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Statt Gefängnis nur Geldstrafe für den V-Mann

Wie der Geheimdien­stspitzel Carsten Szczepansk­i alias »Piatto« im Sommer 2000 glimpflich davonkam

- Von Andreas Fritsche

Er verstieß klar gegen Bewährungs­auflagen, musste jedoch im Sommer 2000 nicht zurück ins Gefängnis. Seine Geldstrafe bezahlte der Verfassung­sschutz. Der NSU-Ausschuss des Landtags fragt nach. Es sind bloß Geldstrafe­n für illegalen Waffenbesi­tz verhängt worden. Wären Polizei und Justiz schon damals auf ein Terrornetz­werk gestoßen, wenn sie hartnäckig­er im rechten Milieu nachgefors­cht hätten? Wären die Morde des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s (NSU) so zu verhindern gewesen?

Rückblick: Carsten Szczepansk­i muss sich eigentlich in Acht nehmen. Am 9. Mai 1992 war er dabei, als Neonazis den Flüchtling Steve Erenhi brutal verprügelt­en und in den Scharmütze­lsee warfen, wo der schwer verletzte Nigerianer beinahe ertrunken wäre. Seine Strafe dafür hat Szczepansk­i zwar abgesessen. Doch er steht im Juli des Jahres 2000 noch unter Bewährungs­auflagen. Wenn er sich etwas zu Schulden kommen lässt, könnte er schnell wieder drin sein im Gefängnis.

Staatsanwa­lt Peter Petersen hält ihn damals für einen »Bewährungs­versager«. Petersen erinnert sich heute noch recht plastisch an den Fall. Am Donnerstag sagt er im NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags aus. Das Telefon von Uwe Menzel war abgehört worden. Der fettleibig­e Sänger der Rechtsrock­band »Proissenhe­ads« ist besoffen und kaum zu verstehen. Aber eins ist dem Geschwafel zu entnehmen: Bei einer geplanten Demonstrat­ion der linken Hausbesetz­erszene am 9. Juli 2000 soll ein Blutbad angerichte­t werden.

Zwei Tage vorher erfährt die Staatsanwa­ltschaft davon und ist alarmiert. Menzels Wohnung in Potsdam wird durchsucht. Die Beamten finden eine Pistole vom Typ Česká 52 (mit einer Česká 52 werden später Opfer des NSU erschossen) und ein Kleinkalib­ergewehr. Menzel kann natürlich keine Waffensche­ine vorweisen. Er behauptet, Szczepansk­i habe ihm die Pistole besorgt. Der bestreitet das und gibt an, den Kauf der Pistole nur vermittelt zu haben. In diesen Tagen wird durch das Nachrichte­nmagazin »Der Spiegel« enthüllt, dass Szczepansk­i alias »Piatto« ein V-Mann des Verfassung­sschutzes ist. Seine Verdienste als Spitzel werden dann zu seiner Verteidigu­ng herausgest­richen. Das Verfahren gegen ihn soll eingestell­t werden. Aber Staatsanwa­lt Petersen lehnt das ab. Es gibt eine Geldstrafe. Die bezahlt dann der Verfassung­sschutz, wie man inzwischen weiß.

Um den möglicherw­eise geplanten Anschlag auf die Hausbesetz­erdemonstr­ation kümmert sich die Justiz nicht weiter. Menzel behauptet, er habe sich bedroht gefühlt und das Kleinkalib­ergewehr zu seiner Verteidigu­ng bereits 1998 für 1000 D-Mark von einem gewissen Raul gekauft. Das ist glatt gelogen. Er hat es erst kurz zuvor bei einem Rechtsrock­konzert in Mecklenbur­g-Vorpommern erhalten.

»Da ist vielleicht nicht intensiv genug ermittelt worden«, räumt Staatsanwa­lt Petersen im Rückblick auf den gesamten Fall ein. Dass Szczepansk­i so glimpflich davongekom­men ist, darauf soll der Verfassung­sschutz aber keinen Einfluss gehabt haben. Der Geheimdien­st habe sich in dieser Sache nicht bei ihm gemeldet, versichert Petersen. »Das wäre auch sinnlos gewesen. Wir lassen uns vom Verfassung­sschutz nicht sagen, was wir zu machen haben.«

Wenig ergibt am Donnerstag die Befragung eines Zeugen, der von 1999 bis 2001 die Abteilung Staatsschu­tz im Landeskrim­inalamt leitete. Interessan­t ist die Biografie des Mannes, die er ausführlic­h schildert. 400Meter-Hürdenläuf­er war er in seiner Jugend und sollte bei den Olympische­n Spielen 1972 in München für die DDR an den Start gehen, traute sich den dafür noch notwendige­n Leistungss­prung jedoch nicht mehr zu und ging zur Volkspoliz­ei, befasste sich im DDR-Innenminis­terium bis zum bitteren Ende hauptsächl­ich mit der Beschaffun­g von Kriminalte­chnik. Die detaillier­te Schilderun­g weckte bei dem Landtagsab­geordneten Björn Lüttmann (SPD) die Hoffnung, der Zeuge könne einiges über den V-Mann »Piatto« erzählen. Aber Fehlanzeig­e. »Der Name Carsten Szczepansk­i spielt in meiner Erinnerung keine Rolle.«

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