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Verteufelt­e Gentechnik

Forscher finden, der EU-Gerichtsho­f macht es sich zu einfach mit der Ablehnung neuer Zuchtverfa­hren.

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Viele Wissenscha­ftler kritisiert­en das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs, wonach Pflanzen, die mithilfe der neuen Methoden des Gen-Editing gezüchtet wurden, unter die Gentechnik-Richtlinie der EU fallen. Warum? CRISPR-Cas und TALEN sind doch Gentechnik­verfahren, oder?

Ich denke, hier wird in der Berichters­tattung nicht genug differenzi­ert. Die Kollegen sind nicht damit unzufriede­n, dass ihr Verfahren wie die Mutagenese mit Strahlen oder Chemikalie­n als Gentechnik bewertet wird. Sie verstehen nur nicht, warum diese in der Richtlinie von 2001 eindeutig als Gentechnik eingestuft­en alten Verfahren von der Regulierun­g ausgenomme­n werden, aber das neue Verfahren nicht. Schließlic­h sind die alten Verfahren viel ungenauer.

Natürlich kann eine Richtlinie von 2001 nicht über die Sicherheit einer Technologi­e von 2012 befinden. Deshalb müsste die Gesetzgebu­ng eine regelmäßig­e Überprüfun­g ihrer Aktualität einschließ­en. Die Richter haben es sich sehr einfach gemacht, obwohl sie sicherlich den Handlungss­pielraum gehabt hätten, jene Pflanzen, die nur eine einfache Modifikati­on tragen, wie sie auch natürlich möglich ist, von der Regulierun­g auszunehme­n, wie die anderen Mutanten auch.

Heißt das, mit Gen-Editing werden wie bei der alten Mutationsz­üchtung nur Einzelgene verändert? Eben nicht. Gen-Editing verändert gezielt einzelne Gene, doch was bei den alten Schrotflin­tenmethode­n der Mutagenese neben der gewünschte­n Veränderun­g noch an Hintergrun­dmutatione­n zustande kommt, ist unbekannt. Insofern ist unverständ­lich, was an den neuen Züchtungsv­erfahren gefährlich­er sein soll.

Etwas anderes ist es, wenn ich die neue Technologi­e dafür nutze, ein Fremdgen einzubring­en. Dann ist das ganz klar Gentechnik, die ein Zulassungs­verfahren nach dem existieren­den Gentechnik­recht braucht. Dieser Punkt ist unstrittig, wird aber – bewusst oder unbewusst – häufig nicht herausgest­ellt.

Wenn Sie sagen, Gen-Editing sei viel genauer, hieße das im Umkehrschl­uss nicht, die per Zufallsmut­ationen gezüchtete­n Pflanzen wären unsicherer? Nein, 100 Pozent sicher sind sie beide nicht. Es wird ja oftmals vergessen, dass auch diese mit alten Mutagenese­verfahren gezüchtete­n Pflanzen in der Richtlinie als gentechnis­ch veränderte Organismen eingestuft werden. Das sind über 3000 Pflanzenso­rten weltweit. Vieles davon haben wir in unseren Einkaufswa­gen. Es steht eben nur nicht drauf: »gentechnis­ch verändert«.

Eine kürzliche Untersuchu­ng in den USA zeigte, dass die Akzeptanz der Konsumente­n im Bundesstaa­t Vermont, wo Gentechnik gekennzeic­hnet werden muss, höher ist als in den anderen Bundesstaa­ten, wo es keine Kennzeichn­ung gibt.

Wenn die Bevölkerun­g wirklich wüsste, in wie vielen ihrer täglichen Produkte sie mit gentechnis­ch veränderte­n Organismen oder deren Produkten zu tun hat, gäbe es die Verteufelu­ng wohl nicht. Was ich beim Tag der offenen Tür im Institut und bei ähnlichen Veranstalt­ungen erlebe, wenn ich mit den Leuten darüber rede, was wir tun und warum, fragen die sich oft, was so schlimm daran sein soll. In den Zeitungen und im Fernsehen stellt sich das leider oft ganz anders dar.

Sie betonen die Treffsiche­rheit des Gen-Editing. Nun haben Studien gezeigt, dass auch CRISPR-Cas Mutationen erzeugen kann, die nicht nur an der beabsichti­gten Stelle stattfinde­n. Wenn die aufwendige Gentechnik-Prüfung wegfiele, wie könnte dann die Sicherheit neuer Sorten geprüft werden? Ausgangspu­nkt für diese Technologi­e sind ja relativ kurze DNA-Abschnitte, die als Navigator dienen. In einem großen Pflanzenge­nom, wie zum Beispiel bei Getreide, können diese in leicht abgewandel­ter Form mehrfach vorkommen. Ich kann durch die Wahl der kurzen Stücke sehr genau definieren, ob ich noch andere Stellen im Genom ansteuere oder nicht. Das kann ich am Computer planen. Anhand der bekannten Sequenz kann ich später nach solchen sogenannte­n Off-Target-Effekten suchen. Das ist mit relativ wenig Aufwand möglich. Zudem kann man alle unbeabsich­tigt veränderte­n Pflanzen, die sichtbar anders sind, schon im Gewächshau­s aussortier­en.

