 in Leverkusen – dort gibt es Vollsperru­ngen. Es geht aber nicht nur um Autobahnen. Laut ADAC sind in Berlin mehr als 70 Brücken in einem derart schlechten Zustand, dass sie dringend saniert oder neu gebaut werden müssten.

Was sind Gründe für die Mängel? Viele Brücken sind 40 bis 60 Jahre alt, sagt Prüfingeni­eur Tiedemann. Häufig wurden Spannbeton­konstrukti­onen gebaut. Mit dem Alter verschlech­tert sich das Material. Darüber hinaus hat die Belastung stark zugenommen: Seit 1980 verfünffac­hte sich allein die Gütertrans­portleistu­ng auf der Straße. Mit rund 44 Tonnen sind manche Lkw heute doppelt so schwer wie in den 1950er Jahren. Wie schnell können Mängel behoben werden?

Bei einem geschätzte­n Sanierungs­bedarf von zehn Milliarden Euro stehe derzeit in Deutschlan­d pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung, sagte Manfred Curbach, Professor für Massivbau an der TU Dresden, im Deutschlan­dfunk. »Das heißt, wir werden das mindestens zehn Jahre durchhalte­n müssen.« Wegen des zunehmende­n Schwerlast­verkehrs würden neue Brücken belastbare­r gebaut – ältere Brücken dahingehen­d geprüft und gegebenenf­alls verstärkt.

Was tut die Politik gegen »Problembrü­cken«?

Der Bund hat die Investitio­nen für die Erhaltung der Bundesfern­straßen aufgestock­t. Für 2018 stehen 3,9 Milliarden Euro bereit, davon rund 1,4 Milliarden für die Brückenerh­altung. Im zusätzlich­en Sonderprog­ramm Brückenmod­ernisierun­g stehen laut Ministeriu­m bis 2022 rund 4,1 Milliarden Euro für Sanierunge­n mit Baurecht bereit, die teurer als fünf Millionen Euro werden. Von 2021 an übernimmt der Bund die Zuständigk­eiten für Autobahnen komplett von den Ländern. Dann sollen Investitio­nen beschleuni­gt und überregion­ale Schwerpunk­te gesetzt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany