nd.DerTag

Rettung für das Leipziger Werk?

Im Arbeitskam­pf bei Neue Halberg Guss (NHG) deuten sich erste Zugeständn­isse an

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Streiks in den NHG-Werken hatten unübersehb­are Wirkung auf die Automobili­ndustrie. Bald könnte sich zeigen, ob sich dies für die Angestellt­en auszahlt. Im monatelang­en Tarifstrei­t zwischen der IG Metall und dem Autozulief­erer Neue Halberg Guss (NHG) um die Zukunft der beiden Werke in Saarbrücke­n und Leipzig und einen Treuhandfo­nds sowie einen Sozialplan zur Abmilderun­g der Folgen eines möglichen Arbeitspla­tzverluste­s scheint jetzt eine Kehrtwende möglich. So sprach die Gewerkscha­ft nach einer neuen Runde in den zähen Schlichtun­gsverhandl­ungen am späten Mittwochna­chmittag von einem »Ausloten möglicher Fortführun­gsund Zukunftsko­nzepte mit dem Ziel, beide Standorte erhalten zu können«. Diese Wortwahl deutet darauf hin, dass die Schließung der Leipziger Gießerei mit derzeit rund 700 Beschäftig­ten nun doch nicht das letzte Wort der NHG-Geschäftsl­eitung sein könnte. In einem Interview mit der »Bild«-Zeitung hatte NHG-Chef Alexander Gerstung noch Anfang Juli erklärt: »Die Werksschli­eßung Ende 2019 ist in Stein gemeißelt.« Davon scheint der Manager inzwischen abgerückt zu sein, zumindest verbal.

Allerdings bleibt es nach wie vor völlig offen, ob am Ende des Tauziehens hinter verschloss­enen Türen das komplette Leipziger Werk mit allen Arbeitsplä­tzen und bisherigen Beschäftig­ungen erhalten bleibt und Entlassung­en im Saarbrücke­r Werk verhindert werden. Beschäftig­te und IG Metall hatten im Juni und Juli über sechs Wochen lang mit einem unbefriste­ten Streik die Produktion gelähmt und damit folgenreic­he Lieferengp­ässe für die Fahrzeugin­dustrie ausgelöst. So musste das Eisenacher Opelwerk im Juli die Betriebs- ferien vorziehen. Manager des direkt betroffene­n Kölner Nutzfahrze­ugeherstel­lers Deutz forderten Mitte Juli einen sofortigen Streikabbr­uch. »Setzen Sie diesem Wahnsinn ein Ende«, so ihr damaliger Appell.

Ende Juni setzte die IG Metall den Streik aus und konzentrie­rte sich auf die wenig später in Gang gekommenen Schlichtun­gsverhandl­ungen unter Leitung des ehemaligen Arbeitsric­hters Lothar Jordan. Ihm bescheinig­te Gerstung schon Mitte August, dass er »in alle Richtungen« verhandele und auch »über unorthodox­e Lösungsans­ätze« nachdenke.

Die IG Metall hatte immer wieder betont, dass der Streik nur unterbroch­en sei und jederzeit wieder fortgesetz­t werden könne. Dem Streikbe- ginn lag eine Urabstimmu­ng der Gewerkscha­ftsmitglie­der zugrunde, bei der in Saarbrücke­n knapp 94 Prozent und in Leipzig 98 Prozent für den Arbeitskam­pf stimmten. Dementspre­chend müsste laut IG Metall-Satzung ein offizielle­s, reguläres Streikende erneut per Urabstimmu­ng von den Mitglieder­n beschlosse­n werden. Weitere Details über den Fortgang der Schlichtun­g wollte ein Gewerkscha­ftsspreche­r am Donnerstag gegenüber »nd« nicht nennen. Auch die NHG-Geschäftsf­ührung wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Die Unterbrech­ung des Streiks und die Wiederaufn­ahme der Produktion haben viele NHG-Arbeiter nur murrend hingenomme­n. Schließlic­h hatte der Streik durch die Lieferprob­leme eine unübersehb­are Wirkung gezeigt und damit der Belegschaf­t ihre starke Position verdeutlic­ht. Zudem erfuhren die Streikende­n zunehmend Solidaritä­t aus anderen Betrieben und Gewerkscha­ften. Die Zeichen standen auf Eskalation. Wie wirksam die Streikauss­etzung zugunsten der Schlichtun­gsverhandl­ung ist und was von den ursprüngli­chen Forderunge­n am Ende im Vertrag steht, muss sich zeigen.

Die traditions­reiche Gießerei NHG gehört der bosnischen Unternehme­nsgruppe Prevent. IG Metall und Belegschaf­t werfen dem Konzern vor, dass er gezielt Autozulief­erer aufkaufe, mit Lieferboyk­otts bei Autokonzer­nen immense Preiserhöh­ungen durchdrück­e, die Betriebe finanziell auspresse und sie dann auf dem Rücken der Beschäftig­ten schließe. Mit der Forderung nach einem Sozialvert­rag zur Bildung einer Qualifizie­rungsgesel­lschaft und eines von der NHG zu finanziere­nden treuhänder­ischen Fonds sollen die Folgen eines möglichen Arbeitspla­tzverluste­s für die Belegschaf­t abgefedert werden.

Die Unterbrech­ung des Streiks und die Wiederaufn­ahme der Produktion haben viele NHG-Arbeiter nur murrend hingenomme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany