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Früher war mehr Blockade

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Richtig ist: Dass die Nazis ihr Gedenken für Rudolf Heß nicht in Spandau abhalten konnten, ist ein Erfolg. Nicht einmal im Ansatz kamen die Rechten auch nur in die Nähe des Ortes, an dem bis 1987 jenes Kriegsverb­rechergefä­ngnis stand, in dem Hitlers Stellvertr­eter bis zu seinem Suizid einsaß. Für die Anhänger des NS-Regimes wäre es das Größte gewesen, hier ihr geschichts­revisionis­tisches Weltbild zu feiern.

Und doch bleibt ein fader Beigeschma­ck: Über 700 Nazis sind marschiert, viele Kilometer. Nicht durch den westlichst­en Bezirk, sondern durch die Innenstadt. Weil die Rechten ihren Rückzug aus Spandau bereits in ihre Planungen eingepreis­t hatten, stand eine Alternativ­route durch Friedrichs­hain und Lichtenber­g bereit. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Plan nicht erst am Sonnabend reifte, diese Route zu nutzen. Präsentabe­l war die Strecke entlang der Landsberge­r Allee allemal. Zumal die doppelspur­igen, breiten Straßen es der Polizei leicht machten, Nazis und Gegenprote­ste strikt zu trennen.

Blockaden? Wären entlang dieser Route nur unter der Beteiligun­g Tausender möglich. Doch die waren nicht nur durch den plötzliche­n Ortswechse­l verwirrt und brauchten daher lange, um sich neu zu organisier­en. Es waren schlicht zu wenige. Von den »nur« 2500 Antifaschi­sten in Spandau machten sich längst nicht alle auf den langen Weg in die Innenstadt.

Was bleibt, ist die Frage, ob Blockaden gegen Menschenha­ss derzeit noch funktionie­ren und sich überhaupt genug Menschen dafür mobilisier­en lassen. Es ist ja nicht der erste Rückschlag in den letzten Monaten. Bundesweit gesehen liegen die letzten großen Erfolge antifaschi­stischer Proteste mit diesem Konzept ebenfalls lange zurück. In Dresden gelang es ab 2010, Europas damals größten Naziaufmar­sch über mehrere Jahre hinweg durch Blockaden so oft zu be- und verhindern, bis die Rechten aufgaben. Dafür brauchte es einen Konsens in der Gesellscha­ft, den Rechten nicht die Straße zu überlassen. In Berlin hat er dieses Mal gefehlt.

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Foto: nd/Anja Märtin Robert D. Meyer über die Proteste gegen den Heß-Marsch

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