Optimistische Jugend
Mädchen und Jungen wollen sich ihren Berufswunsch in der Heimat Brandenburg erfüllen
Nach 2010 konnte nun wieder eine Studie zur Jugend in Brandenburg erstellt werden. Es hat sich seit damals einiges verändert, vieles zum Positiven, aber nicht alles. Der Anteil der Jugend an der brandenburgischen Gesamtbevölkerung wird immer geringer. Es gibt kaum Gesellschaften auf der Welt, deren Durchschnittsalter noch höher liegt als in Brandenburg. Dennoch geben die meisten Entwicklungstrends zu Optimismus Anlass. Einziger Schönheitsfehler: rechtsextreme und ausländerfeindliche Einstellungen nehmen wieder zu, wenn auch vorerst nur leicht. Insofern ist die Jugend ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Das sind – zusammengefasst die Ergebnisse einer am Donnerstag in der Potsdamer Staatskanzlei vorgelegten »Jugendstudie 2017«. Die Studie wurde unter Leitung von Professor Dietmar Sturzbecher vom Institut für angewandte Familien-, Kindheitsund Jugendforschung an der Universität Potsdam erarbeitet.
In Schlagworten lauten die Ergebnisse: Hohe Lebenszufriedenheit, hohe Schulzufriedenheit, geringere Gewalterfahrung, wachsendes Interesse an Politik, geringerer Alkohol- und Nikotinmissbrauch, aber auch Anstieg rechtsextremer und ausländerfeindlicher Einstellungen. Tatsächlich neu: Was Ausländerfeindlichkeit betrifft, stehen Mädchen den Jungen nicht mehr nach. Das war früher anders. Nicht aus den Auge lassen dürfe man laut Professor die 12- bis 14Jährigen, die als Gruppe die aktuellen Trends immer am deutlichsten widerspiegeln. In der Pubertät sei die Jugend nun einmal »maximalistisch, ahistorisch und intolerant«.
Während sich früher ein Haufen Enkel eine Oma teilen mussten, haben heutige »Patchwork«-Sprösslinge nicht selten drei oder vier Omas. Diese Prinzen- und Prinzessinnen-Situation und die damit verbundene Überflusserlebnisse durch Geschenke zeigen Wirkung. Dass hier eine Generation nachwächst, die Verantwortung trägt und tragen will, wird vielerorts bezweifelt. Dagegen stellt Professor Sturzbecher jedoch seine neuesten Befunde. Denen zufolge gebe es bei Jugendlichen durchaus »prächtige Entwicklungen«.
Vor allem erfreut ihn die steile Zunahme bei der »sozialen Lernqualität«, wo bewertet wird, ob Lehrer gerecht, geachtet, teilnehmend sind, ob sie ein Ohr für die Probleme ihrer Schüler haben und transparent sowie einleuchtend bewerten. Die allermeisten Jugendlichen haben Spaß am Lernen, das Schwänzen ist als Erscheinung des Schulalltags deutlich zurückgegangen. Das Gerede vom »Werteverlust« unter der Jugend sei eben nur Gerede.
Kein Widerspruch dazu ist für den Professor der Befund, dass Schulangst weiter zugenommen hat und vielfach »die Balance zwischen Schulanforderungen und Freizeit verloren gegangen« sei. Er warnte: In Staaten, wo die Schüler im internationalen Vergleich immer weit vorn abschneiden, sei auch die Selbstmordrate unter Jugendlichen vergleichsweise hoch. Gewachsen sei ferner das Interesse junger Menschen an Politik, und die Bereitschaft, sich am politischen Leben zu beteiligen. Das hänge mit den politischen Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammen. Politik »ist wieder im Wohnzimmer angekommen«, sagte Sturzbecher.
Bei der achten Studie ihrer Art wurden 3734 Schülerinnen und Schüler im Alter von zwölf bis 22 Jahren in 46 allgemeinbildenden Schulen und Oberstufenzentren des Landes Brandenburg befragt. Die letzte derartige Studie gab es 2010. Der Professor empfahl, diese Untersuchung wieder alle fünf Jahre vornehmen zu lassen, weil sich die Jugend in diesem Zeitraum »neu erfindet«, eigene Wege suche und als größte Gegner dabei immer die älteren Jugendlichen empfunden werden.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte mit Blick auf die Ergebnisse: »Die Jugend glaubt an ihre Zukunft hier in Brandenburg. Und unser Land kann stolz sein auf seine Jugend.« Zugleich wisse er um die finanziellen Probleme gerade in Haushalten von Alleinerziehenden, sagte Woidke. Er versprach, sich auch weiterhin für ein bundesweites System einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung einzusetzen.
Angesichts der Zunahme rechtsextremer Einstellungen unter Heranwachsenden versicherte Woidke: »Das zeigt, dass es in diesem Punkt keine Entwarnung gibt. Beunruhigende Tendenzen in der ganzen Gesellschaft spiegeln sich auch in dieser Studie wider.« Das Land werde in seinen Anstrengungen für ein »Tolerantes Brandenburg« nicht nachlassen. »Der Befund ist aber auch ein Weckruf an uns Erwachsene«, meinte Woidke. »Hören wir genauer hin, nehmen wir uns mehr Zeit im Umgang mit jungen Menschen, reden wir mehr mit ihnen! Und vor allem: Leben wir ihnen vor, dass ein friedliches Miteinander aller Menschen in Brandenburg möglich ist.«