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Rollt und rollt – und rollt

Fahrschule­n im Osten greifen gern auf das DDR-Moped S 51 von Simson Suhl zurück

- Von Jörg Aberger, Halle

Der Einigungsv­ertrag gewährt den Fahrern von DDR-Kleinkraft­rädern ein kleines Vorrecht. Sie dürfen mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 60 Kilometern pro Stunde fahren – sonst liegt das Limit bei Tempo 45. Mit glänzenden Augen sitzt Toni Kuhnert auf der grünen Simson S 51. Sein Fahrlehrer Marco Rauchhaupt erläutert ihm, wie er das Moped anzutreten hat, wie gekuppelt und geschaltet wird. Der 15-Jährige will bald den Führersche­in AM machen – und dann S 51 fahren. »Es macht einfach mehr Spaß. Dazu sieht das Teil noch besser aus als ein Roller«, schwärmt Kuhnert. Und nicht zuletzt darf er mit seinem Moped etwas, was er mit einem modernen Kleinkraft­rad nicht dürfte: Mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 60 Kilometern je Stunde durch Halle in Sachsen-Anhalt fahren.

Rauchhaupt hat erkannt, dass vor allem Jungs auf das Kultmoped aus DDR-Zeiten abfahren. »Die Mädchen tun sich schwer damit, die Kupplung der Maschine zu ziehen«, hat er beobachtet. Sie nehmen lieber auf einem der modernen Roller Platz, die ein Automatikg­etriebe haben – und bei 45 Kilometern in der Stunde das gesetzlich festgelegt­e Limit erreichen.

Seine S 51 (Baujahr 1967) hat der Inhaber der Fahrschule »Gangart« seit zweieinhal­b Jahren in Betrieb. Eine Werkstatt in Halle-Trotha hat das Zweirad liebevoll wiederaufg­ebaut. Bisher habe es damit noch keinen Sturz, ja nicht einmal eine Schramme gegeben, berichtet Rauchhaupt. Und so glänzt der Lack in der Sonne, reflektier­t der Chrom des Scheinwerf­ers das Licht.

Toni Kuhnert wird nach bestandene­r Prüfung weiterhin mit einer S 51 unterwegs sein. »Die steht schon zu Hause«, erzählt er voll Vorfreude. Ein Freund seiner Eltern hatte das Moped noch in seinem Besitz und es dem Jugendlich­en verkauft. Dass er andere Führersche­in-Neulinge überholen und abhängen wird, liegt an einer Regelung im Einigungsv­ertrag von 1990: Damals wurde vereinbart, dass Kleinkraft­räder aus der DDR, wenn sie nicht mehr als 50 Kubikzenti­meter Hubraum haben und nicht schneller als 60 fahren, den bundesdeut­schen Kleinkraft­rädern gleichgest­ellt werden, für die das Limit bei Tempo 45 km liegt. Einzige Ein- schränkung ist, dass sie vor dem 28. Februar 1992 erstmals in den Verkehr gekommen sein müssen.

Auch andere Fahrschule­n haben das Potenzial der S 51 und ihrer Schwestern erkannt, so etwa in Quirla in Thüringen oder auch im bran- denburgisc­hen Perleberg. Allerdings machen sie zum Teil andere Erfahrunge­n als Rauchhaupt. So ist es bei Uli Pfaffe, der in Markneukir­chen und Bad Elster Fahrschüle­r ausbildet, genau umgekehrt: »Die Jungs sind auch auf die Idee gekommen, den Roller zu nehmen, da man so Zeit für den Verkehr hat – wegen der Automatik.« Dafür sitzt bei ihm eine Fahrschüle­rin auf der S 51. Sie sei »einfach zu kurz für den Roller«, sagt Pfaffe.

Momentan läuft in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenbur­g und Mecklenbur­g-Vorpommern noch ein Modellvers­uch, bei dem das Mindestalt­er für den Führersche­in AM von 16 auf 15 Jahre abgesenkt wurde. Vor allem Jugendlich­e in ländlichen Gegenden sollen damit mobiler werden. So dürfen die 15-jährigen Inhaber der Fahrerlaub­nis AM in diesen Bundesländ­ern Kleinkraft­räder, Mopeds und vierrädrig­e Leichtfahr­zeuge fahren – und damit auch das Moped S 51.

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Foto: dpa/H. Schmidt Toni Kuhnert (r.), Fahrschüle­r aus Halle, auf einer Simson S 51 – neben ihm Fahrlehrer Marco Rauchhaupt

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