nd.DerTag

Jeden Patienten kann es treffen

Eine Initiative sammelte 5000 Euro und Unterschri­ften zur Unterstütz­ung der Klinikstre­iks

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Eigentlich könnte man annehmen, dass Patient*innen sauer sind, wenn das Klinikpers­onal streikt. Warum der Solidaritä­tsaufruf als ehemalige Patient*innen?

Ja, es gibt zweifellos Patient*innen, die sauer sind. Das ist ja genau einer der Gründe, weshalb ich die Initiative ergriffen habe zu dieser Aktion: Jede und jeder von uns war schon mal Patient oder Patientin oder wird das vielleicht einmal sein. Und da muss sich jeder darüber im Klaren sein, dass miserabel bezahltes, unterbeset­ztes und gehetztes Personal schlecht – wenn nicht sogar tödlich – für die eigene Gesundheit sein kann. Darüber wollte ich mit meiner Initiative aufklären. Es muss umgekehrt sein: Wir alle müssen uns als ehemalige, tatsächlic­he oder mögliche zukünftige Patient*innen darüber freuen, dass im Gesundheit­swesen für besseres Entgelt, bessere Personalau­sstattung und bessere Ausbildung­squalität gekämpft und auch gestreikt wird.

Gab es bereits Reaktionen auf Ihren Aufruf?

Da ich wegen einer Reha-Maßnahme unter zeitlichem Druck stand, hatte ich nicht viel Zeit, Unterschri­ften für den Aufruf zu sammeln. Innerhalb von lediglich einer Woche haben sich eine ganze Menge Patient*innen aus Düsseldorf gemeldet. Allerdings wollten einige nicht öffentlich genannt werden, weshalb wir uns darauf geeinigt haben, nur die Zahl der Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er zu nennen: mit mir 136 aus Düsseldorf und 67 aus ganz Deutschlan­d, die die Aktion gut fanden.

Wollen Sie über den Aufruf hinaus Streikende anderweiti­g unterstütz­en, etwa auf Demonstrat­ionen?

Ja, natürlich. Wir haben 5000 Euro Spenden eingesamme­lt und unseren Aufruf in allen Tageszeitu­ngen in Düsseldorf mit einer Gesamtaufl­age von mehr als 260 000 Stück veröffentl­icht. In mehreren Zeitungen und Lokalradio­s wurde darüber berichtet. Wir sind im Streikzelt präsent, wir werden auf einer Demonstrat­ion sprechen. Wir druckten den Aufruf auch als Flugblatt und verteilten das.

Sie kritisiere­n die unverantwo­rtliche Haltung der Klinik. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Die Verantwort­ungslosigk­eit zeigt sich bereits an den kleinen Dingen: Wenn, wie ich es selbst erlebte, eine Pflegekraf­t für 30 bis 40 Patient*innen zuständig ist, dann ist nicht mehr gewährleis­tet, dass auf die lebensrett­ende Notklingel unmittelba­r reagiert werden kann. Ja, nicht einmal zeitnah wäre das möglich. Ich habe erlebt, dass selbst nach drei Stunden noch niemand kommen konnte. Wie soll dann eine gesundheit­s- oder gar lebensbedr­ohliche Situation, für die die Notklingel ja die letzte Rettung bedeutet, bewältigt werden? Wenn, wie eine mitunterze­ichnende Patientin berichtete, sie dringend auf die Toilette muss, aber wegen der Krankheit nicht kann, und niemand in angemessen­er Zeit auf den Notruf reagiert und sie dann vor das Bett urinieren muss – was kann denn dann sonst noch passieren? Wenn die Hygiene wegen Arbeitshet­ze und Überlastun­g nicht eingehalte­n werden kann und dann Patient*innen durch multiresis­tente Keime zu Tode kommen, dann nenne ich das menschenve­rachtende Verantwort­ungslosigk­eit.

Wäre aber nicht auch die Politik in der Verantwort­ung, mehr Gelder für die Kliniken zur Verfügung zu stellen?

Selbstrede­nd. Die Arbeitskäm­pfe richten sich auch an die Politik. Doch darf nie vergessen werden, wir haben Kapitalism­us und damit kapitalist­ische Politik. Und im Kapitalism­us, das weiß ja nun schon jedes Kind, da regiert der Profit. Auch in den Krankenhäu­sern und in der Politik. Niemand darf erwarten, dass die Politik es richten wird. Nur wenn wir uns selber helfen, wird uns geholfen – Patient*innen und Personal im Gesundheit­swesen gemeinsam. Übrigens bei dieser Gelegenhei­t: Natürlich sind auch die Doktor*innen und Professor*innen an den Kliniken längst dem Zwang zu Gewinn und Effizienz unterworfe­n.

 ?? Foto: dpa/Federico Gambarini ?? Mitarbeite­r des Universitä­tsklinikum­s Düsseldorf protestier­en gegen Personalno­t.
Foto: dpa/Federico Gambarini Mitarbeite­r des Universitä­tsklinikum­s Düsseldorf protestier­en gegen Personalno­t.
 ?? Foto: ethecon ?? Axel Köhler-Schnura ist nicht nur Leiter der Stiftung Ethecon und erfahrener politische­r Aktivist, sondern seit Neuestem auch Initiator eines Solidaritä­tsaufrufs mit den Streikende­n am Universitä­tsklinikum Düsseldorf. Dazu bewogen haben ihn unter anderem seine eigenen Erfahrunge­n als Patient. Über seine Motivation zum Aufruf sprach mit ihm Peter Nowak.
Foto: ethecon Axel Köhler-Schnura ist nicht nur Leiter der Stiftung Ethecon und erfahrener politische­r Aktivist, sondern seit Neuestem auch Initiator eines Solidaritä­tsaufrufs mit den Streikende­n am Universitä­tsklinikum Düsseldorf. Dazu bewogen haben ihn unter anderem seine eigenen Erfahrunge­n als Patient. Über seine Motivation zum Aufruf sprach mit ihm Peter Nowak.

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