nd.DerTag

Wenn Wein in falsche Hände gerät

- Christoph Ruf über Leipziger Fußballfan­s und die sächsische Polizei

Es ist in manchen Kreisen zu einem Volkssport geworden, sich über die Arbeit der Polizei lustig zu machen. In Kreisen zumal, in denen man gern länger ausschläft und Überstunde­n nur vom Hörensagen kennt. Wenn die beiden Stichworte »Polizei« und »Sachsen« fallen, wird kübelweise Hohn und Spott ausgeschüt­tet, und das unter völliger Missachtun­g aller Tatsachen. Nun könnte einem das herzlich egal sein, schließlic­h weiß man, dass derjenige, der am lautesten brüllt, nur selten die besseren Argumente hat.

Mitnichten hinzunehme­n ist es aber, wenn die gleichen Menschen, die den Behörden in dem einen Fall Versagen vorwerfen, dann die Polizei kritisiere­n, wenn die mal etwas genauer hinschaut. Was wurde nicht auf die sächsische­n Behörden geschimpft, als die Untaten von Frau Zschäpe und ihren Freunden ans Tageslicht kamen? An ein Tageslicht im Übrigen, das viele der auffällig unauffälli­g schwarzgek­leideten Jungspunde in Leipzig-Connewitz und anderen rechtsfrei­en Räumen nur vom Hörensagen kennen.

Aber man kann eben nicht einerseits die Polizei kaputtspar­en und dann auch noch verlangen, dass sie überall, wo Not am Mann ist, mit Hundertsch­aften vertreten ist. Konkret: Man kann nicht jedes Fußballspi­el – und nur völlig Ahnungslos­e würden bestreiten, dass jedes Fußballspi­el ein Risikospie­l ist – mit Mann und Maus, Pferden und Wasserwerf­ern schützen und dann noch jede schwarz gefärbte Beate mit Hitlerbild­chen im Keller beim Kuchenkauf­en beschatten. Da müssen halt auch mal Prioritäte­n gesetzt werden.

Das Gleiche gilt für den Verfassung­sschutz, der ja nun wirklich nah dran war an den Uwes, Andrés, Wolles und Beates und – in durchaus guter Absicht – auch dafür gesorgt hat, dass die drei (mehr waren es ja nicht) sich und ihren Freunden sonntags auch mal eine Eierscheck­e kaufen konnten. Aber seien wir froh, dass diese Geschichte nun restlos aufgeklärt ist, da kann sich der Verfassung­sschutz anderen Aufgaben zuwenden: den Fans der BSG Chemie Leipzig zum Beispiel.

Und nur Menschen, die nun wirklich noch nie etwas von der Kunst des Beschatten­s und Belauschen­s gehört haben, können sich dann auch wundern, dass über einen einzelnen Fan 18 000 Seiten Gesprächsp­rotokoll gefertigt werden. Natürlich haben die sogenannte­n Fans ihre Schenkelkl­opfer gehabt, als sie ein paar Journalist­en darüber berichtete­n, dort stehe auch, dass sie »Parmesan, Nudeln und eine Flasche Wein« zum Abendessen mitbringen wollen. Doch auch dazu mal – aus fachlicher Sicht – zwei Bemerkunge­n. Erstens: Wie groß wäre wohl der öffentlich­e Aufschrei, wenn man nur 17 000 Seiten erstellt hätte und auf Seite 17 123 fällt plötzlich der EINE Satz, so was wie: »Mausi, ich bringe uns dann auch noch ’ne Packung Eis zum Nachtisch mit – und außerdem lehne ich die Bundesrepu­blik Deutschlan­d total ab.« Richtig, der Aufschrei wäre riesengroß. Und: Seien wir mal nicht so naiv: Für Menschen wie Sie und mich ist eine Flasche Wein eine Flasche Wein. Aber wenn eine Flasche Wein in die falschen Hände gerät – und das tut sie in diesen Kreisen immer – dann ist aus ihr so schnell ein Molotowcoc­ktail gebaut, so schnell können Sie gar nicht gucken! Doch anstatt Staat, Polizei und Justizmini­sterium, wie das früher üblich gewesen wäre, einen kleinen Dankesbrie­f zu schreiben, wird selbst an der Sprache herumgemäk­elt. Verräteris­ch seien Wendungen wie »negative Elemente der Leipziger Fanszene«, heißt es dann. Ich sage: Sprache muss Sprache bleiben. Und negativ darf nicht plötzlich positiv heißen!

Nächstes Beispiel: Ein Leipziger Fan ist verhört worden, weil er mit Wasserbomb­en um sich geworfen hat? Man hat nach »Kaufbelege­n bzw. Unterlagen zum Kauf bzw. zur Bestellung von Wasserbomb­en« gesucht? Richtig so. Es ist nur ein kleiner Schritt von der Wasserbomb­e zur Wasserstof­fbombe und dass man in der Studi-Butze keine Materialie­n zur Bombenhers­tellung (verharmlos­end »Luftballon«) gefunden hat, heißt doch nur eines: Der Mann hat Mitwisser! Die einzige logische Konsequenz kann also nur sein, die Operation auszuweite­n. Selbst Greenpeace weist schließlic­h immer wieder darauf hin, dass die nächsten globalen Kriege um Wasser geführt werden. Sachsen, das angeblich so reaktionär­e Land, war also mal wieder an der Spitze des Fortschrit­ts. Sie sehen das anders? Dann können Sie ja bei der nächsten Landtagswa­hl einfach mal was anderes wählen. Sehen Sie, und jetzt können wir endlich mal gemeinsam herzlich lachen.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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