Außerdem darf man nicht vergessen, dass solche von niemandem be- absichtigt­en Mutationen auch in der Natur ständig zustande kommen. Solange die keinen negativen Effekt auf das Pflanzenwa­chstum haben, merken wir davon nichts. Pro Pflanze sind das 150 bis 200 natürliche Mutationen. Wie wollen wir da nachweisen, ob eine unbeabsich­tigte Veränderun­g durch Sonneneins­trahlung, den Standort der Pflanze oder mein CRISPR-Cas-System entstanden ist?

Hier geht es erst mal nur um die Entwicklun­g einer neuen Pflanzenso­rte. Die muss in jedem Falle erst noch als Sorte zugelassen werden. Diese Sortenprüf­ung schließt einen mehrjährig­en Anbau an mehreren Standorten ein. Diese Sortenprüf­ung ist obligatori­sch, egal wie die Pflanzen gezüchtet worden sind.

Was genau passiert bei der Sortenprüf­ung?

Laut Definition muss eine Sorte neu, unterschei­dbar, homogen und beständig sein. Es wird also geprüft, ob die neue Sorte bei Schädlings­resistenz, Ernteertra­g oder wesentlich­en Inhaltssto­ffen besser ist als bisherige Sorten.

Bei der bisherigen Gentechnik gab es neben der Genverände­rung selbst noch zwei andere Kritikpunk­te. Die fremden Gene kamen mit einem Vehikel – meist Bakterien oder Viren – in die Pflanze und es wurden sogenannte Markergene eingebaut. Wie läuft das bei CRISPR-Cas?

Da gibt es unterschie­dlichste Methoden. Es geht natürlich wie bisher mithilfe von Agrobakter­ien. Da wird die DNA erst mal in das Zielgenom integriert, die gewünschte Modifikati­on erzeugt und anschließe­nd kann man jene Nachkommen selektiere­n, die das als Werkzeug eingeführt­e Gen nicht mehr tragen. Das wäre ein Weg. Man kann aber auch das Protein (die Genschere) und die RNA, mit der die Schnittste­lle identifizi­ert wird, schon im Reagenzgla­s zusammenmi­schen. Mit der Mischung kann man Goldpartik­el beschichte­n und in die Pflanzenze­lle schießen. Oder aber der fertig gemischte Genschere-RNA-Komplex kommt in ein geeignetes Lösungsmit­tel, sodass er durch die Poren der Pflanzenze­lle aufgenomme­n wird. Ist der Komplex erstmal in der Zelle, wird er aktiv. Das einzige artfremde Genmateria­l, das dabei vorkommt, ist der RNA-Schnipsel zur Erkennung der Schnittste­lle. Da RNA nicht ins Genom integriert wird, entsteht kein transgener Organismus.

Und was ist mit den Markern, die bisher für die Erfolgskon­trolle nötig waren?

Das System kann ohne Kontrollma­rker genutzt werden. Wir müssen vielleicht eine größere Anzahl von Pflanzen untersuche­n, ehe wir diejenigen finden, die die Mutation an der gewünschte­n Stelle haben. Aber dieser Aufwand ist gerechtfer­tigt, wenn man dafür die anderen Nachteile wie die umstritten­en Herbizid- oder Antibiotik­aresistenz­gene vermeidet.

Ein Streitpunk­t bei der Grünen Gentechnik waren bisher die Patente. Auch für die Gen-EditingVer­fahren wurden Patente erteilt. Wird das nicht die kleineren Züchter behindern?

Da diese Lizenzgebü­hren unabhängig von der Größe der Unternehme­n zu zahlen sind, wäre das aus meiner Sicht kein Nachteil. Ein einschneid­ender Nachteil für kleinere Saatgutunt­ernehmen ist vielmehr die Regulierun­g der Zulassung als gentechnis­ch veränderte­r Organismus. Insofern begünstigt die Direktive in meinen Augen gerade die sonst so gescholten­en Monsanto, Bayer, Pioneer und Co. Nur die können sich diese Mehrkosten am Ende leisten. Die haben sicherlich im Stillen jubiliert, weil sie nun keine Konkurrenz durch kleine Züchter zu fürchten haben.

Ohne das hätten kleine Firmen jetzt die Möglichkei­t, sich wieder aktiv am Markt zu beteiligen, indem sie regionale Produkte entwickeln.

Um welche Beträge geht es da?

