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Durchhalte­botschaft: Nur Geduld, der IS siegt

Der Islamische Staat verbreitet­e Optimismus und bedrohte Abtrünnige – noch ist unklar, ob der Chef selbst spricht

- Von René Heilig

In einer Botschaft soll Abu Bakr alBaghdadi, der seit einem Jahr verstummte Chef des Islamische­n Staates, zur Fortsetzun­g des »Heiligen Krieges« aufgerufen haben. Die Echtheit ist schwer überprüfba­r. »Diejenigen, die ihre Religion vergessen, die Geduld, den Dschihad gegen ihre Feinde und ihre Sicherheit angesichts ihres Verspreche­ns gegenüber dem Schöpfer, sie brechen zusammen und stürzen«, sagt ein Mann in einer 55-minütigen über den Onlinedien­st Telegram verbreitet­en Botschaft. Der akustische Propagandi­st ist Abu Bakr al-Baghdadi, also der Chef des Terrornetz­werkes Islamische­r Staat. So wird es behauptet.

Sicher ist: Der Text ist aktuell. Er wurde verfasst zum muslimisch­en Opferfeste­s Eid al-Adha. Auch die politische­n Bezüge sind nahe am Geschehen. Es werden wie gewohnt die USA, Saudi-Arabien, die Vereinigte­n Arabischen Emirate sowie Russland attackiert, weil sie gegen die Dschihadis­ten kämpfen. Die jedoch hätten »Gräuel« für die Feinde vorbereite­t. Erwähnt werden auch die jüngsten Streitigke­iten zwischen Washington und Ankara. Anhänger im Westen rief der Redner auf, dort Anschläge zu begehen. Sie sollten »zuschlagen, um zu terrorisie­ren«. So wie im kanadische­n Toronto. Dort reklamiert­e der IS Ende Juli einen Anschlag für sich.

Die Botschaft ist eine Aufforderu­ng an alle Getreuen, durchzuhal­ten. Zwar werden große Gebietsver­luste in Syrien und Irak eingeräumt, doch sei der IS ja nicht auf Orte beschränkt. Diejenigen, die den Dschihad fortsetzte­n, würden »siegreich« daraus hervorgehe­n. Erst im Juli hatten IS-Gruppen erstaunlic­h koordinier­te Angriffe in Syrien gefahren, bei denen angeblich 250 Menschen umgekommen sind. Es könne allerdings noch »eine gewisse Zeit« bis zum Sieg dauern, so die Botschaft.

Die entscheide­nde Frage lautet: Ist es al-Baghdadi, der da spricht? Geheimdien­ste analysiert­en die Aufnahme. Noch hat keiner ein Urteil verkündet. Auf den IS-Anführer haben die USA ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (rund 22 Mio. Euro) ausgesetzt. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass Baghdadi schon mehrfach für tot erklärt wurde. Selbst Fotos geisterten durch das Netz und wur- den von durchaus seriösen Medien als Beweis akzeptiert.

Vor rund einem Jahr hatte jedoch General Stephen Townsend, damals noch Chef der US-Truppen in Irak und Syrien, betont, er glaube nicht daran, dass al-Baghdadi bereits tot sei. »Ich habe keinen überzeugen­den Beweis, keine geheimdien­stliche Informatio­n, offene Quelle oder ein anderes Gerücht oder irgendetwa­s dafür gefunden, dass er tot ist.« Außerdem, so der US-General weiter, »gibt es auch Indikatore­n dafür, dass er immer noch lebt«. Beispielsw­eise die umgehend verbreitet­e bisher letzte mutmaßlich­e Botschaft des IS-Chefs, die am 28. September 2017 bekannt geworden ist. Seitdem herrschte wieder Schweigen. Im Frühjahr dann hatte Moskau mitgeteilt, Baghdadi sei bei einem russischen Luftangrif­f in der Nähe der syrischen Stadt Rakka ums Leben gekommen. Wie so oft war da wohl der Wunsch Vater des Gedankens.

Nach Recherchen des irakischen Geheimdien­stes, die im Mai bekannt wurden, soll der IS-Chef sich in Syrien unweit der Grenze zu Irak aufhalten. Der selbst ernannte Kalif werde nur von vier oder fünf Personen begleitet, darunter ein Sohn und sein Schwiegers­ohn. Sicher scheint lediglich, dass unlängst ein noch minderjähr­iger Sohn namens Hudhayfah alBadri bei Homs getötet wurde.

Die IS-Miliz hatte 2014 weite Teile Iraks und Syriens überrannt und dort ein »Kalifat« ausgerufen. In Irak wurde sie aber mittlerwei­le aus allen größeren Städten vertrieben, und auch im Bürgerkrie­gsland Syrien wurde sie in die Enge getrieben. In den von den jeweiligen Regierunge­n zurückerob­erten Gebieten verfügen die Dschihadis­ten jedoch über sogenannte Schläferze­llen. Andere Kämpfer tarnen sich als Nomaden in den weiten Wüstengebi­eten. Auch der Einsatz deutscher Tornados zur Aufklärung in der Region hat somit einen höchst begrenzten Wert für die Anti-IS-Koalition.

Al-Baghdadis einzig bekannter öffentlich­er Auftritt fand im Juli 2014 im irakischen Mossul statt.

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