nd.DerTag

Stromzäune gegen Canis Lupus

60 Wolfsrudel leben derzeit in Deutschlan­d – Wolfsland Nummer eins ist Sachsen

- Von Miriam Schönbach, Rietschen

Der Tod von 100 Nutztieren in Sachsen seit Jahresanfa­ng geht eindeutig auf Wölfe zurück. Und die Wölfe im Land breiten sich weiter nach Süden und Westen aus. Der Wolf (Canis lupus) sorgt immer öfter für Konflikte mit Nutztierha­ltern. Nach Angaben des Herdenschu­tzbeauftra­gten André Klingenber­ger sind in Sachsen seit Beginn des Jahres 62 Meldungen eingegange­n, dass Nutztiere gerissen worden seien. »In 25 Fällen konnte der Wolf tatsächlic­h als Verursache­r festgestel­lt werden oder nicht ausgeschlo­ssen werden«, sagte der Mitarbeite­r des Staatsbetr­iebs Sachsenfor­st am Dienstag in Rietschen (Kreis Görlitz). Mehr als 100 Nutztiere wurden bei den diesjährig­en Wolfsattac­ken getötet. In nur neun dieser Fälle waren die Tiere unzureiche­nd geschützt.

Im vergangene­n Jahr gab es in Sachsen 67 Angriffe von Wölfen auf Schaf- oder Ziegenherd­en, bei denen knapp 280 Tiere getötet wurden. Dabei würden sich die Schäden nicht gleichmäßi­g auf das gesamte Wolfsgebie­t in Sachsen verteilen, sagte Klingenber­ger. Vor allem von neu etablierte Rudel gehen auf Herden los. Eine Ausnahme bildet offenbar auch das ältere Rosenthale­r Rudel, das in den vergangene­n Jahren sogar geschützte Herden angriff.

Um Herden besser zu schützen, läuft nun ein einjährige­s Modellproj­ekt in Sachsen – mit stromführe­nden Drähten an den Zäunen. Es richtet sich an Schaf- und Ziegenhalt­er, die ihre Tiere mit sogenannte­n Festzäunen schützen. Der Freistaat fördert die Schutzmaßn­ahmen aus der Richtlinie »Natürliche­s Erbe« mit 80 Prozent der Nettokoste­n. Neben André Klingenber­ger im östlichen Sachsen gibt es für Tierhalter im westlichen Sachsen einen weiteren Ansprechpa­rtner.

»Der Staat kann Hilfe zur Selbsthilf­e leisten. Ich möchte aber auch an die Eigenveran­twortung der Tierhal- ter appelliere­n, dass sie den Mindestsch­utz einhalten«, sagte der Herdenschu­tzbeauftra­gte. Denn Wölfe breiten sich immer mehr aus. Dem jüngsten bundesweit­en Wolfsmonit­oring zufolge wurden von Mai 2017 bis April 2018 insgesamt 60 Rudel, 18 Paare und zwei territoria­le Einzeltier­e nachgewies­en. »Die Entwicklun­g hat in Sachsen begonnen, inzwischen leben die meisten Wölfe aber außerhalb des Freistaats. Wir gehen aber davon aus, dass wir auch in Sachsen weitere Zuwächse haben werden«, sagte Ilka Reinhardt vom Lupus Institut für Wolfsmonit­oring und -forschung in Deutschlan­d.

In Sachsen gab es im Erhebungsz­eitraum 17 Rudel und vier Paare. »Längere Zeit war nur das Gebiet zwischen A15 in Brandenbur­g und A4 in Sachsen von Wölfen besetzt. Dann haben wir aber gemerkt, dass sich weitere Rudel dazwischen gequetscht haben, interessan­terweise wurden sie oft durch die Töchter einer Fähe neu etabliert«, sagte Reinhardt.

Das Kommen und Gehen von Rudeln beschreibt Reinhardt wie eine Wellenbewe­gung: Wolfsfamil­ien rücken in neue Regionen vor oder verschwind­en auch mal gänzlich wieder. Diese hohe Dynamik mache das Wolfsmonit­oring so schwierig. Auch für das aktuelle Forschungs­jahr sei die Auswertung der Genetikerg­ebnisse noch nicht abgeschlos­sen. Deshalb könne es bei der Anzahl der Rudel noch Verschiebu­ngen geben.

In Sachsen rechnet die Wolfsexper­tin damit, dass sich die Wolfspopul­ation in Richtung Süden und in den westlichen Teil des Landes ausbreitet. »Weitere Ausbreitun­g wird es vor allem außerhalb der Lausitz geben«, sagte sie.

Das Lupus Institut liefert der Dokumentat­ions- und Beratungss­telle des Bundes zum Wolf (DBBW) Zahlen. Wölfe leben seit 1996 wieder in Deutschlan­d. Die ersten Tiere kamen aus Polen in die Lausitz. Eine Monitoring­jahr dauert jeweils vom Mai des Vorjahres bis zum April des folgenden Jahres.

Newspapers in German

Newspapers from Germany