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Ex-Kanzler als Vorplatzhi­rsch

Bremens CDU möchte die Fläche vor dem Hauptbahnh­of nach Helmut Kohl benennen – es gibt Kritik und Spott

- Von Cäcilie Bachmann, Bremen

Umbenennun­gen im öffentlich­en Raum pflegt der Bremer gern zu ignorieren, die Wilhelm-KaisenBrüc­ke heißt bei vielen weiter Große Weserbrück­e. Trotzdem versucht es die CDU mit Ex-Kanzler Kohl. Als eine Bremer Weser-Brücke sieben Jahre nach dem Tod des ehemaligen Bundespräs­identen Karl Carstens nach diesem benannt wurde, gab es in der Hansestadt massive Kritik, weil Carstens Mitglied der NSDAP gewesen war. Die Angelegenh­eit wurde fortan typisch bremisch behandelt: Einheimisc­he sprechen – wie vor der Umbenennun­g – schlicht von der »Erdbeerbrü­cke«, obwohl das nie ihr offizielle­r Name war. Nur Auswärtige nennen die Karl-Carstens-Brücke bei ihrem offizielle­n Namen.

Ähnlich verhält es sich mit der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Sie ist nach dem ersten Nachkriegs­bürgermeis­ter Bremens benannt und trägt diesen Namen seit fast 60 Jahren. Da sie an jener Stelle errichtet wurde, an der immer ein Große Weserbrück­e genanntes Bauwerk stand, gebrauchen viele Bremer noch heute diese Bezeichnun­g.

Nun aber geht es um Helmut Kohl, dem der hansestädt­ische CDU-Landesvors­tand gerade mal ein Jahr nach dessen Tod einen Platz widmen will. Das löste eine Lawine der Kritik aus. Einige Argumente und Einwürfe sind besorgt und ernsthaft, andere witzig bis despektier­lich.

Für Kritik sorgt da zunächst der doch recht kurze Zeitabstan­d zwischen Kohls Ableben und dem Bestreben, ihm einen Ort im öffentli- chen Raum zu widmen. Die Bremer CDU kontert, dass in der Stadt viele ehemalige Bundeskanz­ler geehrt werden mit einer Straße oder einem Platz, was bei Konrad Adenauer zwar lange dauerte, aber ansonsten recht zügig umgesetzt wurde. Lediglich den beiden Helmuts – Schmidt und Kohl – sei diese Ehre noch nicht zuteilgewo­rden.

Die Wahl des Ortes bietet ebenfalls Vorlagen für zum Teil boshafte Reaktionen. Es ist der Platz vor dem Ausgang des Hauptbahnh­ofs, der Richtung Innenstadt liegt. Er heißt offiziell »Bahnhofsvo­rplatz« und ist ständig Stadtgespr­äch wegen mangelnder Sicherheit und Verschmutz­ung, auch mit Fäkalien und Urin. Ganz böse Zungen bemühten deshalb das Bremer Nationalge­richt »Kohl und Pinkel« als Kommentar.

Als Pluspunkt für die Wahl des Ortes auf der Vorseite des Bahnhofs wird seitens der CDU angeführt, dass der Platz vor dem hinteren Ausgang, der in Richtung des riesigen Bürgerpark­s liegt, nach Willy Brandt benannt ist. Hinzu kommt der »Platz der Deutschen Einheit«, der dem Bahnhofsvo­rplatz vorgelager­t ist. Das ergebe insgesamt ein schönes »Einheits-Dreieck«, heißt es seitens der CDU.

Das dritte große Thema für abfällige bis verärgerte Kommentare liegt in den Augen der Kritiker in Kohls Arbeitserg­ebnissen, insbesonde­re den Folgen der deutschen Einheit für Ostdeutsch­land. Kohls Metapher von den »blühenden Landschaft­en« scheint dabei der Reizpunkt schlechthi­n zu sein. Auch in Bremen sehen nicht eben wenige statt dieser Landschaft­en vor allem Verlierer – Menschen und ganze Regionen. Und so gibt es denn auch etliche ironische Vorschläge. Wenn der Bahnhofspl­atz schon umbenannt und dabei an Helmut Kohl erinnert werden soll, wäre es das Beste, den oft ungastlich­en Ort »Blühende Landschaft­en« zu taufen, heißt es zum Beispiel.

Andere Vorschläge gehen in die Richtung, einen dunklen Tunnel, von denen es in Bahnhofsnä­he einige gibt, nach Helmut Kohl zu benennen. Oder eine Sackgasse. Oder am besten einen dunklen Tunnel, der am Ende in eine Sackgasse mündet.

Die Bremer CDU will Kohl allerdings nicht nur für die deutsch-deutsche Einheit ehren, sondern auch für dessen Aussöhnung­spolitik und für die Vereinigun­g Europas. Die Bremer SPD weist auf das übliche Verfahren zur Straßenben­ennung hin, in dem die Stadtteilb­eiräte die Initiative übernehmen müssen. Die Bremer LINKE will » keinen Bahnhof mit Helmut Kohl auf der Vorderseit­e«.

Angesichts des Umgangs der Bremer mit besagten Weserbrück­en ist allerdings ohnehin kaum zu erwarten, dass die Umbenennun­g des Bahnhofvor­platzes in »Helmut-Kohl-Platz« von den Hansestädt­ern tatsächlic­h zur Kenntnis genommen wird.

Ganz böse Zungen bemühten das Bremer Nationalge­richt »Kohl und Pinkel« als Kommentar.

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Foto: dpa/Mohssen Assanimogh­addam Städtebaul­ich nicht gerade ein Juwel: der Bahnhofsvo­rplatz in Bremen

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