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Ein Veto aus reinem Kalkül?

Polens Präsident Andrzej Duda hat die Wahlrechts­reform der Regierungs­partei PiS gestoppt

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Der polnische Präsident Andrzej Duda hat am Donnerstag ein Veto gegen die von der Regierungs­partei PiS vorgeschla­gene Wahlrechts­reform eingelegt. Sie würde bei der Europawahl 2019 große Parteien bevorzugen. Denn nach dem Gesetz müssten Parteien mindestens 16,5 Prozent der Stimmen erreichen, um Mandate im EU-Parlament zu erhalten. Dies entspreche mitnichten der proportion­alen Vertretung des politische­n Spektrums, so Duda.

Nach jedem Veto des Staatschef­s rätseln die Polen darüber, was ihn dazu bewogen habe. Ist er tatsächlic­h kühn genug, dem informelle­n Strip- penzieher Jarosław Kaczyński den Gehorsam zu versagen? Oder handelt Duda erneut aus reinem Kalkül, um PiS-Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und bald ein Gesetz mit ähnlicher Stoßrichtu­ng vorzulegen? »Das angekündig­te Veto wurde vorher mit Kaczyński abgesproch­en und soll Duda nach seinen letzten Fehlern den Rücken stärken«, glaubt jedenfalls die TVN-Journalist­in Katarzyna Kolenda.

Erst Ende Juli haben einstige PiSKollege­n den Präsidente­n harsch brüskiert. Der »nationalko­nservative« Senat hatte dessen Vorschläge für ein Verfassung­sreferendu­m abgelehnt und anschließe­nd seine Umfragewer­te rapide sinken lassen. Hä- mische Parteifreu­nde scherzten, sie hätten Duda gerettet, weil die geringe Wahlbeteil­igung eine weitaus größere Demütigung gewesen wäre. Diesen Eindruck wollte der Präsident freilich gar nicht erst aufkommen lassen. So war er danach sichtlich bestrebt, seiner Präsidents­chaft neuen Sinn einzuhauch­en. Am 15. August etwa, einem Nationalfe­iertag, wusste er sich geschickt als Oberbefehl­shaber in Szene zu setzen. Und nur einen Tag später durfte er seine »VetoMuskel­n« spielen lassen.

Auch wenn Duda keine Gelegenhei­t auslässt, um die Bedeutung seiner Befugnisse herauszust­ellen, stellt sich am dritten Jahrestag seiner Präsidents­chaft die Frage: Wie eigen- ständig ist er wirklich? Die erste umstritten­e Entscheidu­ng traf Duda bereits im Dezember 2015, als er mit seiner nächtliche­n Unterschri­ft im Eiltempo drei PiS-Richter am Verfassung­sgericht installier­te. Von da an konnte er nur mühsam das Kostüm einer Marionette abstreifen. Sein Veto gegen die Justizrefo­rm im Juli 2017 weckte zwar neue Hoffnungen, doch aus heutiger Sicht wirkt es eher wie eine Retourkuts­che gegen seinen einstigen Weggefährt­en Zbigniew Ziobro. Zumal die Reform letztlich in einer fast unveränder­ten Form von ihm abgesegnet wurde.

Hätte Duda schon vor der Lähmung des Verfassung­sgerichts von seinem Vetorecht Gebrauch ge- macht, würde er sich vielleicht heute des Rufs eines fähigen Staatsmann­s erfreuen und die PiS hätte bei allen weiteren Entscheidu­ngen weniger Druck ausgeübt. Stattdesse­n geriet er zwischen alle Fronten. Parteifreu­nde, jedoch auch viele Wähler, waren erbost. Und dann stellte sich Duda vor einigen Wochen auch noch kläglich vor Kaczyński, als dieser darauf bestand, die Vorsitzend­e des Obersten Gerichts rasch in den vorzeitige­n Ruhestand zu schicken – ein Fanal für die Opposition. Dabei wäre das doch ein guter Moment gewesen, um einzuschre­iten. Jedenfalls geeigneter, als bei der Wahlordnun­g oder bei dem Referendum, die Krönung seiner Fehlschläg­e.

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