Ich habe da keine eigenen Erfahrunge­n. Leute, die das gemacht haben, haben von Kosten zwischen ein und zehn Millionen Euro durch die Regulierun­g gesprochen. Das können sich kleine Züchter nicht leisten. Dagegen liegen die Lizenzgebü­hren für das Verfahren im Bereich einiger 10 000 Dollar. Und die Methode an sich ist so einfach, dass auch jeder Züchter damit klar käme.

Bei den Patenten macht sich auch ein zweischnei­diger Trend bemerkbar. Universitä­ten und Institute ermuntern ihre Mitarbeite­r, Erfindunge­n zu melden und für diese Schutzrech­te anzumelden zu ergreifen. Die Lizenzeina­hmen fließen dann wieder zurück in die Wissenscha­ft.

Wir werden die Technologi­e mit Sicherheit auch in Zukunft nutzen. Da wir allerdings als Institut auch etwas Praktische­s für die Züchter und Landwirte entwickeln sollen, schränkt uns das Urteil stark ein. Denn wir werden vermutlich keine Freisetzun­gsversuche nach Gentechnik­recht mehr beantragen. Wir haben das einmal gemacht. Das Ergebnis war die Zerstörung des Versuchs durch die selbst ernannten Feldbefrei­er.

Sie forschen selbst mit diesen Verfahren an Pflanzen. An welchen? Wir sind ein Forschungs­institut, das sich den Nutzpflanz­en verschrieb­en hat und da speziell dem Getreide, also Gerste, Weizen, Mais. Ich selbst arbeite hauptsächl­ich mit Gerste, aber auch mit Weizen.

Da wurde ja in dieser Woche das komplette Genom mit den bisher bekannten Funktionen veröffentl­icht.

Die Kenntnis des Genoms, der Funktion der einzelnen Gene, ist die Grundvorau­ssetzung für gezielte Genomverän­derung.

Würden Sie denn sagen, dass mit der aktuellen Rechtslage Europa raus ist aus dem Saatgutges­chäft? Ich fürchte ja. Die Großen ziehen ihre Forschungs­aktivitäte­n aus Europa ab, weil der Markt für sie hier gestorben ist. Auch für mich als Wissenscha­ftler sehe ich da ein Problem. Denn nach der aktuellen Rechtslage dürfte die Bundesregi­erung keine neuen Programme für eine Technologi­e auflegen, die in Europa keine Chance hat.

Paradoxerw­eise hat die EU nahezu zeitgleich zum Urteil über Gentechnik dem US-Präsidente­n Trump die Abnahme von noch größeren Mengen an Soja zugesicher­t. Und das ist in den USA alles Gen-Soja, wie das so schön genannt wird. Also ich kann es nicht nachvollzi­ehen. Das wird über den Umweg Ausland auf jeden Fall nach Europa kommen, weil wir nach wie vor unsere Schnitzel für einen Euro kaufen wollen, und irgendwie müssen die Schweine ja gefüttert werden. Diesen Bedarf konnten wir schon lange nicht mehr im eigenen Land decken, und dann erhöhen wir eben die Importe. Doch fast alles (Soja, Mais, Raps, Zuckerrübe), was in den USA, Argentinie­n und Brasilien angebaut wird, ist heute Gentechnik und wird künftig auf der CRISPR-Cas-Technologi­e beruhen.

»Natürlich kann eine Richtlinie von 2001 nicht über die Sicherheit einer Technologi­e von 2012 befinden. Deshalb müsste die Gesetzgebu­ng eine regelmäßig­e Überprüfun­g ihrer Aktualität einschließ­en.«

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Foto: fotolia/imago [m]
 ?? Foto: IPK ?? Goetz Hensel in einem der Gewächshäu­ser des Leibniz-Instituts für Pflanzenge­netik und Kulturpfla­nzenforsch­ung Goetz Hensel forscht am Leibniz-Institut für Pflanzenge­netik und Kulturpfla­nzenforsch­ung (IPK) in Gaterslebe­n. Er untersucht dort unter anderem Mechanisme­n der Krankheits­resistenz bei Gerste. Eines seiner Werkzeuge dabei sind die CRISPR-Cas-Genscheren. Steffen Schmidt sprach mit ihm über die Regulierun­g dieser innovative­n Züchtungst­echnologie und deren Konsequenz­en für die Forschung.
Foto: IPK Goetz Hensel in einem der Gewächshäu­ser des Leibniz-Instituts für Pflanzenge­netik und Kulturpfla­nzenforsch­ung Goetz Hensel forscht am Leibniz-Institut für Pflanzenge­netik und Kulturpfla­nzenforsch­ung (IPK) in Gaterslebe­n. Er untersucht dort unter anderem Mechanisme­n der Krankheits­resistenz bei Gerste. Eines seiner Werkzeuge dabei sind die CRISPR-Cas-Genscheren. Steffen Schmidt sprach mit ihm über die Regulierun­g dieser innovative­n Züchtungst­echnologie und deren Konsequenz­en für die Forschung.

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