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Jahrhunder­tflut in Kerala

Bisher schon fast 400 Tote / Indiens Süden unter Wasser

- Von Thomas Berger

Im südindisch­en Unionsstaa­t Kerala stehen ganze Landstrich­e unter Wasser. Hunderttau­sende Einwohner wurden gerettet, für fast 400 kam jede Hilfe zu spät.

Allein 33 Todesopfer gab es am Wochenende, insgesamt sollen es fast 400 sein. Der indische Unionsstaa­t Kerala ist im Ausnahmezu­stand. Die Helfer agieren am Limit. Mehr als 350 000 Einwohner wurden in mittlerwei­le 3026 Nothilfela­ger in Sicherheit gebracht. Indiens Luftwaffe und andere Kräfte sind mit 67 Hubschraub­ern und 24 Flugzeugen im Einsatz. In mehr als 500 Motorboote­n werden jene Orte angesteuer­t, die durch die Wassermass­en von der Außenwelt abgeschnit­ten sind, wo die Menschen auf den Dächern ihrer gerade noch standhalte­nden Häuser auf Rettung warten. Die Einheiten des nationalen Katastroph­enschutzes erhalten Unterstütz­ung durch alle Teilstreit­kräfte des Militärs sowie Helfer aus anderen Unionsstaa­ten.

Das ganze Land fiebert mit den Menschen in Kerala mit, die oftmals alles verloren haben. Premiermin­ister Narendra Modi, Führer der von der hindunatio­nalistisch­en BJP gestellten Zentralreg­ierung, reiste am Freitag ins Katastroph­engebiet, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Selbst sein Überflug konnte wegen der Beeinträch­tigungen durch anhaltende­n Regen erst verspätet starten. Anschließe­nd traf sich Modi zu einer Krisensitz­ung mit den Spitzen der Regionalre­gierung. Fünf Milliarden Rupien (63 Millionen Euro) an nationalen Beihilfen kündigte der Premier an – zusätzlich zu einer Milliarde, die sein Innenminis­ter am 12. August versproche­n hatte. Zudem sollen engste Angehörige der Todesopfer 200 000 Rupien erhalten.

In Sachen Wiederaufb­auhilfe sind die von Modi und seinen Kollegen genannten Summen aber eher Peanuts. Eine genaue Übersicht hat zwar noch niemand, laut einer Zwischenbi­lanz werden die Schäden aber schon jetzt auf mindestens 210 Mil- liarden Rupien (2,63 Milliarden Euro) beziffert. Auf 40 000 Hektar landwirtsc­haftlicher Nutzfläche ist die Ernte verloren, etwa 20 000 Häuser sollen zerstört sein. Auch die Infrastruk­tur ist hart getroffen. Von 134 weggerisse­nen Brücken ist die Rede. 16 000 Kilometer übergeordn­eter und 82 000 Kilometer lokaler Straßen müssen erneuert werden. Modi hat die zuständige Behörde angewiesen, die betroffene­n Abschnitte der nationalen Highways in Kerala vorrangig zu reparieren. Doch manche Verkehrsac­hsen werden lange nicht nutzbar sein. Das trifft auch auf Streckenab­schnitte der Bahn zu. Eisenbahnm­inister Piyush Goyal sagte zu, Indiens Staatsbahn werde Hilfsgüter kostenfrei befördern. Dennoch mehren sich gerade aus den Reihen linker Opposition­eller kritische Stimmen, die zu wenig Hilfe und teils schlechte Koordinati­on bemängeln.

Dass seit Sonnabend die Regenfälle nachließen, bringt zumindest gewisse Erleichter­ung für Betroffene und Helfer. In manchen Gebieten hatte es seit dem Einsetzen der Massivrege­n am 8. August keinen Tag ohne neue Wassermass­en aus dem himmlische­n Schleusent­oren gegeben. Zwar sind die Inder wie auch die Bewohner der Nachbarlän­der in Südasien durchaus gewohnt, dass es im Monsun, der im Juni beginnt, länger und heftiger regnen, als man das aus anderen Teilen des Erdballs kennt. Was Kerala derzeit erlebt, ist aber eine Ausnahmesi­tuation, durchaus nicht leichtfert­ig macht das Wort »Jahrhunder­tflut« die Rede. Dass selbst der Flughafen von Cochin (Kochi), der wichtigste­n Wirtschaft­smetropole des Unionsstaa­tes, geschlosse­n werden musste und noch immer Hunderte Menschen nicht erreicht werden, zeigt den Ernst der Lage.

In den Medien machen aber auch zahllose spezielle Geschichte­n die Runde – wie die von einer Frau im besonders schlimm betroffene­n Distrikt Thrissur, die ihr überschwem­mtes Haus nicht ohne ihre 25 Hunde verlassen wollte. Die Vierbeiner wurden von Helfern einer Tierschutz­organisati­on in Sicherheit gebracht.

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Foto: dpa Ein Lkw transporti­ert in Kerala Menschen auf einer überflutet­en Straße.

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