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LKA-Mann bringt CDU in Bedrängnis

Sächsische­r Landtag arbeitet Journalist­enangriff bei Pegida-Demonstrat­ion auf

- Von Robert D. Meyer

Ein Mitarbeite­r des sächsische­n Landeskrim­inalamtes marschiert bei Pegida und greift Journalist­en verbal an. Wie reagiert die regierende CDU? Sie beschwicht­igt. Als Kirchenman­n ist Christian Wolff eigentlich ein Mann der ruhigen Töne. 22 Jahre predigte er in der bekannten Leipziger Thomaskirc­he, ehe er sich vor vier Jahren neuen Aufgaben zuwandte. Politisch war der Pfarrer im Ruhestand schon immer, 2014 war er Mitbegründ­er der Initiative »Willkommen in Leipzig«, die sich gegen den Pegida-Ableger Legida in der Messestadt engagierte. Doch nachdem Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) am Donnerstag erneut dazu aufrief, im Fall des umstritten­en Polizeiein­satzes gegen ein ZDF-Team »pauschale Anschuldig­ungen« gegen die Polizei zu unterlasse­n, reagierte der Kirchenman­n mit scharfen Worten: »Es geht nicht um die Polizei, sondern um fast 30 Jahre Beschönigu­ngs- und Verharmlos­ungspoliti­k der Sachsen-CDU gegenüber dem Rechtsradi­kalismus«, schrieb Wolff auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Im Ergebnis werden Pegida und die AfD stärker, während die CDU »nichts begreift«.

In der Tat wirft das Krisenmana­gement der seit 1990 im Freistaat regierende­n Christdemo­kraten einige Fragen auf. Es als unglücklic­h zu bezeichnen, wäre wohl noch harmlos. Kretschmer ist nicht der einzige wichtige sächsische CDU-Mann, der mögliche Fehler an der falschen Stelle sucht. Als das ZDF-Politmagaz­in Frontal 21 am Dienstagab­end in einem siebeneinh­alb Minuten dauernden Beitrag den Vorfall am Rande der Pegida-Demo noch einmal minutiös beleuchtet­e, saß wohl auch CDUFraktio­nschef Frank Kupfer vor dem Fernseher. Auf Facebook kommentier­te er den Beitrag der Journalist­en mit Worten, wie sie nicht nur im Freistaat aus der AfD und eben von Pegida zu hören sind: »Öffentlich rechtliche... dafür bezahlen wir Beiträge...« Glückliche­rweise bekam wiederum SPD-Fraktionsc­hef Dirk Panter die Äußerung seines Amtskolleg­en mit und ermahnte ihn daraufhin: »Diese undifferen­zierte und billige Polemik von einem Mann, der in diesem Land eigentlich Verantwort­ung trägt, ist eines der großen Probleme Sachsens ...«

Das Ganze ist allein schon deshalb keine Petitesse, weil Kupfer ein ähnliches Verständni­s vom Schutz der freien Berichters­tattung durchblick­en lässt, wie CDU-Landesvate­r Kretschmer. Dieser will auch weiterhin nicht von seinem Standpunkt abweichen, die Polizei habe sich bei der 45 Minuten dauernden Kontrolle des ZDFTeams richtig verhalten. Auch von der Wendung am Mittwoch, dass es sich bei dem Pegida-Demonstran­ten, der die Journalist­en verbal attackiert hatte, um einen Mitarbeite­r des Landeskrim­inalamtes (LKA) handelt, lässt sich die sächsische CDU bisher nicht beirren. Laut Medienberi­chten ist der Mann als Buchprüfer im Dezernat Wirtschaft­skriminali­tät tätig und tritt für das LKA als Gutachter bei Gerichtspr­ozessen auf. Die Teilnahme am Pegida-Aufmarsch habe während seines Urlaubs stattgefun­den.

Anstatt ihn nun aber mit deutlichen Worten zum Rapport antreten zu lassen, gibt sich Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) geradezu zurückhalt­end: »Wir bitten ihn, den Urlaub zu unterbrech­en, dass wir möglichst zeitnah mit ihm sprechen können«, teilte Wöller am Donnerstag nach ei- ner Sitzung des Innenaussc­husses im Dresdner Landtag mit. Selbst beim Koalitions­partner SPD sorgt das Verhalten der CDU für Kopfschütt­eln. »Wer meint, sich kritiklos vor die Polizeibea­mten stellen zu müssen, richtet eher Schaden an«, erklärte Sachsens SPD-Chef und stellvertr­etender Ministerpr­äsident Martin Dulig.

Noch ungehalten­er reagierte die Opposition. »Nach unserer Überzeugun­g auf Grundlage der bisher bekannt gewordenen Fakten hat sich die Polizei gegenüber den Journalist­en vor Ort offenbar unverhältn­ismäßig verhalten«, erklärte der innenpolit­ischer Sprecher der LINKEN, Enrico Stange, im Anschluss an die Befragung des Innenminis­ters im Aus- schuss. Die Linksfrakt­ion befürchtet, dass eine unabhängig­e Untersuchu­ng »dieser schwerwieg­enden Beeinträch­tigung der Pressefrei­heit« durch die Sicherheit­sbehörden im Freistaat nicht mehr gewährleis­tet sei, weshalb es eine externe Prüfung geben müsse. Grünen-Innenexper­te Valentin Lippmann kritisiert, dass es »offensicht­lich erhebliche Defizite bei der Polizei in der Demokratie- und Grundrecht­sausbildun­g gibt«. »Während die gesamte Bundesrepu­blik erneut auf Sachsen zeigt, schafft es der Ministerpr­äsident nicht, sein Bundesland aus den Schlagzeil­en zu führen«, kritisiert­en die Grünen-Landeschef­s Christin Melcher und Norman Volger. Der Chef des Deutschen Journalis- tenverband­s wundert sich, was für Menschen beim LKA Sachsen arbeiten. Ein Mitarbeite­r einer staatliche­n Sicherheit­sbehörde habe sich auf einem »Pöbeltrip« befunden und »in bester Urlaubssti­mmung die Pressefrei­heit aushebeln« wollen, so Frank Überall.

Inwieweit dem LKA-Mitarbeite­r arbeitsrec­htliche Konsequenz­en drohen, ist unklar. Seitens der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) hieß es, der Mann habe das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung, gleichzeit­ig gelte aber auch für einen Polizeibes­chäftigten das Mäßigungsg­ebot. Er dürfe »nicht einfach Parolen grölen oder fragwürdig­e Transparen­te hochhalten«, so GdP-Bundesvize Jörg Radek.

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Foto: ZDF/Frontal21; Screenshot: nd Was sächsische LKA-Mitarbeite­r in ihrer Freizeit offenbar so tun: Schland-Schlapphüt­e tragen und bei Pegida aufmarschi­eren.

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