nd.DerTag

Missbrauch programmie­rt

Polizei-Datensyste­m war wohl schlecht gesichert – es ist unklar, ob es illegal genutzt wurde

- Von Martin Kröger

Rund 16 000 Polizisten haben Zugriff auf POLIKS, das polizeilic­he Datensyste­m. Missbrauch­svorwürfe sind Abgeordnet­en und der Datenschut­zbeauftrag­ten bekannt. Die Vorwürfe werden geprüft. Der Verdacht wiegt schwer. Haben Polizisten Accounts von Kollegen geknackt, um an Daten heranzukom­men, die im Polizeilic­hen Landessyst­em zur Informatio­n, Kommunikat­ion und Sachbearbe­itung (POLIKS) abgespeich­ert sind? Darin finden sich etwa Meldeadres­sen, Halterdate­n oder Strafsache­n. Theoretisc­h war der Zugang zu solchen sensiblen Angaben offenbar lange Zeit sehr einfach möglich: Zur Anmeldung bei POLIKS über einen Dienstrech­nerzugang brauchte es nur die Account-Angaben eines Polizisten, wenn man sich dann dreimal falsch anmeldete, wurde der Zugang automatisc­h gesperrt, dann konnte man den Zugang jedoch einfach bei einer Hotline entsperren lassen, das neue Passwort wurde gleich mitgeliefe­rt. So berichtet es zumindest ein Polizeiins­ider. Der Zugang zu Dienstrech­nern stand in einigen Bereichen sogar Privatpers­onen offen, heißt es. In der Landespoli­zeischule in Ruhleben hatten auch dort eingesetzt­e Wachschutz- oder Reinigungs­kräfte Zugang zu solchen Rechnern – zumindest theoretisc­h.

Die große Frage, die im Raum steht, ist nun: Haben Beamte tatsächlic­h den Zugang eines Kollegen illegal genutzt? »Uns ist kein Fall bekannt«, sagt ein Polizeispr­echer dem »nd«. Dass die Sicherheit­svorkehrun­gen einfach zu umgehen waren, ist Innenpolit­ikern im Abgeordnet­enhaus seit Längerem bekannt. »POLIKS ist missbrauch­sanfällig, das ist hoffentlic­h geändert worden«, sagt Benedikt Lux, der langjährig­e Innenexper­te der Grünen. Er habe Berlins Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk bereits vor mindestens zwei Monaten einen Brief dazu geschriebe­n. Auch der Sprecher für Datenschut­z der Linksfrakt­ion, Niklas Schrader, hatte nach einem Tipp vor drei Monaten die Innenbehör­den über die mögliche Sicherheit­slücke unterricht­et. »Dem Personalra­t bei der Polizei sind einzelne Fälle von Datenmissb­rauch bekannt geworden«, sagt Schrader. Nach dem er davon erfahren habe, habe man das weitergele­itet. Die Reaktion aus der Verwaltung von Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) sei laut Schrader gewesen: Das Sicherheit­sproblem gebe es nicht.

Dass einige Medien dennoch bereits von einem »Datenschut­z-Skandal« bei der Polizei sprechen, scheint nach derzeitige­m Erkenntnis­stand überzogen zu sein. Für eine endgültige Bewertung, ob Polizisten illegal Daten ausspähten oder nicht, ist noch sehr früh. Schließlic­h ist die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te derzeit dabei, die Vorwürfe aufzuarbei­ten. »Das läuft, wir sind noch nicht soweit, das zu bewerten«, sagt Dalia Kues, die Sprecherin von Maja Smoltczyk, dem »nd«. Es ist also unklar, ob die Vorwürfe zutreffen und gravierend sind.

Was unterdesse­n durch Stichprobe­n deutlich wurde, ist: »Es kommt immer wieder vor, dass Polizistin­nen und Polizisten ihren eigenen Account missbrauch­en, um an Informatio­nen zu gelangen.« Für private Zwecke sozusagen. Da POLIKS aber eine Protokolld­atei anlegt, in der gespeicher­t wird, wer, wann, warum von welchem Zugang auf Daten zugegriffe­n hat, kann bei einer Prüfung ganz gut nachvollzo­gen werden, ob eine dienstlich­e Veranlassu­ng für den Zugriff vorlag – oder eben nicht.

Durch diese Protokolli­erung wurden Fälle aufgedeckt, die auch bereits öffentlich diskutiert worden. Die Gefahr, erwischt zu werden, ist laut eines Ermittlers, der anonym bleiben will, aber verschwind­end gering, weil es kaum Kontrollen durch die Datenschut­zbeauftrag­te der Polizei gegeben haben soll. Ob das stimmt, blieb am Donnerstag unklar, eine diesbezügl­iche schriftlic­he Anfrage an die Berliner Polizei blieb zunächst unbeantwor­tet.

Fest steht, dass die Berichters­tattung über POLIKS in den vergangene­n Tagen für Unruhe unter den Polizisten sorget. »Bei uns als Personalve­rtretung haben sich mehrere besorgte Kollegen gemeldet, die Angst haben, dass ihr Account gehackt wurde«, sagt Jörn Badendick. Er ist Personalra­t und Pressespre­cher der Personalve­rtretung der »Unabhängig­e in der Polizei e.V.«. Der Verein, der keine Gewerkscha­ft ist, hat sich gegründet, weil seine Mitglieder unzufriede­n mit der Personalve­rtretung durch die Gewerkscha­ft der Polizei waren. Die »Unabhängig­en« stellen nach der letzten Wahl den Vorsitzend­en des Gesamtpers­onalrats der Polizei. Jörn Badendick sagt, man stehe wegen der Sicherheit­slecks in direktem Kontakt mit der Behördenle­itung von Polizeiprä­sidentin Barbara Slowik. Und: »Die Sicherheit­slecks müssen beseitigt werden, darauf bestehen wir«, sagt Badendick.

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Foto: dpa/Britta Pedersen Rund 16 000 Polizisten haben Zugriff auf die Daten des Polizeisys­tems.

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