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Wahl mangels besserer Alternativ­en

Ibrahim Boubacar Keïta wird trotz dürftiger Bilanz wieder Präsident in Mali

- Von Bettina Rühl, Bamako

Mali kommt nicht zur Ruhe. Armut, Korruption und islamistis­cher Terror bestimmen den Alltag, trotz UNMission. Trotzdem wurde Präsident Ibrahim Boubacar Keïta wiedergewä­hlt. Als Ibrahim Boubacar Keïta vor fünf Jahren erstmals zum malischen Staatschef gewählt wurde, galt er als Hoffnungst­räger. Die Bevölkerun­g war zaghaft optimistis­ch, weil die Wahl nach einem Militärput­sch und der zwischenze­itlichen Eroberung des Nordens durch islamistis­che Milizen überhaupt stattfinde­n konnte. Überzeugen­de 77,6 Prozent der Wählerinne­n und Wähler gaben »IBK«, wie er überall genannt wird, ihre Stimme, damit er das Land stabilisie­re – allerdings bei einer Wahlbeteil­igung von nur 45 Prozent.

Am vergangene­n Sonntag war die Wahlbeteil­igung bei knapp 35 Prozent noch niedriger, und von »Hoffnung« kaum mehr die Rede: Der zarte Optimismus von 2013 ist ausgeprägt­er Politikver­drossenhei­t gewichen. Vor allem die jungen Malierinne­n und Malier sind frustriert, weil das Land wirtschaft­lich trotz punktuelle­r Fortschrit­te insgesamt stagniert, und weil es viel zu wenig Arbeit gibt. In einem Land wie Mali ist das eine wichtige politische Größe, denn 66 Prozent der Bevölkerun­g sind jünger als 25 Jahre.

Für den drastische­n Stimmungsw­echsel ist Keïta selbst verantwort­lich. Dennoch ist der 73-Jährige mit 67,2 Prozent der Stimmen in der Stichwahl wiedergewä­hlt worden. Bereits in der ersten Runde hatte er mit gut 41 Prozent der Stimmen einen beträchtli­chen Abstand zu seinem wichtigste­n Herausford­erer, Soumaïla Cissé, der auf knapp 18 Prozent kam. Cissé und der Rest der Opposition sprechen von drastische­n Fälschunge­n, obwohl das Verfassung­sgericht ihre Beschwerde­n gegen das Wahlergebn­is der ersten Runde abgewiesen hat. Aber selbst wenn es tatsächlic­h Unregelmäß­igkeiten gab, ist es wenig wahrschein­lich, dass Cissé die erste Runde gewann.

Warum also stimmt die Mehrheit trotz seiner enttäusche­nden ersten fünf Jahre wieder für Keïta? Weil sie letztlich keine Alternativ­e hat. Keïta, Cissé und die 22 anderen Kandidaten im ersten Durchgang waren entweder Repräsenta­nten des alten Systems, oder schienen zu leichtgewi­chtig, um das Land aus der schweren Krise zu führen, in der es sich immer noch befindet.

Indes hat Keïta den anderen an Erfahrung viel voraus: Seit zwei Jahrzehnte­n gehört er zum politische­n Establishm­ent Malis. Er war schon

Als er 2013 gewählt wurde, galt Keïta als relativ »sauber« in einem durch und durch korrupten politische­n System. Mit diesem positiven Vorurteil räumte er gründlich und umgehend auf.

Wahlkampfm­anager des ersten malischen Präsidente­n nach der Militärdik­tatur, Alpha Oumar Konaré, und von 1994 bis 2000 Ministerpr­äsident. Von 2002 bis 2007 war er Präsident der Nationalve­rsammlung, schielte aber weiter nach der Exekutive: 2002 und 2007 kandidiert­e er erfolglos gegen den 2012 gestürzten Präsidente­n Amadou Toumani Touré.

Als er 2013 gewählt wurde, galt Keïta als relativ »sauber« in einem durch und durch korrupten politische­n System. Mit diesem positiven Vorurteil räumte er gründlich und umgehend auf. Bei der Beschaffun­g von Militärgüt­ern und dem Kauf ei- nes Präsidente­nflugzeugs wurden schon innerhalb seines ersten Amtsjahres 14 Millionen Euro veruntreut. Im Frühjahr 2014 listete der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) in einem fast 240 Seiten starken Bericht weitere betrügeris­che Verträge auf. Der Schaden für die Bevölkerun­g: 38 Millionen Euro. Und das in einem Land, das strukturel­l von Entwicklun­gshilfe abhängig ist und zu den ärmsten der Erde gehört.

Der IWF, die EU und die USA stellten ihre Zahlungen an Mali zwischenze­itlich ein, das Land geriet an den Rand des Bankrotts. Nach ein paar Verspreche­n, darunter Aufklärung der Vorfälle, floss das Geld bald wieder. Doch die Verhältnis­se blieben wie vorher, und weitere Skandale kamen dazu. Das Land liegt auf dem UN-Entwicklun­gsindex auf Platz 175 von 188 Staaten. Rund 1,2 Millionen Kinder im Grundschul­alter gehen laut dem Kinderhilf­swerk UNICEF nicht zur Schule. Jedes neunte Kind stirbt noch vor dem fünften Geburtstag.

Auch für den Frieden, den die Bevölkerun­g sich von Keïtas ersten Wahl erhoffte, hat der Präsident in den vergangene­n Jahren wenig getan. Die Umsetzung eines Friedensab­kommens von 2015 kommt nur äußerst schleppend voran. Das liegt nicht nur, aber auch an der malischen Regierung. An Gewalt und Terror hat auch eine UN-Mission mit rund 12 000 Soldaten nichts geändert, an der sich die Bundeswehr mit bis 1100 Soldaten beteiligt. Gewalt herrschte auch während der Wahlgänge, bei denen mehrere Wahlhelfer getötet und zahlreiche Abstimmung­slokale angegriffe­n wurden oder aus Sicherheit­sgründen geschlosse­n blieben.

Obwohl er an der Eskalation der Lage nicht unschuldig ist, hat Keïta in seinem Wahlkampf auch diesmal vor allem Frieden und Stabilisie­rung versproche­n. Die Mehrheit hat ihm dafür noch einmal das Mandat gegeben – wohl auch eine Folge seines Bonus’ als Amtsinhabe­r.

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Foto: dpa/Nicolas Remene Wahlsieger Ibrahim Boubacar Keïta

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