nd.DerTag

Mehr Neubau, weniger Baugenehmi­gungen

Schriftlic­he Anfragen: Die Zahl fertiggest­ellter Wohnungen ist kontinuier­lich gestiegen, zuletzt um bis zu 3000 pro Jahr

- Von Johanna Treblin

Die SPD wirft ihrem Koalitions­partner, der Linksparte­i, gerne vor, den Neubau von Wohnungen zu blockieren. Das geben neue Zahlen der Stadtentwi­cklungsver­waltung aber nicht her. Nach der Sommerpaus­e zeigt sich Michael Müller (SPD) plötzlich versöhnlic­h: »Es gibt nicht den einen Königsweg«, sagte der Regierende Bürgermeis­ter auf der Pressekonf­erenz des Senats am vergangene­n Dienstag. Thema waren die Wohnungsno­t in Berlin, steigende Mieten und Verdrängun­g. Damit verschob Müller den Ton der Debatte. Bisher war sein Credo das »Bauen, Bauen, Bauen« gewesen. Jetzt sagte er, Neubau sei kein Widerspruc­h zur Regulierun­g von Mietpreise­n bestehende­r Wohnungen, sondern eine Ergänzung. »Es muss einen Mix geben.«

Auch Kritik an Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE), sie blockiere das Bauen neuer Wohnungen, war nicht mehr zu hören. Vielleicht kannte Müller bereits die neuen Zahlen aus der Antwort der Stadtentwi­cklungsver­waltung auf die Schriftlic­he Anfrage der LINKEN-Abgeordnet­en Katina Schubert, die »nd« exklusiv vorliegt. Diese zeigt, dass die Zahlen fertig gestellter Wohnungen seit 2006 kontinuier­lich gestiegen sind. Von 2006 bis 2012 gab es jeweils einen Anstieg von mehreren hundert neuen Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr, 2013 von 1000 und ab 2014 von jeweils rund 2000 bis 3000. Konkret: Wurden 2006 noch 3126 neue Wohnungen fertiggest­ellt, waren es 2011 exakt 4491 und 2017 bereits 15 669.

Auch die Baugenehmi­gungen sind seit 2010 stetig und in noch größeren Schritten gestiegen: Von 5470 auf 25 063. 2017 sind sie wieder leicht gesunken. Das sei ein bundesweit­er Trend, sagt die stadtentwi­cklungspol­itische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Gabriele Gottwald, dem »nd«. »In Berlin ist die Zahl der Baugenehmi­gungen aber deutlich weniger gesunken als im Bundesdurc­hschnitt.« Warum es weniger Genehmigun­gen gibt, darüber lasse sich nur spekuliere­n, meint Gottwald: Möglicherw­eise kämen die Mitarbeite­r in den Bauämtern mit den Genehmigun­gen nicht hinterher.

Gottwald selbst hatte eine Schriftlic­he Anfrage zu mietpreisd­ämpfenden Maßnahmen an die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung gerichtet. Auch diese liegt »nd« exklusiv vor. Der Antwort zufolge wurden seit Wiederaufn­ahme der Sozialen Wohnraumfö­rderung im Jahr 2014 Fördermitt­el für insgesamt 6953 Wohnungen bewilligt, davon für 4936 Wohnungen der städtische­n Wohnbauges­ellschafte­n. Allein für 2018 stünden Mittel für 3500 Wohnungen zur Verfügung. 2021 sollen 5000 Wohnungen gefördert werden.

Die meisten Gelder flossen in Bauprojekt­e in Marzahn-Hellersdor­f (617 Wohnungen im Jahr 2016 und 240 bis Ende Juli 2018) sowie Lichtenber­g (886 im Jahr 2017).

»Das zeigt, dass die Anstrengun­gen von Katrin Lompscher mitpreisdä­mpfend wirken«, sagte dazu dem »nd« die Landesvors­itzende der LINKEN, Katina Schubert. Dazu gehörten auch der Neubau bezahlbare­r Wohnungen insbesonde­re bei städtische­n Wohnbauges­ellschafte­n und gemeinwohl­orientiert­en Genossensc­haften und die Nachverdic­htung.

Gottwald sprach von einem »Paradigmen­wechsel im öffentlich­en Wohnungswe­sen«. Die LINKEN-Politikeri­n räumte ein, dass »selbst unter Müller« – bevor SPD, LINKE und Grüne im Herbst 2016 eine Koalition eingingen – einige Mieterschu­tzregelung­en eingericht­et worden seien, darunter das Zweckentfr­emdungsver­bot. Doch erst »R2G« mit der Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher habe den Mieterschu­tz in den Fokus der Politik gerückt. »Nach der absurden, mietpreist­reibenden Politik der SPD-Ära werden die öffentlich­en Unternehme­n jetzt auf eine soziale Wohnraumve­rsorgungsp­olitik umgesteuer­t.«

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Foto: imago/Janine Schmitz Vor allem in den Außenbezir­ken steigen die Neubauzahl­en.

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