nd.DerTag

Kämpferisc­h

- Von Martin Ling

Alle 67 Senator*innen in Argentinie­n haben ihre Zustimmung zu Durchsuchu­ngen in Wohnungen der früheren Präsidenti­n Cristina Fernández de Kirchner erteilt. Und da Cristina Fernández de Kirchner selbst Senatorin ist, heißt das, sie auch. Das wiederum heißt nicht viel, hätte sie dagegen gestimmt, würde sie den gegen sie seit Langem in Umlauf befindlich­en Korruption­svorwürfen erst recht neue Nahrung geben.

Que se vayan todos (sie sollen alle abhauen), war der auf die gesamte politische Klasse gemünzte Slogan in der tiefen Wirtschaft­sund Gesellscha­ftskrise um die Jahreswend­e 2001/2002. Es gingen nicht alle, sondern es kamen die Kirchners aus der Provinz Santa Cruz in Patagonien. 2003 wurde Néstor Kirchner zum Präsident gewählt, 2007 seine Frau Cristina und das wohl geplante Wechselspi­el an der Staatsspit­ze wurde durch den plötzliche­n Tod von Néstor 2010 verhindert. Cristina Kirchner trat 2011 nochmals an, gewann wieder, aber mehr als zwei direkt aufeinande­rfolgende Amtszeiten lässt die Verfassung nicht zu. So wurde 2015 Daniel Scioli ins Rennen geschickt, der dem neoliberal­en Mauricio Macri unterlag. Gerüchtewe­ise hieß es damals, dass das den Cristina-Fans ganz recht gewesen sei, denn so könnte sie 2019 wieder kandidiere­n. Von ihr selbst wurde eine erneute Kandidatur bisher nicht offen ins Spiel gebracht.

An der 65-jährigen Linksperon­istin scheiden sich die Geister. Die einen sehen sie als Kämpferin für die Armen und Entrechtet­en, die anderen als linksautor­itäre Rechthaber­in, die Familie und Familienko­nten über alles stellt. Schon 2008 wurden erste Korruption­svorwürfe gegen sie und den Kirchner-Clan laut, nach dem Ende ihrer Amtszeit 2015 und bevor sie als Senatorin seit Ende 2017 Immunität erlangte, wurden Prozesse gegen sie angestreng­t, die allesamt noch nicht abgeschlos­sen sind. Wenn die Hausdurchs­uchungen zur Aufklärung der Vorwürfe beitragen, wäre dies zu begrüßen. Vorerst bleibt offen, ob Kirchner politisch motiviert verfolgt wird, wie sie meint, oder aus guten Gründen, wie die Staatsanwa­ltschaft meint.

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Foto: AFP/HO Cristina Fernández de Kirchner steht unter Korruption­sverdacht

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