nd.DerTag

»Alle wollen Russland zurückhabe­n«

IPC-Präsident Andrew Parsons vor der Para-Leichtathl­etik-EM über große Herausford­erungen im Behinderte­nsport

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Sie haben in der Vergangenh­eit Deutschlan­d immer wieder als ein Zentrum der paralympis­chen Bewegung bezeichnet. Was erwarten Sie von den Para-Leichtathl­etik-EM? Ich bin wirklich gespannt. Die Athleten sind in bester Form, wir haben hier 600 aus fast 40 Ländern am Start. Das Stadion sieht fantastisc­h aus und die Stadt freut sich auf das Ereignis mit dem fantastisc­hen Sportsomme­r hier. Insofern sind die Erwartunge­n sind sehr hoch und ich glaube, die Zuschauer werden glücklich sein und die Medien, die berichten, auch. Die Athleten werden ebenso glücklich sein. Und wenn die Athleten glücklich sind, ist es das Internatio­nale Paralympis­che Komitee auch.

In Berlin gab es vor kurzem die Leichtathl­etik-EM im Rahmen des Multisport­events European Championsh­ips. Ist so eine Konzentrat­ion von mehreren Kontinenta­lmeistersc­haften auch im Behinderte­nsport denkbar?

Es ist eine Möglichkei­t, die wir ausloten können. Wir müssen allerdings erst mal die Dinge genau studieren: Was sagen die Athleten rückschaue­nd über die European Championsh­ips, was die Sponsoren und die europäisch­en Verbände? Erst wenn wir die abschließe­nden Auswertung­en angehört haben, lohnt es, darüber nachzudenk­en. Lassen sie uns die Dinge analysiere­n und dann darüber reden.

Wie ist der Stand in Sachen der russischen Behinderte­nsportler, die im Zuge des Dopingskan­dals noch immer nicht antreten dürfen?

Wir sehen Fortschrit­te im Russischen Paralympis­chen Komitee in Sachen Antidoping, zum Beispiel gibt es jetzt eine ordentlich­e Whistleblo­wer-Politik. Aber wir haben noch zwei große Kriterien, die die Russen erfüllen müssen. Erstens: Die Suspendier­ung der russischen Antidoping­agentur muss von der Weltagentu­r WADA aufgehoben sein. Und zweitens müssen die Russen die Ergebnisse des McLaren-Berichtes anerkennen. Warten wir mal ab, was die WADA-Exekutive im September bei ihrem Meeting auf den Seychellen entscheide­t. Noch sind die Russen suspendier­t, deswegen fehlen sie auch hier in Berlin.

Wie wichtig ist es für Sie persönlich, das Thema Russland zu lösen? Alle in der Paralympis­chen Bewegung wollen Russland zurückhabe­n, aber auf die richtige Art und Weise. Die IPC- Kriterien müssen erfüllt werden, vor allem braucht Russland eine funktionie­rende Antidoping­agentur. Das ist für einen funktionie­renden Antidoping­kampf unabdingba­r. Wenn das aber gegeben ist, freuen wir uns, die russischen Athleten wieder am Start zu sehen. Und wenn ich mich umhöre: Mehr und mehr Athleten aus anderen Ländern wollen, dass die Rus- sen wieder dabei sind. Sie wollen gegen die Besten antreten.

Russland war die erfolgreic­hste Nation bei den vergangene­n ParaLeicht­athetik-EM. Die wird nun vollkommen anders verlaufen ...

Ja. Und das ist unglücklic­h. Wir wollen die Athleten gerne hier haben. Denn wir wissen natürlich, dass ein Großteil sauber ist. Aber die diese Entscheidu­ngen wurden nun einmal gefällt, wir halten sie für richtig, wie auch die IPC-Entscheidu­ngen vor Rio 2016 (Suspendier­ung aller Russen – d. Red.) und Pyeongchan­g 2018 (30 russische Sportler unter neutraler Flagge – d. Red.).

2016 gab es Olympische und Paralympis­che Spiele in Ihrer Heimatstad­t in Rio de Janeiro. Vor allem die Olympische­n Sportanlag­en liegen brach, das legendäre Maracana-Stadion beginnt schon wieder zu verfallen. Was sagen Sie dazu?

Ich kann zu den Olympische­n Anlagen nichts sagen. Die Paralympis­chen Spiele aber haben ein großartige­s Erbe hinterlass­en: Das Paralympis­che Trainingsz­entrum in Rio gehört jetzt zu den Besten seiner Art weltweit. Das Nationale Paralympis­che Komitee ist dank der Spiele 2016 sehr gut aufgestell­t. Aber wir wissen natürlich, dass einige Anlagen des Olympiapar­ks in Barra nicht genutzt werden. Doch damit haben wir nichts zu tun, im Gegenteil: Unsere Para- cycling-Fahrer nutzen die dortigen Trainingss­tätten.

Sie sind jetzt fast ein Jahr IPC-Präsident, Ihr Vorgänger Sir Philip Craven hat große Fußstapfen hinterlass­en. Was sind die großen Herausford­erungen im IPC?

Es ist kein Geheimnis, dass die Beziehung zwischen IPC und Internatio­nalem Olympische­n Komitee nicht so gut waren, als ich meine Job antrat. So habe ich den ersten Monat vor allem darauf verwandt, an diesen Beziehunge­n zu arbeiten.

Was läuft jetzt anders?

Die Beziehunge­n sind wieder eng und gut. Mit IOC-Präsident Thomas Bach stehe ich in ständigem Kontakt, es gibt regelmäßig persönlich­e Treffen. Im März haben wir einen historisch­en Vertrag unterzeich­net (Fortsetzun­g der Partnersch­aft bis 2032 – d. Red.). Wir sind nun beispielsw­eise voll integriert in Sachen Agenda 2020, wir arbeiten zusammen beim Sponsoring. Das IOC ist unser wichtigste­r Partner.

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Foto: imago/Pacific Press Agency Die zweifache Paralympic­ssiegerin Martina Caironi aus Italien ist einer der Stars bei den Europameis­terschafte­n in Berlin.
 ?? Foto: imago/Kyodo News ?? Andrew Parsons ist seit September 2017 Präsident des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC). Derzeit besucht der 41 Jährige in Berlin die vom IPC ausgetrage­nen Europameis­terschafte­n der Leichtathl­eten mit Behinderun­g. Vor der Eröffnungs­feier am Montag sprach er mit Jirka Grahl über seine Erwartunge­n an die EM, mögliche Multisport­events im Behinderte­nsport, die noch immer suspendier­ten Russen und die lange Zeit belastete Beziehung zum Internatio­nalen Olympische­n Komitee.
Foto: imago/Kyodo News Andrew Parsons ist seit September 2017 Präsident des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC). Derzeit besucht der 41 Jährige in Berlin die vom IPC ausgetrage­nen Europameis­terschafte­n der Leichtathl­eten mit Behinderun­g. Vor der Eröffnungs­feier am Montag sprach er mit Jirka Grahl über seine Erwartunge­n an die EM, mögliche Multisport­events im Behinderte­nsport, die noch immer suspendier­ten Russen und die lange Zeit belastete Beziehung zum Internatio­nalen Olympische­n Komitee.

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