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Der Wunderbrun­nen am Ebertplatz

Nordrhein-Westfalen: Wie ein früherer Angstort in Köln zum beliebten Treffpunkt wurde

- Von Jonas-Erik Schmidt, Köln

Noch im letzten Winter mieden die Kölner am liebsten den Ebertplatz nördlich der Altstadt. Im Oktober war dort ein Mann getötet worden. Heute gilt der Platz als GroßstadtO­ase. Was ist passiert? Die Sonne ist schon fast untergegan­gen, aber niemand denkt daran, nach Hause zu gehen. Es herrscht Festival-Stimmung auf dem Ebertplatz in Köln – vergleichb­ar mit der Stimmung, wenn die letzte Band schon gespielt hat und man noch ein bisschen vor den Zelten zusammensi­tzt. Nur: Es gibt auf dem Kölner Ebertplatz keine Band. Nur einen Brunnen. Und dass drum herum trotz einbrechen­der Dunkelheit noch Menschen sitzen, kann als kleines Wunder gelten.

Im Herbst 2017 galt der Ebertplatz, eine Art Beton-Schlund im Norden der Stadt, als praktisch nicht mehr zu retten. Wer ihn überqueren musste, tat das oft mit einem ziemlich mulmigen Gefühl und so schnell wie möglich. Drogendeal­er haben sich in den vergangene­n Jahren breitgemac­ht, der Brunnen in der Mitte war stillgeleg­t, mehrere Rolltreppe­n abgeschalt­et. Der Platz war leergefegt, ein Angstort. Im Oktober 2017 wurde ein 22-Jähriger erstochen, es soll sich um einen Streit im DrogenMili­eu gehandelt haben. Der Prozess läuft noch.

In deutschen Städten gibt es einige solcher Plätze, die erst vernachläs­sigt und dann irgendwann aufgegeben werden. Am Kölner Ebertplatz lässt sich etwas beobachten, das man in solchen Fällen oft gar nicht mehr für möglich hält: eine Rückerober­ung.

Nachdem die Gewalteska­lation den Platz auch deutschlan­dweit in die Schlagzeil­en gebracht hatte, war es in der Stadtpolit­ik hektisch geworden. Köln, Straßenkri­minalität, großer Platz: Für das Kölner Image ist das eine toxische Kombinatio­n – Stichwort Silvestern­acht. Mit Blick auf den Ebertplatz gab es weitgehend­e Einigkeit, dass die Probleme auch mit der unglücklic­hen Architektu­r zu tun haben: Der Platz ist schlecht einsehbar und hat dunkle Ecken. Ein Komplettum­bau ist aber erst ab 2020 möglich. Im März wurde daher ein sogenannte­s Zwischennu­tzungskonz­ept beschlosse­n. Es wurde Geld lockergema­cht und mit Anwohnern und Initiative­n an einem Kulturprog­ramm gearbeitet.

Man kann sagen, dass der Ebertplatz dann mit einer recht naheliegen­den Idee endgültig wachgeküss­t wurde: Der Brunnen wurde repariert und wieder angestellt. Der Metallbild­hauer Wolfgang Göddertz hatte die »Wasserkine­tische Plastik« einst entworfen. Das Besondere ist, dass der Brunnen begehbar und eigentlich ein Wasserspie­lplatz ist, auf dem es kreuz und quer spritzt. Die Legende besagt, dass Göddertz die Idee zu dem Brunnen beim Teelöffels­pülen kam.

»Ich habe mir wirklich den Mund fusselig geredet. Niemand wollte oder konnte sich richtig vorstellen, welche Wirkung der Platz haben kann, wenn der Brunnen läuft«, berichtet Grischa Göddertz, sein Sohn. Schon sein Vater habe sich die Zähne daran ausgebisse­n, den Ende der 1990er aus Kostengrün­den abgestellt­en Brunnen wiederzube­leben. Aber erst im Jahr nach seinem Tod 2016 kam wieder Bewegung in die Sache. Der Sohn hatte sich den Brunnen bereits im Sommer 2017 angeschaut. Danach wurde überschlag­en, was eine Restaurier­ung kosten würde. Als die Diskussion im Herbst hochkochte, gab es schon Zahlen – 230 000 Euro wurden am Ende veranschla­gt.

»Jetzt erklärt sich alles von selbst«, sagt Göddertz. »Der Brunnen ist jetzt das Hauptargum­ent für Leute, sich rund um den Platz zu engagieren, zum Beispiel indem sie Blumen gießen.« Eltern mit ihren Kindern kommen nun zum Ebertplatz, um im Wasser zu spielen. Dazu wurde eine Holzplattf­orm zum Sitzen gebaut. Selbst die stillgeleg­ten Rolltreppe­n sollen nun umgebaut und zu Kunstwerke­n werden – unter anderem zu einer Aussichtsp­lattform und einer Rutsche. »In Bayern fährt man zu einem See in den Voralpen, in Köln fährt man mitten in der Stadt zum Ebertplatz«, sagt der Künstler Oliver Kruse, der eine der Rolltreppe­n umfunktion­ieren wird.

Die Dealer sind nach Angaben der Polizei zwar immer noch nicht vertrieben. Aber sie bestimmen nicht mehr das Gesicht des Ebertplatz­es. Nun überlegt man, wie es im Winter weitergehe­n kann, wenn der Brunnen nicht mehr läuft.

»Die Frage – nicht nur am Ebertplatz – ist ja: Was machen wir mit unseren Plätzen?«, sagt Nadine Müseler vom Kölner Kulturamt. Wenn niemand mehr komme, werde häufig nach Polizeikon­trollen gerufen – damit sich nicht Kriminelle breitmache­n. »Da ist das Modell, sich einen Platz mit Kultur, Veranstalt­ungen und partizipat­iven Aktionen zurückzuer­obern, sicherlich vielverspr­echender.«

Der Platz gilt als schlecht einsehbar und hat dunkle Ecken. Ein Komplettum­bau ist aber erst ab 2020 möglich.

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Foto: dpa/Oliver Berg Abends am Brunnen auf dem Kölner Ebertplatz

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