Geheimsache Führerklo
In Nürnberg beleuchtet die Schau »Hitler.Macht.Oper« ein wichtiges Feld der NS-Propaganda
Als Propagandamittel hatte das Hitlerregime auch die Musik eingesetzt. Wie das geschah, vermittelt zurzeit eine Sonderausstellung im »Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände« in Nürnberg. Mit Männern des gemeinen Volks am Pinkelbecken stehen, das wollte Adolf Hitler wohl nicht, wenn ihn beim Genuss einer stundenlangen Komposition Richard Wagners die Blase drückte. Und so ließ sich der Diktator im Nürnberger Opernhaus ein Extra-Klo einrichten. Erreichen konnte er das Gemach durch ein Türchen in der »Führerloge«. Sie war 1935 auf Weisung des braunen Machthabers in dem 1905 erbauten Musentempel der Frankenmetropole geschaffen worden. Vermutlich sollte die Existenz des Sonderlokus nicht bekannt werden, wurde doch der Ausstattungsplan für die Loge gleich mehrfach mit dem Vermerk »Geheim!« bestempelt.
Zu sehen ist die Zeichnung noch bis Februar 2019 im Dokumentationszentrum am ehemaligen Reichsparteitagsgelände im Rahmen der Ausstellung »Hitler.Macht.Oper«. Seine Macht, so wird dort durch Dokumente, historische Fotos und Infotafeln illustriert, nutzte der »Führer« nicht nur zum Anordnen des Logenbaus. Zugleich ließ er im Opernhaus zum Ärger vieler Nürnberger die vertrauten Jugendstilelemente entfernen, Stuck abschlagen, Emporen abbrechen, prunkvollen Wandschmuck durch »heldische« Bilder ersetzen. Von »Verschandeln« war insgeheim unter Bürgern die Rede.
Das Innere des Hauses sollte ganz dem nationalsozialistischen Geist entsprechen, den Hitler auf den Reichsparteitagen beschwor. Die Wechselbeziehung zwischen Oper und jenen Monumentalveranstaltungen sind ein wesentliches Thema der Ausstellung, die auf 530 Quadratmetern mit über 350 Exponaten aufwartet, darunter Ton- und Filmaufzeichnungen vom propagandistischen Geschehen in der Frankenmetropole während der NSDiktatur.
Deren Selbstinszenierung auf den Parteitagen begann auf Hitlers Weisung mit Richard Wagners Oper »Die Meistersinger von Nürnberg«. Ausführlich widmet sich die Ausstellung diesem Werk, in dessen deutschtümelnde Elemente die Nazis nutzten und aus dem sie gern zitierten. So etwa der Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes »Der Stürmer«, Frankens Gauleiter Julius Streicher. Wie die Besucher des Dokuzentrums erfahren, gab er 1938 mit den bekannten Meistersinger-Worten »Nun fanget an« einem Arbeitstrupp den Befehl, mit dem Abriss der Nürnberger Synagoge zu beginnen.
Wenig bekannt sein dürfte, dass Judenhasser Streicher die Reichsführung bat: Man möge die Aufführung seiner Lieblingsoperette »Schwarzwaldmädel« auch künftig in Nürnberg erlauben, obwohl sie von dem jüdischen Komponisten Leon Jessel stammt und Werke »nichtarischer« Urheber nicht mehr auf die Bühnen gebracht werden durften.
Briefe, die Streichers Wunsch belegen, sind ebenso unter den Exponaten wie Zeugnisse NS-typischer Gigantomanie. So beispielsweise Berichte über »Europas größte Orgel«: Ein fünfmanualiges, mit 220 Registern ausgestattetes Instrument, welches das Hitlerregime in die Nürnberger »Luitpoldhalle« bauen ließen und mit dem während der Reichsparteitage unter anderem Anspra- chen Hitlers umrahmt wurden. Während des Krieges wurde die Riesenorgel zerstört.
Für einen gigantischen optischen Rahmen der Naziaufmärsche auf dem Parteitagsgelände sorgten, wie Fotos zeigen, die »Lichtdome«. Bei Dunkelheit hoch in den Himmel ragend, strahlend aus über 150 Scheinwerfern, die eigentlich für den Kriegseinsatz gedacht waren – um feindliche Flugzeuge für den Abschuss anzuleuchten. Jene Lichtsäulen trugen mit dazu bei, den Parteitagspektakeln neben der Demonstration militärischer Präsenz so etwas wie eine sakrale Atmosphäre zu verleihen. Sie waren wichtiger Teil des Rituals, das der Mann auf der »Führerkanzel« des Reichsparteitagsgeländes zu zelebrieren befahl. Die Kanzel auf dem »Zeppelinfeld« neben dem Dokuzentrum gibt es noch, das Führerklo im Opernhaus nicht mehr. Hitlers Loge war im Krieg beschädigt worden, ihr Foyer wurde vorübergehend von den Amerikanern als Offiziersbar genutzt. Später verschwand der ganze »VIPBereich« im Rahmen eines Umbaues.
Die Ausstellung »Hitler.Macht.Oper« ist noch bis zum 3. Februar 2019 im Dokuzentrum Reichsparteitagsgelände zu sehen: Nürnberg, Bayernstraße 110. Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr.