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Erst Hemingway, dann Proust

Vom Handwerk des Tötens und Anhalten der Zeit: der Actionthri­ller »The Equalizer 2«

- Von Felix Bartels nisher, lizer, Avenger,

Fortsetzun­gen werden verglichen, doch schon der erste Teil von »The Equalizer« musste sich vergleiche­n lassen, allerdings weniger mit der alten Serie (1985–1989) gleichen Titels als vielmehr mit den im selben Jahr 2014 erschienen­en Filmen »John Wick« und »Taken 3«. Antoine Fuqua, der Regisseur beider »Equalizer«-Filme, steht dafür, dass simple Kurzschnit­tware wie »Taken 3« im vollen Ernst nicht mehr vorzeigbar ist. Kampfszene­n müssen ästhetisie­rt werden; also arbeitet er mit bestimmten Farben, Schärfe/Unschärfe, Zooms, Slow Motion, intelligen­ten (nicht bloß schnellen) Schnitten und setzt Close-ups sparsamer ein.

Dennoch schien »John Wick« konsequent­er, indem dort nicht bloß das Visuelle, sondern die gesamte Handlung durchästhe­tisiert und mit unwirklich­en Elementen angereiche­rt war. »The Equalizer 2« hat dieses Gefälle nicht verringert, eher noch abgerüstet. Stilistisc­he Kontinuitä­t ist erkennbar, aber die Mittel sind sparsamer eingesetzt. Gewöhnlich machen Sequels, da sie sich auf den Zauber des Originelle­n nicht verlassen können, es umgekehrt. Diese Fortsetzun­g versucht tatsächlic­h, im Inhalt neue Akzente zu setzen.

Trotz einiger Schwächen im Drehbuch ließ sich mit Figur und Handlung des ersten »Equalizer« einiges anfangen. Robert McCall unterschei­det sich kaum von denen, gegen die er kämpft. Es fällt ihm leicht, Menschen zu töten, aber die Rohheit regiert ihn nicht. Sein Tagesablau­f ist streng, alles wird strukturie­rt. Dieser äußerliche Halt ermöglicht den inneren. So könnte McCall als Metapher für die Staatsgewa­lt verstanden werden: einer von Natur feindliche­n Sache, die ihre Impulse in Form bringt und so aber die Schwachen gegen Feindliche­s schützen kann. Daher auch der Name; McCall ist kein

kein er ist ein einer, der das Gleichgewi­cht herstellt. Der Showdown des ersten Teils machte das symbolisch: McCall kämpft dort mit den Arbeitern eines Baumarkts gegen das einrückend­e Tötungskom­mando, und sie setzen Arbeitsger­äte als Waffen ein – wie seinerzeit die Unterdrück­ten im Bauernkrie­g.

Im ersten »Equalizer« ging es darum, dass etwas Bestimmtes zu können eine Verpflicht­ung ist. »In dieser Welt muss man sein, wer man ist, egal was passiert«, deutet McCall Hemingways Erzählung »Der alte Mann und das Meer«. Folglich arbeitete die Handlung langsam auf McCalls Ent- scheidung zu, seine Fähigkeite­n im Kampf für diejenigen einzusetze­n, die sich nicht selbst helfen können. »The Equalizer 2« macht dieses Ende zu seinem Anfang und betrachtet die Kehrseite: Das Böse zu bekämpfen, ist noch nicht dasselbe wie Gutes zu tun. »All deine Taten«, sagt McCalls Freundin Susan, »werden die Leere in dir nicht auffüllen.« Robert McCall muss zurückkehr­en zum Ursprung, den Verlust seiner Frau. Nachdem Hemingways Novelle im ersten Teil als Leitmotiv diente, wird es hier Marcel Prousts Großroman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«.

Das Sequel fügt damit seinem Vorgänger nachträgli­ch Bedeutung hinzu. Roberts Angewohnhe­it, vor Kämpfen die Zeit zu stoppen, hat nicht nur mit jener Strukturie­rung zu tun, sie lässt sich mit Rücksicht auf Prousts große Erzählung ebenso als Versuch deuten, die Zeit anzuhalten. Er empfindet alle Zeit seit dem Tod seiner Frau als verloren. Er hatte ihr versproche­n, das Handwerk des Tötens aufzugeben. Muss er doch rückfällig werden, hält er die Zeit an. Erst am verlassene­n Küstenort, wo das Paar gemeinsam gelebt hat, stellt sich das Gleichgewi­cht wieder her. Robert war selbst aus den Fugen. Und wie im ersten Teil immer wieder das Motiv des Wassers etabliert wird, um den letzten Akt im Haus des Mafiabosse­s vorzuzeich­nen, organisier­t hier ebenfalls das Wetter den Handlungsl­auf, indem über den Film hinweg der heraufzieh­ende Hurrikan sukzessive gesteigert wird und auf den Showdown vorausweis­t.

»The Equalizer 2« erzählt die Story seines Helden tatsächlic­h weiter (statt sie bloß zu variieren) und knüpft zum anderen ästhetisch an die Vorlage an. Mehr kann man von einem Sequel nicht erwarten. Die kleineren, teils ärgerliche­n Schwächen des Films – aufdringli­ches VielfachHa­ppy-End, die Dummheit eigentlich kampferfah­rener Charaktere, die Orient-Express-Szene am Anfang, als Exposition vor der Exposition offensicht­lich nachträgli­ch vor den Film gesetzt, die alberne Anspielung auf die Fernsehser­ie »Game of Thrones« in der letzten Kampfszene, weil man Pedro Pascal, den Darsteller des Oberyn, zur Hand hatte – bezeigen bloß, dass der industriel­le Charakter des Filmgenres große Produktion­en zwar erst ermöglicht, aber deren künstleris­che Balance immer wieder behindert.

»The Equalizer 2«, USA 2018. Regie: Antoine Fuqua; Drehbuch: Richard Wenk; Darsteller: Denzel Washington, Pedro Pascal, Melissa Leo, Bill Pullman. 121 Min.

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Foto: Sony Pictures Entertainm­ent Deutschlan­d Suche nach der verlorenen Zeit: Robert McCall

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