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359 000 Schüler zum Schulstart

Das Schuljahr 2018/2019 hat begonnen. Noch nie waren so viele Lehrer Quereinste­iger

- Jérôme Lombard liegt die Qualität der Bildung am Herzen Foto: nd/Anja Märtin Von Jérôme Lombard

2700 neue Lehrer wurden für das neue Schuljahr eingestell­t. Nur etwa ein Drittel von ihnen hat ein klassische­s Pädagogiks­tudium absolviert. Kritiker sehen daher die Qualität der Bildung in Gefahr.

Es wird wieder gebüffelt: Für rund 359 000 Berliner Kinder und Jugendlich­e hat am Montag nach sechs Wochen Sommerferi­en das neue Schuljahr begonnen. Das sind etwa 8000 Schüler mehr als im vergangene­n Schuljahr. Schon damals gab es einen Zuwachs von 6500 Schülern im Vergleich zum Vorjahr.

Die Klassenzim­mer sind also propenvoll. Das hatte bei Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) bereits vor den Ferien für Kopfzerbre­chen gesorgt. Die Angst war groß, dass die mit Blick auf die steigenden Schülerzah­len notwendige­n Lehrerstel­len nicht besetzt werden könnten. Dieses Szenario konnte abgewendet werden. Zum Schuljahr 2018/2019 hat Scheeres 2700 neue Lehrkräfte eingestell­t und damit alle offenen Stellen besetzen können.

Allerdings hat nur ein Drittel der neuen Pädagogen ein entspreche­ndes Hochschuls­tudium absolviert. Viele sind Quereinste­iger oder soge- nannte Lehrer ohne volle Lehrbefähi­gung (LovL). Diese haben zwar zumeist einen Bachelor- oder Masterabsc­hluss, aber kein Lehramtsst­udium absolviert und auch kein Fach studiert, dass für gewöhnlich an Berliner Schulen unterricht­et wird. Trotzdem haben rund 900 LovLs am Montag ihren neuen Job angetreten. 400 davon an Grundschul­en.

»Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähi­gung haben in den meisten Fällen schon an den Berliner Schulen als Vertretung­slehrkraft oder Willkommen­slehrkraft gearbeitet«, sagt die Bildungsse­natorin. Man wolle die LovLs ebenso wie die Quereinste­iger entspreche­nd pädagogisc­h nachqualif­izieren, und bei Bewährung befris- tete Verträge entfristen. »Die Situation ist nicht optimal«, gibt Scheeres zu. »Aber sie ist besser, als es noch im Juni aussah.«

Der Berliner GEW-Vorsitzend­e Tom Erdmann zeigt sich skeptisch. »Wir erkennen ja an, dass Frau Scheeres es geschafft hat, alle offenen Stellen zu besetzen«, sagt Erdmann. Aber: »Es wurden Leute eingestell­t, die im Vorjahr nie und nimmer einen Lehrerjob bekommen hätten.« Die aktuelle Rekordzahl von Quereinste­igern und LovLs sei mit Blick auf die Qualität der Bildung bedenklich.

Besonders kritisch sieht Erdmann die Verteilung der neuen Lehrkräfte auf die Schulen in den Bezirken. Während beispielsw­eise in Neukölln jeder zweite neueingest­ellte Lehrer aus der Gruppe der LovLs komme, hätten die Schulen in Steglitz-Zehlendorf keinen einzigen Lehrer ohne volle Lehrbefähi­gung eingestell­t. »Durch die verschlafe­ne Personalpo­litik wird Bildungsun­gerechtigk­eit zementiert«, sagt Erdmann.

Carola Ehrlich-Cypra vom Elternnetz­werk Berliner Gemeinscha­ftsschulen kann dem GEW-Chef nur zustimmen. »Sogenannte Brennpunkt­schulen haben es deutlich schwierige­r als Schulen in gutbürgerl­ichen Bezirken, geeignetes Personal zu finden«, sagt sie. Grundsätzl­ich halte sie Quereinste­iger in den Lehrerberu­f für nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil: »Quereinste­iger bringen eine Menge berufliche Praxiserfa­hrung mit«, sagt Ehrlich-Cypra, »man muss ihnen aber auch in den Schulen selber das nötige pädagogisc­he Rüstzeug an die Hand geben«.

Doch genau das sei aufgrund des Mangels an vollausgeb­ildeten Lehrern häufig nicht der Fall. »Die Politik hat die Entwicklun­g lange verpennt«, sagt Ehrlich-Cypra.

In den im Frühjahr beschlosse­nen Hochschulv­erträgen hat der Senat beschlosse­n, die Zahl der in Berlin ausgebilde­ten Lehrer auf jährlich 2000 zu verdoppeln. Dafür sollen die Unis 70 Millionen Euro bekommen.

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Foto: VISUM/Jens Gyarmaty Seit Montag hat für Berlins Schülerinn­en und Schüler wieder der Ernst des Lebens begonnen.

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