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»Tatort«-Erfinder

Gunther Witte gestorben

- Von Erik Schmidt

Die größte Erfindung von Gunther Witte gehört mittlerwei­le zu Deutschlan­d wie Bier und Fußball – und sie ist an fast jedem Sonntag im Fernsehen zu sehen. Gunther Witte hat den »Tatort« erfunden, damals, 1969. Dass der Kommissar die Hauptfigur ist und es immer auch um ein gesellscha­ftliches Problem geht, war seine Idee. Nun ist der frühere WDRFernseh­spielchef, der das deutsche Fernsehen veränderte wie kaum ein anderer, tot. Witte starb überrasche­nd bereits am vergangene­n Donnerstag (16. August) im Alter von 82 Jahren in Berlin, wie der WDR am Montag in Köln mitteilte.

Witte war 1963 beim WDR gelandet, zunächst als Redakteur und Dramaturg in der Abteilung Fernsehspi­el, später wurde er ihr Leiter. Aufgewachs­en war Witte, der 1935 in Riga (Lettland) zu Welt kam, in Berlin. Nach dem Studium der Theaterwis­senschafte­n und einem Engagement in Karl-Marx-Stadt ging er in den Westen.

1969 bekam er als einfacher Redakteur den Auftrag, eine Krimiserie zu entwickeln. Obwohl Witte gar nicht als Krimiexper­te galt, ahnte er schon, dass da etwas auf ihn zukommen könnte. »Damals war das ZDF ja noch ganz frisch und hat auf dem Gebiet der Unterhaltu­ng unheimlich viel gemacht«, berichtete er. »Da mussten wir was dagegenhal­ten.« Aus einem eher hastig entwickelt­en Konzept wurde dann ein deutsches Kulturgut und ein Quotengara­nt. Im vergangene­n Jahr schafften die Münsterane­r Ermittler Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) satte 14,6 Millionen Zuschauer – die höchste Zuschauerz­ahl seit 25 Jahren für einen »Tatort«.

Das Regionalpr­inzip der Reihe hat sich Witte ausgedacht: Die ARDSender schicken ihre eigenen Er- mittler in den eigenen Städten im Sendegebie­t los. Vor dem Start der »Tatort«-Ära war er allerdings auch nicht ganz sicher, ob das funktionie­ren kann. »Ich wusste ja, dass es nirgendwo auf der Welt eine Krimireihe mit zehn verschiede­nen Kommissare­n gab«, gestand er später. »Ich hatte ganz schön Muffensaus­en.« 1970 ging mit »Taxi nach Leipzig« der erste »Tatort« auf Sendung.

Von 1979 bis 1998 war Witte Leiter der Abteilung Fernsehspi­el beim WDR. Auch an anderen bekannten Produktion­en war er beteiligt, unter anderem an Volker Schlöndorf­fs »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«. In seine Zeit als Fernsehspi­elchef fiel auch der Start der »Lindenstra­ße«. 2001 erhielt Witte den Grimme-Preis. Man tritt Gunther Witte allerdings nicht zu nahe, wenn man sagt, dass von seinem Schaffen vor allem der »Tatort« in Erinnerung bleiben wird. Er hatte wie viele andere Fans der Reihe übrigens auch einen Lieblingse­rmittler: Schimanski (Götz George). Noch im Ruhestand ärgerte ihn allerdings, dass er Regisseur Rainer Werner Fassbinder einst einen »Tatort« verweigert hatte. »Im Nachhinein muss ich wirklich sagen: Das war ein Fehler, und das tut mir leid.«

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Foto: dpa/Georg Wendt

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