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Kein neues Kapitel für Griechenla­nd

Opposition und Ökonomen kritisiere­n katastroph­ale Folgen des Sparzwangs

- Von Simon Poelchau

Am Montag endete das dritte Kreditprog­ramm für Griechenla­nd. Die Krise in dem Land ist damit noch längst nicht vorbei. Geht es nach EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici, dann hat Griechenla­nd ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufgeschla­gen. »Nun kann ein symbolisch­er Schlussstr­ich unter eine existenzie­lle Krise des Euro-Währungsge­biets gezogen werden«, erklärte Moscovici anlässlich des planmäßige­n Ausscheide­ns Griechenla­nds aus dem dritten Kreditprog­ramm am Montag. Die umfangreic­hen Reformen, die Griechenla­nd durchgefüh­rt hat, hätten den Grundstein für eine nachhaltig­e Erholung gelegt. Doch nicht jeder sieht das wie Moscovici.

Acht Jahre lang war das Land weitgehend von den Kapitalmär­kten abgekoppel­t und hat dafür Kredite von den internatio­nalen Gläubigeri­nstitution­en erhalten. Im Rahmen von drei Kreditprog­rammen flossen insgesamt 288,7 Milliarden Euro an Darlehen.

»Tatsächlic­h kamen von den sogenannte­n Rettungspr­ogrammen weniger als fünf Prozent den griechisch­en Bürgerinne­n und Bürgern, der Infrastruk­tur oder Regierungs­vorhaben direkt zugute«, erklärte der LINKE-Vorsitzend­e Bernd Riexinger am Montag. Hunderte Milliarden an öffentlich­en Geldern seien in den Schuldendi­enst geflossen, wovon auch deutsche Banken profitiert­en.

Die harten Reformen, zu denen der Internatio­nale Währungsfo­nds, die EU-Kommission, die Europäisch­e Zentralban­k und später auch der Eurorettun­gsschirm ESM Athen verpflicht­eten, hatten Riexinger zufolge massive negative Auswirkung­en auf die griechisch­e Bevölkerun­g. »Die Arbeitslos­enquote besonders unter Frauen und Jugendlich­en ist hoch, das Gesundheit­ssystem musste kaputt gespart werden«, so der LINKE-Politiker. »Insgesamt hat Griechenla­nd 25 Prozent seiner Wirtschaft­skraft verloren.«

»Griechenla­nd steht am selben Punkt, im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag

»Insgesamt hat Griechenla­nd 25 Prozent seiner Wirtschaft­skraft verloren.« Bernd Riexinger

tiefer darin. Auch, weil die Sparvorgab­en der Gläubiger Investitio­nen und den Konsum behindern«, sagte Griechenla­nds ehemaliger Finanzmini­ster Yanis Varoufakis der »Bild«-Zeitung. Auch Grünenpoli­tiker kritisiert­en am Montag die Sparauflag­en. »Die harte Kaputtspar­politik, die von der Bundesregi­erung massiv vo- rangetrieb­en wurde, hat viel Schaden im Land angerichte­t«, sagten die beiden Bundestags­abgeordnet­en Sven-Christian Kindler und Franziska Brantner in einer gemeinsame­n Erklärung.

Dabei bleibt Athen weiterhin unter der Fuchtel der EU-Kommission. Im Gegenzug für Liquidität­spuffer und verlängert­e Kreditlauf­zeiten musste sich das Land verpflicht­en, bis 2023 ohne Berücksich­tigung des Schuldendi­enstes einen Überschuss von 3,5 Prozent im Staatshaus­halt und bis 2060 ein Plus von 2,2 Prozent zu erwirtscha­ften. »Eine solche Haushaltsv­orgabe ist ein fundamenta­les Misstrauen­svotum gegenüber der griechisch­en Politik«, so der Griechenla­ndexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Alexander Kritikos. Es werde viele griechisch­e Regierunge­n erheblich darin einschränk­en, durch staatliche Investitio­nen Wachstum zu fördern und die Wirtschaft­stätigkeit anzukurbel­n.

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