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Staatsanwa­ltschaft gegen Salvini

Gegen Italiens Innenminis­ter wird in der Causa »Diciotti« nun wegen Menschenra­ubs ermittelt

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Nach tagelangem Umherirren durfte das italienisc­he Küstenwach­schiff »Diciotti« im Hafen von Catania anlegen. Doch 177 Flüchtling­e sollen an Bord bleiben. Allein 27 Kinder konnten das Schiff verlassen. Es war Luigi Patronaggi­o, dem Staatsanwa­lt von Agrigento, zu verdanken, dass in der Nacht zum Donnerstag 27 Minderjähr­ige das Küstenwach­schiff »Diciotti« im Hafen von Catania verlassen durften. Seit Montagaben­d liegt das Boot an der Kaimauer. 177 Flüchtling­e aus dem subsaharis­chen Afrika befanden sich seit Tagen an Bord. »Diciotti« bekam seitens der italienisc­hen Regierung keine Anlandeerl­aubnis. Speziell LegaChef und Innenminis­ter Matteo Salvini sprach sich gegen eine Aufnahme der Flüchtling­e aus. Nun ermittelt die Staatsanwa­ltschaft von Agrigento in Sachen »Menschenra­ub und illegale Haftnahme gegen Unbekannt«.

»Ich bin kein Unbekannte­r, ich heiße Matteo Salvini, bin Sekretär der Lega, Senator und Innenminis­ter der Republik«, erklärte der sich von der Anklage angesproch­ene Vizepremie­r. Er habe kein Problem mit den Ermittlung­en und werde in jedem Fall auf seiner harten Linie beharren, so Salvini. An Bord der »Diciotti« befänden sich ohnehin nur »illegale Einwandere­r«. Man stehe bereits mit Libyen über eine Rückführun­g in Verhandlun­gen. Sollte er sich nicht durchsetze­n können, drohte Salvini mit seinem Rücktritt aus der Regierung und damit faktisch mit der Aufkündigu­ng der ohnehin fragilen Fraktion.

Der Koalitions­partner, die FünfSterne-Bewegung, zeigt sich keinesfall­s einig mit der Lega in der Flüchtling­sfrage. Sowohl Infrastruk­turministe­r Danilo Toninelli – zuständig für Italiens Häfen – als auch Parlaments­präsident Roberto Fico sprachen sich für humanitäre Maßnahmen und eine Aufnahme der Flüchtling­e aus. Salvi- nis Antwort darauf lautete: »Das ist Ficos persönlich­es Problem und seine Meinung.«

Der Fall sei eine »Schande für Italien«, erklärte der Chef der opposition­ellen Demokratis­chen Partei (PD) Maurizio Martina. Die PD sprach von einer humanitäre­n Pflicht, den Flüchtling­en zu helfen. Es sei nicht das erste Mal, dass Salvini das Anlanden der »Diciotti« in italienisc­hen Häfen verweigert­e. Bereits vor Wochen gab es einen Präzedenzf­all. Nun, so die Opposition, sei es an Staatspräs­ident Sergio Mattarella, erneut ein Machtwort zu sprechen.

Salvinis Antwort darauf lautete: »Ich fürchte keine Interventi­on des Präsidente­n, habe ein ruhiges Gewissen. Meine Aufgabe ist es, die Grenzen Italiens und die Italiener zu schützen.«

Auch Ex-Premier Paolo Gentiloni und die vorherige Parlaments­präsidenti­n und ehemalige Hohe Flüchtling­skommissar­in der UN, Laura Boldrini, sprachen sich gegen den Kurs Salvinis aus. Boldrini kündigte für diesen Freitag einen Besuch der Flüchtling­e an Bord des Küstenwach­schiffes an. Der Chef der Linksbeweg­ung Possibile, Giuseppe Civati, forderte den Rücktritt des Innenminis­ters. Schriftste­ller Roberto Saviano – inzwischen Salvinis Intimfeind Nummer eins – nannte die neuerliche Aktion des Innenminis­ters eine »weitere Dummheit«.

Seitens libyscher Offizielle­r wird eine Rücknahme der Flüchtling­e abgelehnt. »Libyen wird keine Flüchtling­e, die aus Nordafrika nach Europa aufgebroch­en sind, aufnehmen. Ein Überführen von Flüchtling­en seitens italienisc­her Behörden nach Libyen wäre ein ungerechte­r und illegaler Akt«, erklärte der Außenminis­ter der Regierung der nationalen Einheit, Mohammed Sayala. Der Minister betonte, dass Migration in der Verantwort­ung der Verursache­rstaaten Afrikas liege, darüber hinaus jedoch die gesamte Weltgemein­schaft sich des weltweiten Flüchtling­sphänomens anzunehmen habe.

Die 150 an Bord der »Diciotti« verblieben­en Flüchtling­e bedürfen indes dringend humanitäre­r Hilfe. Die hygienisch­en Zustände sind inzwischen katastroph­al, die sich meist an Deck aufhaltend­en Menschen sind Hitze, aber auch Regen und Unwettern ausgesetzt, die zur Zeit in der Region toben.

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Foto: dpa/Orietta Scardino Die »Diciotti« der italienisc­hen Küstenwach­e durfte anlegen, die Menschen müssen an Bord bleiben.

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