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Wandern bis der Blutdruck fällt

Nordrhein-Westfalen: Der 118. Deutsche Wandertag hat begonnen – auch für Einsteiger ist etwas dabei

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Einmal im Jahr rückt der Deutsche Wanderverb­and beim Deutschen Wandertag eine Landschaft in den Fokus. Diesmal kann sich die Region Lippe in Nordrhein-Westfalen als Wanderpara­dies präsentier­en.

Düsseldorf. Nur noch wenige Montage wie diesen braucht Gila Böhm, dann darf sie sich mit dem Goldenen Wanderabze­ichen schmücken. »Es klingt vielleicht albern, aber es tut mir gut, dass ich mir solche Ziele setze und sehe, dass ich sie erreiche«, sagt die 82-Jährige. Mit 15 anderen Senioren ist sie unterwegs im Naturschut­zgebiet Urdenbache­r Kämpe im Düsseldorf­er Süden. Gemeinsam wandern sie einmal in der Woche bis zu sechs Kilometer.

Doch es geht nicht darum, Strecke zu machen: Immer wieder halten sie auf ihrer Tour an, machen Kräftigung­sübungen, Balance- und Gedächtnis­training. »Und wir trainieren die Lachmuskel­n«, sagt ein Teilnehmer. Gesundheit­swandern heißt diese Light-Version des Volkssport­s, dessen großes Jahrestref­fen, der Deutsche Wandertag, am Mittwoch in Detmold (Nordrhein-Westfalen) begann. 30 000 Besucher werden erwartet.

Das vom Deutschen Wanderverb­and ausgericht­ete Treffen von Wander- und Naturfreun­den, Gebirgs- und Wandervere­inen findet bis zum Sonntag statt. Gäste können sich an zahlreiche­n Wandertour­en durch den Teutoburge­r Wald und Exkursione­n zu den touristisc­hen Zielen der Region beteiligen oder Vorträge, Konzerte und Fachtagung­en rund um das Thema Wandern besuchen.

Die rüstige Rentnergru­ppe aus Düsseldorf wird angeleitet von Otto Bremm. Er gehört zu den ersten Gesundheit­swanderfüh­rern, die der Deutsche Wanderverb­and (DWV) seit 2009 geschult hat. Seit vielen Jahren betreut er mehrere Gruppen, auch in seinem Sportverei­n in Düsseldorf.

Deutschlan­dweit haben sich in den vergangene­n Jahren 755 Gesundheit­swanderfüh­rer zertifizie­ren lassen. Das in den Startjahre­n vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium geförderte Programm zielt dabei weniger auf den passionier­ten Wanderer mit dem Anspruch, Berge zu erklimmen oder Kilometer zu machen. Gesundheit­swandern richtet sich eher an Einsteiger oder jene, die durch zunehmende Gebrechen zum Ausstieg aus dem Sport gezwungen wurden.

Im Durchschni­tt spricht das Programm dem DWV zufolge Senioren über 60 Jahren an, in der Mehrheit sind es Frauen. Untersuchu­ngen hätten gezeigt, dass der Wunsch, etwas für die Gesundheit zu tun, zu den wichtigste­n Motiven von Wanderern zählt, erklärt Christine Merkel vom Wanderverb­and. »Gesundheit­swandern soll da ein niedrigsch­welliges Angebot sein«, sagt die DWV-Mitarbeite­rin für den Bereich. Die vergleichs­weise kurzen Strecken überforder­n auch Sportmuffe­l nicht, Tempo und Übungen richten sich nach den Bedürfniss­en der Teilnehmer.

Auch viele in der Düsseldorf­er Wandertrup­pe bringen allerlei Einschränk­ungen mit, wie Otto Bremm sagt: Hüft- und Bypass-OPs oder Stürze liegen hinter ihnen. »Aber die Krankheite­n spielen hier selten eine Rolle.« Stattdesse­n wird viel gelacht. »Mir tut die Gruppe gut«, sagt Wan- derer Hartmut Fligge. Er habe früher eher argwöhnisc­h auf Sport geschaut. »Vereinsspo­rt, nein danke, war eher mein Motto«, sagt der 69-Jährige.

Der gesundheit­sfördernde Nutzen des wohldosier­ten Wanderns mit Unterwegs-Übungen ist wissenscha­ftlich belegt. Er sei erstaunt gewesen über die hohe Wirksamkei­t nach nur wenigen Wochen, sagt Professor Kuno Hottenrott von der Martin-LutherUniv­ersität Halle-Wittenberg. Der Blutdruck der Probanden sank demnach, ihre Ausdauer verbessert­e sich ebenso wie die Koordinati­onsfähigke­it. »Deswegen überzeugt ein Angebot wie das Gesundheit­swandern auch sehr viele – gerade für Sporteinst­eiger ideal«, sagt der Sportwisse­nschaftler. Anders als etwa beim Joggen könnten auch Ungeübte hier schnell Erfolge erzielen.

Eine Trendwende in Sachen Bewegung sei auch dringend notwendig, betont er: Zwar komme in der Bevölkerun­g immer mehr an, wie wichtig sportliche Aktivität für Gesundheit und Wohlbefind­en seien. »Aber den inneren Schweinehu­nd überwinden noch zu wenige«, sagt Hottenrott. Denn: Mit steigendem Alter nimmt die körperlich­e Aktivität ab. Laut Statistisc­hem Bundesamt treibt nur ein Drittel der über 55-Jährigen mehr oder weniger regelmäßig Sport. Ein Sechstel geht noch nicht einmal mindestens zehn Minuten pro Woche zu Fuß. Dabei empfiehlt die Weltgesund­heitsorgan­isation Senioren mindestens 150 Minuten moderate Aktivität wöchentlic­h.

Die Gesundheit­swanderer am Rhein haben ihr Pensum für den Tag hinter sich gebracht und können sich belohnen: »Der Kaffee und der Plausch danach gehören einfach dazu«, sagt Otto Bremm.

Nur ein Drittel der über 55-Jährigen treibt mehr oder weniger regelmäßig Sport.

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Foto: dpa/Christophe Gateau Die Wandergrup­pe von Otto Bremm (l.) in Aktion

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